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Nachschreiben nach der Zeitkontrolle

Verfasst: 26.09.2010, 23:17
von realpatzer
Hi @ all,

Situation - kein Streitfall:
Mannschaftskampf ohne neutralen Schiedsrichter.
Spieler A hat extreme Zeitnot und schreibt mindesten 15 Züge lang nicht mehr mit. Spieler B schreibt trotzdem er auch in Zeitnot gerät weiter mit. Seitdem beide Spieler Zeitnot haben, schreibt ein Mannschaftskollege von Spieler A mit. Nach dem Blättchenfall von Spieler A, möchte dieser sein Partieformular mithilfe der gegnerischen Mitschrift ergänzen (Es war unstrittig, dass die Zeitkontrolle geschafft wurde). Das erweist sich als unmöglich, da dort ein unmöglicher Zug aufgeschrieben ist. Die Mitschrift des Vereinskameraden setzt erst später ein. Spieler A hält daraufhin die Uhr an, um mit seinem Gegner an einem anderem Brett die Partie zu rekonstruieren. Nachdem der Fehler gefunden ist, setzt er seine Zeit wieder in Gang und schreibt zu ende nach.
Als die Partie bei stehender Uhr rekonstruiert wurde, gab es leichtes Murren von Vereinskollegen des Gegners.

Deshalb meine Frage: War es korrekt die Partie bei stehender Uhr zu rekonstruieren, bis der Fehler gefunden wurde?

Gruß Burkhard

Re: Nachschreiben nach der Zeitkontrolle

Verfasst: 27.09.2010, 15:26
von Eckart
Ich halte das für vollkommen korrekt.

Der hier beschriebene Sachverhalt - einer schreibt nicht mit, der andere schreibt fehlerhaft mit - wird in den Regeln nicht ausdrücklich behandelt.

Meiner Meinung nach ist die nicht unerheblich fehlerhafte Mitschrift einer gänzlich unterbliebenen Mitschrift gleichzustellen, so dass so vorzugehen ist, als ob beide Spieler nicht mitgeschrieben hätten, und das bedeutet Rekonstruktion bei stehender Uhr.

A war mE sogar insofern generös, als er seine eigene Uhr direkt nach Aufspüren des Fehlers in der Mitschrift des Gegners wieder in Gang gesetzt hat. Im Normalfall der beiderseitigen Nichtmitschrift kommt es ja auch nicht darauf an, welcher von beiden Spielern mit dem Nachtragen der Züge zuerst fertig ist.

Das Wiederingangsetzen der Uhren hätte allerdings der laut Reglement mit der Wahrnehmung der Aufgaben des Schiedsrichters betraute Anwesende übernehmen müssen.

Überhaupt:
Was ist ein "Murren bei Vereinskollegen des Gegners"? Diese haben sich gefälligst aus der Partie herauszuhalten, bei vermuteten Regelverstößen dürfen sie sich an den Schiedsrichter wenden, mehr aber auch nicht.

Re: Nachschreiben nach der Zeitkontrolle

Verfasst: 27.09.2010, 18:05
von hoppepit
Wie Eckart schon schrieb, da ist alles mit rechten Dingen zugegangen!

Ich frage mich allerdings, wo der SR bzw. WKL zu der Zeit war, der ist eigentlich in solch einem Fall "zuständig".

Re: Nachschreiben nach der Zeitkontrolle

Verfasst: 27.09.2010, 20:23
von Thomas Rondio
Hier sind wohl alle einer Regelunkenntnis aufgesessen: Nachdem ein Blättchen gefallen war, mussten die Uhren angehalten und die Aufzeichnungen ergänzt werden. Dass Spieler B mitgeschrieben hatte, obwohl er es nicht musste, ist irrelevant (FIDE-Regel 8.5 a).

Re: Nachschreiben nach der Zeitkontrolle

Verfasst: 27.09.2010, 20:57
von hoppepit
Thomas Rondio hat geschrieben:Hier sind wohl alle einer Regelunkenntnis aufgesessen: Nachdem ein Blättchen gefallen war, mussten die Uhren angehalten und die Aufzeichnungen ergänzt werden. Dass Spieler B mitgeschrieben hatte, obwohl er es nicht musste, ist irrelevant (FIDE-Regel 8.5 a).
OK. rein regeltechnisch magst Du Recht haben.
Aber in den unteren Klassen (ohne neutralen SR und meist wird noch nicht mal ein WKL ernannt) läuft das nun mal so, daß der der nicht mitgeschrieben hat, auf seine Zeit die Züge nachträgt.
Das Erreichen der geforderten Züge war ja wohl unstrittig.
Anhand des geschilderten Falles finde ich, das sich die Beteiligten doch "mustergültig" verhalten haben.

Re: Nachschreiben nach der Zeitkontrolle

Verfasst: 28.09.2010, 08:34
von Georg Heinze
Thomas Rondio schreibt es so, wie es die FIDE-Regeln vorschreiben.
Daran sollten wir uns alle halten, auch in den unteren Klassen.
Noch konkreter wird die Kommentierung zu 8.5 a):
Die Uhr wird also angehalten, auch wenn einer der Spieler, der nicht
mitschreiben musste, trotzdem mitgeschrieben hat.
Atze wollte ja schließlich wissen, wie es richtig ist und nicht, wie es mitunter gehandhabt wird.

Re: Nachschreiben nach der Zeitkontrolle

Verfasst: 28.09.2010, 09:48
von Eckart
Thomas Rondio hat geschrieben:Hier sind wohl alle einer Regelunkenntnis aufgesessen: Nachdem ein Blättchen gefallen war, mussten die Uhren angehalten und die Aufzeichnungen ergänzt werden. Dass Spieler B mitgeschrieben hatte, obwohl er es nicht musste, ist irrelevant (FIDE-Regel 8.5 a).
Der Vorwurf der Regelunkenntnis fällt auf den zurück, der ihn erhoben hat.

Wenn mindestens einer der Spieler eine vollständige Aufzeichnung vorweisen kann, kommt Artikel 8.5 a) nicht zur Anwendung, heißt es dort doch u. a.:

"Daraufhin tragen beide Spieler ihre Aufzeichnungen unter Benutzung der Aufzeichnungen des Schiedsrichters oder des Gegners nach."
Thomas Rondio hat geschrieben:Dass Spieler B mitgeschrieben hatte, obwohl er es nicht musste, ist irrelevant (FIDE-Regel 8.5 a).
Mir ist schleierhaft, wie man zu einer solchen Aussage kommen kann. Wo vollständig mitgeschrieben wurde, ist die Aufforderung zum Nachtragen offensichtlich sinnlos. Ich habe auch noch nie erlebt, dass ein Schiedsrichter die Uhren angehalten hat, obwohl beide Spieler trotz beiderseitiger Zeitnot vollständig mitgeschrieben haben. Machen es also alle Schiedsrichter falsch, die dann nicht eingreifen?
Georg Heinze hat geschrieben:Noch konkreter wird die Kommentierung zu 8.5 a)
Welche "Kommentierung" soll das sein?

Re: Nachschreiben nach der Zeitkontrolle

Verfasst: 28.09.2010, 12:33
von hoppepit
Eckart hat geschrieben:Mir ist schleierhaft, wie man zu einer solchen Aussage kommen kann. Wo vollständig mitgeschrieben wurde, ist die Aufforderung zum Nachtragen offensichtlich sinnlos. Ich habe auch noch nie erlebt, dass ein Schiedsrichter die Uhren angehalten hat, obwohl beide Spieler trotz beiderseitiger Zeitnot vollständig mitgeschrieben haben. Machen es also alle Schiedsrichter falsch, die dann nicht eingreifen?
Genau dieser Fall ging mir auch durch den Kopf. Ich habe bisher dann nie die Uhr angehalten und werde es in Zukunft nicht tun.
Aus welchem Grund sollte ich die Partie mittels Anhalten der Uhr unterbrechen?
Um den Spielern zu sagen, daß alles in Ordnung ist und dann die Uhr sofort wieder zu starten?!

Re: Nachschreiben nach der Zeitkontrolle

Verfasst: 28.09.2010, 19:50
von Georg Heinze
@Eckart: z.B. hier: http://gkl-bw.de/FIDE-Regeln-2009.htm
Die Kommentierungen stammen vom Int. SR Markus Keller.
Natürlich braucht ein Spieler, der mitgeschrieben hat, seine Aufzeichnungen nicht ergänzen.
Und wenn beide mitgeschrieben haben (weil z.B. nur ganz wenige Züge zu notieren waren), entfällt das Nachtragen natürlich für beide und da braucht auch niemand die Uhr anzuhalten..
Danach hatte aber Atze (Entschuldigung, Realpatzer) nicht gefragt.

Re: Nachschreiben nach der Zeitkontrolle

Verfasst: 30.09.2010, 13:00
von realpatzer
puuh, das Ganze scheint ja nicht so einfach zu sein, wie ich dachte.
8.5 a) Wenn gemäß Artikel 8.4 kein Spieler mehr mitschreiben muss, soll, wenn möglich, der Schiedsrichter oder ein Assistent anwesend sein und mitschreiben. In diesem Fall hält der Schiedsrichter, unmittelbar nachdem eines der Fallblättchen gefallen ist, die Uhren an. Daraufhin tragen beide Spieler ihre Aufzeichnungen unter Benutzung der Aufzeichnungen des Schiedsrichters oder des Gegners nach.
Wenn nicht beide eine vollständige Notation haben, muss man wohl die Uhr in jedem Fall anhalten. Das erscheint mir aber in Grenzfällen sehr ungerecht zu sein. Beispielsweise, wenn ein Spieler nur seit zwei Zügen nicht mehr mitschreiben brauchte, es aber trotzdem getan hatte.

Zur Situation - Spieler A war der Beauftragte seiner Mannschaft, der der Gegnerischen Mannschaft ließ sich nicht sehen.

Lieber Günther Heinze: Atze ist mein Nachname :).

Liebe Grüße Burkhard Atze.

Re: Nachschreiben nach der Zeitkontrolle

Verfasst: 30.09.2010, 17:21
von Georg Heinze
Lieber Burkhard: und mein Vorname ist nicht Günther! 8)
Das mit dem ungerecht ist so eine Sache. Wenn ein Spieler mitschreibt, ohne dass er es müsste, ist es sein Bier.
Man kann es auch so sehen: während der eine Spieler die Züge nachträgt, hat der andere Spieler Zeit, sich die Stellung etwas zu verinnerlichen. Das wiederum wäre ein Vorteil.

Re: Nachschreiben nach der Zeitkontrolle

Verfasst: 30.09.2010, 19:24
von Eckart
Georg Heinze hat geschrieben:@Eckart: z.B. hier: http://gkl-bw.de/FIDE-Regeln-2009.htm
Die Kommentierungen stammen vom Int. SR Markus Keller.
Die Privatmeinung des Herrn Keller hat hier keine Relevanz.
Georg Heinze hat geschrieben:Natürlich braucht ein Spieler, der mitgeschrieben hat, seine Aufzeichnungen nicht ergänzen.
Ist das so "natürlich"? Wenn man, wie du es tust, allein auf den Wortlaut der Vorschrift abstellt, muss er es sehr wohl tun.
Georg Heinze hat geschrieben:Und wenn beide mitgeschrieben haben (weil z.B. nur ganz wenige Züge zu notieren waren), entfällt das Nachtragen natürlich für beide und da braucht auch niemand die Uhr anzuhalten
Auch das widerspricht deiner Auslegung von Artikel 8.5 a), die allein auf den Wortlaut abstellt.
Georg Heinze hat geschrieben:Danach hatte aber Atze (Entschuldigung, Realpatzer) nicht gefragt.
Da du den Zusammenhang nicht erkennst, will ich ihn gerne erläutern.

Im Kern geht es darum, ob die in Art. 8.5 a) und b) aufgezeigten Rechtsfolgen bereits eintreten,
A) wenn einer der beiden Spieler oder beide Spieler nicht mehr mitschreiben müssen, wie es der Wortlaut tatsächlich nahelegt,
B) oder ob sie erst dann eintreten, wenn einer der beiden Spieler oder beide tatsächlich nicht mehr mitmitschreibt/mitschreiben.

Da gibt es kein mal hüh - mal hott:

Das ist hott (=B):
Georg Heinze hat geschrieben:Und wenn beide mitgeschrieben haben (weil z.B. nur ganz wenige Züge zu notieren waren), entfällt das Nachtragen natürlich für beide und da braucht auch niemand die Uhr anzuhalten
Und das ist hüh (=A):
Georg Heinze hat geschrieben:Thomas Rondio schreibt es so, wie es die FIDE-Regeln vorschreiben.
Daran sollten wir uns alle halten, auch in den unteren Klassen.
Noch konkreter wird die Kommentierung zu 8.5 a):
Die Uhr wird also angehalten, auch wenn einer der Spieler, der nicht
mitschreiben musste, trotzdem mitgeschrieben hat.
Sinn und Zweck des Artikels 8.5 ist es doch, zu gewährleisten, dass eine vollständige Mitschrift beider Spieler vorliegt, auch wenn einer der beiden oder beide vorübergehend von der Verpflichtung zur sofortigen Mitschrift befreit sind. Unter dieser Prämisse kommt es sehr wohl darauf an, ob einer der beiden Spieler oder beide tatsächlich mitgeschrieben haben, und nicht, ob allein die Verpflichtung dazu für einen oder beide entfallen ist.

Re: Nachschreiben nach der Zeitkontrolle

Verfasst: 30.09.2010, 19:41
von Holger Moritz
Das ist für mich eine echte Bauchweh' Geschichte. Die Formulierung ist nicht gerade neu. Und, ich halte die Interpretation vom Markus und anderen von der Sprache her für die einzig mögliche. Allerdings widerspricht dieses aller gebräuchlichen Praxis - und ich halte es auch für unsinnig.

Auf meiner letzten 'normalen' Fortbildung (Regensburg, 2002?) habe ich die Referenten daraufhin angesprochen und in tieferes Nachdenken gebracht mit folgendem Ergebnis: Das sei wohl verschieden interpretierbar (huch), gemeint sei aber die übliche Praxis, wie sie damals auch noch in der Bundesliga gang und gebe war: Wenn einer noch mitgeschrieben hatte (egal ob er musste (>5Min) oder nicht (<5Min)), der andere aber legal (<5Min) nicht, dann muss der eine, der keine korrekte Notation hat, auf eigene Zeit nachschreiben, wenn beide nicht mitgeschrieben haben (egal wie viel, auch wenn einer nur 2 Züge, der andere 30) dann wir die Uhr angehalten bis beide wieder auf aktuellem Stand sind.

In Anbetracht der Tatsache, dass die Referenten damals eine Zweidrittelmehrheit der SR-Kommission darstellten und ihre Aufgabe auch ist, für eine einheitliche Regelinterpretation und Praxis zu sorgen, habe ich meine eigenen Bedenken hintenangestellt und verfahre auch heute noch so.

Für den konkreten Fall, der ein wenig anders gelagert ist würde ich dann in Analogie das geschehene für gut und nicht zu beanstanden halten. Die FIDE hat da wohl auch keine Bauchweh dabei, so lange ist ja kaum ein Artikel ungeändert beibehalten worden.

Re: Nachschreiben nach der Zeitkontrolle

Verfasst: 30.09.2010, 19:48
von hoppepit
Holger Moritz hat geschrieben:Auf meiner letzten 'normalen' Fortbildung (Regensburg, 2002?) habe ich die Referenten daraufhin angesprochen und in tieferes Nachdenken gebracht mit folgendem Ergebnis: Das sei wohl verschieden interpretierbar (huch), gemeint sei aber die übliche Praxis, wie sie damals auch noch in der Bundesliga gang und gebe war: Wenn einer noch mitgeschrieben hatte (egal ob er musste (>5Min) oder nicht (<5Min)), der andere aber legal (<5Min) nicht, dann muss der eine, der keine korrekte Notation hat, auf eigene Zeit nachschreiben, wenn beide nicht mitgeschrieben haben (egal wie viel, auch wenn einer nur 2 Züge, der andere 30) dann wir die Uhr angehalten bis beide wieder auf aktuellem Stand sind.
Diese "gängige Praxis" wird auch heute noch bis in die untersten Ligen ausgeübt!

Re: Nachschreiben nach der Zeitkontrolle

Verfasst: 30.09.2010, 20:47
von Eckart
Holger Moritz hat geschrieben:Und, ich halte die Interpretation vom Markus und anderen von der Sprache her für die einzig mögliche.
Von der Sprache her: JA.
Doch ist die Erfassung des Wortlautes nur eine von mehreren Techniken zur Auslegung einer Rechtsvorschrift, wie ich oben dargelegt habe.
Holger Moritz hat geschrieben:In Anbetracht der Tatsache, dass die Referenten damals eine Zweidrittelmehrheit der SR-Kommission darstellten und ihre Aufgabe auch ist, für eine einheitliche Regelinterpretation und Praxis zu sorgen, habe ich meine eigenen Bedenken hintenangestellt und verfahre auch heute noch so.
Schön zu wissen, dass die SR-Kommission derselben Auffassung ist wie hoppepit und ich.