Mannschaftsführerempfehlung erlaubt?

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Chlodwig
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Mannschaftsführerempfehlung erlaubt?

Beitrag von Chlodwig » 09.10.2010, 18:58

Die alt bekannte Situation im Mannschaftskampf einer x-beliebigen Bezirksliga:

Der Spieler X fragt seinen im Team mitspielenden Mannschaftsführer Y, ob er ein Remisangebot seines Gegners annehmen soll. Er möge doch mal bitte an sein Brett kommen und sich die Schachlage anschauen.

Fragen:
1. Darf der Mannschaftsführer Y seinem Mitspieler X empehlen, das Remisangebot anzunehmen bzw. darf er zum Weiterspielen raten?

2. Oder kommt es darauf an, WAS GENAU er seinem Mitspieler X sagt?

3. Sind die Landesverbände in dieser Frage frei, eigene Regelungen zu treffen, da ja in der DSB-Turnierordnung hierüber nichts ausgesagt ist?

Hintergrund: Heute hatten wir (Ort: Mannheim, Bereich des BSV) einen Mannschaftsführerlehrgang, bei dem genau dieses Thema angesprochen wurde.

Chlodwig
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dfuchs
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Re: Mannschaftsführerempfehlung erlaubt?

Beitrag von dfuchs » 09.10.2010, 21:17

In den FIDE-Regeln werden wir dazu nichts finden (ist ja nur für die Begegnung von zwei Spielern gültig). Also müssen die TOs der Landesverbände her halten. Die DSB-TO gilt hier natürlich nicht, da sie gar keine Anwendung findet (die Aufzählung der Turniere für die die TO gilt ist vollständig!).

Sollte auch in der Landes-TO nichts geregelt sein, was übrigens in Baden der Fall ist, würde ich ins FIDE-Handbuch schauen. Dort steht (frei übersetzt), der Mannschaftsführer darf den Spieler anweisen ein Remis anzubieten, ein bestehendes Remis anzunehmen oder abzulehnen, die Partie aufzugeben oder die Entscheidnung dem Spieler zu überlassen.

Das letzte Wort behält immer der Spieler.
Dort ist nicht geregelt, dass der Mannschaftsführer die Stellung nicht sehen darf.

Was hat Markus denn dazu gesagt?

Gruß Daniel

Chlodwig
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Mannschaftsführerempfehlung erlaubt?

Beitrag von Chlodwig » 10.10.2010, 00:29

Hallo Daniel,

danke für den Hinweis! Mittlerweile bin ich auf den Seiten der FIDE fündig geworden. Es ist genauso wie Du sagst. Hier der Direktlink zum FIDE-Handbuch der Turnierregeln:

http://www.fide.com/fide/handbook.html? ... w=category

Ich nehme an, dass Du mit "Markus" Markus Keller meinst. Der hat den MF-Lehrgang nicht gehalten. Er ist ins deutsche Schach-Mekka umgezogen.

Den MF-Lehrgang hat unser Bezirksleiter abgehalten. Nach dem, was ich über den Lehrgang erfahren habe (konnte leider nicht selbst teilnehmen) hat er verneint, dass es eine Empfehlung des MF geben dürfe.
Doch da natürlich auch in Baden bis in die untersten Klassen die FIDE-Bestimmungen nicht nur für die Spielregeln gelten (ich gehe jetzt einfach mal davon aus, dass das so ist), mache ich mir jetzt darüber keinen Kopf. Falls es wider Erwarten doch zu einem Protestfall kommt, weiß ich ja jetzt, wo ich die entscheidenden Argumente finde.

Gruß
Chlodwig :D
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Georg Heinze
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Re: Mannschaftsführerempfehlung erlaubt?

Beitrag von Georg Heinze » 10.10.2010, 10:22

In der sächsischen Turnierordnung (WTO) steht hierzu:
Ein Mannschaftsleiter hat das Recht, seinen Spielern zur Abgabe oder Annahme
eines Remisangebotes zu raten, ohne dass damit eine Bewertung der betreffenden
Partie verbunden sein darf.
Ich nehme an, so oder ähnlich wird es auch in anderen Turnierordnungen stehen.
Der Mannschaftsführer (oder -leiter) hat also durchaus diesbezügliche Rechte.
Das Problem liegt mehr darin, welche Wortwahl gebraucht wird.
Beurteilungen wie "du stehst doch klar besser, also weiterspielen" oder "nimm das Angebot an, du verlierst doch eine Figur" verbieten sich von selbst.
Schwieriger wird es bei Aussagen wie "spiele erst mal weiter. Wenn X gewinnt, dann kannst du remis machen" oder "spiele weiter, aber nicht überziehen" und Ähnliches.
Natürlich kann sich der Mannschaftsleiter die Stellung ansehen, ohne sie zu bewerten.
Wenn er dem betreffenden Spieler zur Annahme eines Remisangebotes rät, dann kann das taktische Gründe haben (Mannschaftsergebnis!) oder eben auch den Grund, dass er die Stellung bestenfalls remis einschätzt.

Werner
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Re: Mannschaftsführerempfehlung erlaubt?

Beitrag von Werner » 10.10.2010, 21:26

Georg Heinze hat geschrieben:In der sächsischen Turnierordnung (WTO) steht hierzu:
Ein Mannschaftsleiter hat das Recht, seinen Spielern zur Abgabe oder Annahme
eines Remisangebotes zu raten, ohne dass damit eine Bewertung der betreffenden
Partie verbunden sein darf.
Bedeutet das, dass er zur Ablehnung eines Remisangebotes nicht raten darf?
Georg Heinze hat geschrieben:Natürlich kann sich der Mannschaftsleiter die Stellung ansehen, ohne sie zu bewerten.
Wenn er dem betreffenden Spieler zur Annahme eines Remisangebotes rät, dann kann das taktische Gründe haben (Mannschaftsergebnis!) oder eben auch den Grund, dass er die Stellung bestenfalls remis einschätzt.
Der aktuelle Stand des Mannschaftskampfes sollte doch wohl allen Anwesenden bekannt sein.
Wenn der Mannschaftsführer sich die Stellung ansieht und erst danach zur Annahme des Remisangebotes rät, gibt er sehr wohl zu erkennen, dass er keine Gewinnchancen sieht. Ich halte dieses Vorgehen für eine "Bewertung" der Stellung im Sinne der genannten Vorschrift.

Georg Heinze
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Re: Mannschaftsführerempfehlung erlaubt?

Beitrag von Georg Heinze » 10.10.2010, 22:23

Da ist die WTO wohl doch nicht eindeutig genug.
Allerdings impliziere ich, dass, wenn der ML zur Annahme eines Remisangebotes raten kann, er auch davon abraten kann.
So wird es jedenfalls praktiziert.

Wie schon dfuchs äußerte, steht weder im FIDE-Handbuch noch in der WTO etwas darüber, dass sich der ML NICHT die Stellung ansehen darf. Das ist ja zunächst unabhängig davon, ob ein Remisangebot vorliegt oder nicht. Da geht es darum, dass sich der ML ein Bild über die Erfolgsaussichten des Wettkampfes macht. Es wäre doch sehr praxisfern, wenn er, ohne sich die Stellung anzusehen, zur Annahme des Remisangebotes rät, sich danach die Stellung ansieht und feststellt: die Stellung ist gewinnbar und traut auch seinem Mitspieler zu, diesen Gewinnweg zu finden.
Wie gesagt, Wortwahl und u.U. auch die Gestik dürfen keine Stellungsbeurteilung darstellen.
Da könnte das Problem liegen.

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Re: Mannschaftsführerempfehlung erlaubt?

Beitrag von hoppepit » 10.10.2010, 22:32

Werner hat geschrieben:Wenn der Mannschaftsführer sich die Stellung ansieht und erst danach zur Annahme des Remisangebotes rät, gibt er sehr wohl zu erkennen, dass er keine Gewinnchancen sieht. Ich halte dieses Vorgehen für eine "Bewertung" der Stellung im Sinne der genannten Vorschrift.
Würde ich auch so sehen!

In einigen TO's meines Spielbereiches steht folgender Passus:
TO Rheinland-Pfalz:
2) Wahrnehmung des Rechts, seine Spieler zur Partieaufgabe, Fortsetzung des Kampfes oder
Annahme eines Remisvorschlages zu ermahnen und zur Abgabe eines Remisangebotes raten
zu dürfen.
Da steht nix von "Bewertung" der Stellung und es ist gang und gäbe, daß der MF sich alle Stellungen des Mannschaftskampfes anschaut bevor er seinen Ratschlag abgibt.
Gruß, Peter
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Re: Mannschaftsführerempfehlung erlaubt?

Beitrag von guhl » 11.10.2010, 16:14

Hallo,

dieses Thema hatten wir bei unseren Mannschaftskämpfen schon öfters und wir sind zur der Übereinkunft gekommen, dass der Mannschaftsführer nur den Spielstand durchgeben darf.
Was ich an der Diskussion ehrlich gesagt nicht ganz verstehe, ist, dass der Art. 1.1 der Fide-Regeln außer acht gelassen wird. Da heißt es, dass das Spiel zwischen zwei Gegnern gespielt wird.
Für mich ist dies also eine unererlaubte Hilfestellung.
Es sollte auch immer derjenige Mannschaftsführer sein, der sich mit den Regeln auskennt und auch die organisatorischen Dinge im Griff hat und nicht der spielstärkste der Mannschaft.
Klar, wenn es nicht anders in den Regeln steht, werde ich es in Zukunft hinnehmen, dass diese "Hilfestellung" erlaubt ist. Immerhin dürfte der Mannschaftsführer einen Tipp geben, ob man Remis annehmen sollte oder nicht und bewertet damit nicht nur den Punktestand, sondern auch die Stellung.
Oder sehe ich das vollkommen falsch?
Für einen kurzen Kommentar wäre ich dankbar.

Gruß

Markus

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Re: Mannschaftsführerempfehlung erlaubt?

Beitrag von hoppepit » 11.10.2010, 17:29

guhl hat geschrieben:Oder sehe ich das vollkommen falsch?
Für einen kurzen Kommentar wäre ich dankbar.
Artikel 1.1 der FIDE-Regeln bezieht sich auf das Spiel/Partie ansich und nicht auf einen Mannschaftskampf.

Hier ein Auszug aus den FIDE-Turnierregeln zur Tätigkeit des MF's, die weiter oben schon verlinkt wurden:
(b) A captain is entitled to advise the players of his team to make or accept an offer of a draw or to resign a game, unless the regulations of the event stipulate otherwise. He must confine himself to give only brief information, based solely on the circumstances pertaining to the match. He may say to a player, “offer a draw, “accept the draw, or “resign the game. For example, if asked by a player whether he should accept an offer of a draw, the captain should answer “yes, “no, or delegate the decision to the player himself.
Dort wird auch erwähnt, daß der MF seinem Spieler sogar raten darf, eine Partie aufzugeben.
Und das wird er wohl kaum tun, ohne die Stellung bzw. den Punktestand des Kampfes zu berücksichtigen!!
Gruß, Peter
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Re: Mannschaftsführerempfehlung erlaubt?

Beitrag von Georg Heinze » 11.10.2010, 18:01

Das eben unterscheidet auch einen Einzel-Wettkampf von einem Mannschaftskampf.
Da wir in Deutschland in 1.Wertung nach Mannschaftspunkten spielen, ist es besonders wichtig, den Punktestand insgesamt und die noch offenen Möglichkeiten im Auge zu haben.
Bei einem Punktestand von 4 : 3 wird der Mannschaftsführer / -leiter der führenden Mannschaft in aller Regel dem noch spielenden Spieler raten, ein remis anzunehmen bzw. anzubieten, damit der Wettkampf gewonnen wird. Manchmal passt das dem Spieler allerdings nicht, wenn er eine bessere oder sogar klar bessere Stellung hat. Aber es ist eben Mannschaftskampf ...

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Re: Mannschaftsführerempfehlung erlaubt?

Beitrag von guhl » 25.12.2011, 16:43

Irgendwie bin ich damit immer noch ganz zufrieden.

1.1 Das Schachspiel wird zwischen zwei Gegnern gespielt

Irgendwie nimmt dann doch der Mannschaftsführer Einfluss auf die Partie.
Dann hat unser Verein im Laufe der Jahre nicht im Sinne der Mannschaft den Mannschaftsführer gewählt. Dann sollte doch wohl immer der beste Spieler im Verein der Mannschaftsführer sein, damit sich jederzeit jeder erkundigen kann, ob ich ein Remisangebot annehmen soll oder ob ich ein Remis anbieten soll und man weiß dann daher, ob die Stellung schlechter oder besser ist, und dies mit einer hohen Zuverlässigkeit.
Ich denke, dass dies ein wichtiger Punkt ist, der auch schon sehr oft in den unteren Klassen für Gesprächsstoff und Unmut sorgte.

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Re: Mannschaftsführerempfehlung erlaubt?

Beitrag von Georg Heinze » 25.12.2011, 18:36

Irgendwie bin ich damit immer noch ganz zufrieden.
Oder nicht?
1.1 Das Schachspiel wird zwischen zwei Gegnern gespielt
Und ein Mannschaftskampf zwischen 2 Mannschaften!
Dann sollte doch wohl immer der beste Spieler im Verein der Mannschaftsführer sein
Ein Mannschaftsführer hat ja noch mehr Aufgaben, als nur zu einem Remisangebot zu raten oder dessen Ablehnung zu empfehlen.
Der beste Spieler wird zunächst nachdem entscheiden, was die Stellung s.M. nach hergibt. Ob das auch im Interesse der Mannschaft ist bzw. ob der betreffende Spieler das auch so sieht, ist eine ganz andere Frage.

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Re: Mannschaftsführerempfehlung erlaubt?

Beitrag von thomas.soergel » 26.12.2011, 20:39

Wir haben im Bezirk Oberbayern entsprechende Regelungen in die TO aufgenommen, die sich aus denen des FIDE-Handbuches ableiten.
Demnach darf der Mannschaftsführer einem Spieler die Frage, ob er Remis annehmen soll, mit "Ja", "Nein" oder "Entscheide selber" beantworten. Ebenso darf er seinen Spieler auffordern, eine Remisangebot abzugeben.
Kritisch diskutiert wurde auch das von Werner aufgeworfene Problem hinsichtlich einer Stellungsbeurteilung zur Partie des betroffenen Spielers. Wir kamen überein, dass ein kurzer Blick auch auf dieses Brett erlaubt sein muss, keinesfalls aber mehr. Ein längeres Versinken in die Partie mit der Aufforderung "Spiel weiter" ist in der Tat eine Hilfestellung nach dem Motto "Du hast eine Gewinnstellung, überlege lieber noch etwas."
Dagegen sollte ein kurzer Blick erlaubt sein, insbesondere dann, wenn der MF selber permanent am eigenen Brett beschäftigt war.
Über die Aufforderung an den eigenen Spieler zur Aufgabe dürfte es sicher noch keinen Protest gegeben haben.
1. Spielleiter
Bayerische Schachjugend

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