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Anheben der Uhr

Verfasst: 14.06.2011, 23:18
von Eckart
Die Situation kennt wohl jeder beim Spielen mit analogen Uhren:
Die Zeit wird langsam knapp, 2 Stunden für 40 Züge, absolviert sind erst 35 Züge, der Minutenzeiger nähert sich bedenklich dem Fallblättchen, hebt es langsam nach oben.
Wenn man nun schräg von oben auf die Uhr schaut, fällt manchmal die Wahrnehmung schwer, wieviel Zeit man ganz exakt noch zur Verfügung hat.
Frage:
Ist es in einer solchen Situation gestattet, die Uhr anzuheben, um einen präzisen, frontalen Blick darauf zu erheischen, wieviel Zeit man noch hat, bevor die Klappe fällt? Und wenn ja, unter welchen besonderen Voraussetzungen ist das erlaubt?

Re: Anheben der Uhr

Verfasst: 15.06.2011, 08:07
von dfuchs
Nein, Artikel 6.7 c) sagt klar aus, dass die Uhr nicht angehoben werden darf. Ich persönlich bin dabei sogar recht streng. Denn für den Gegner ist es extrem irritierend, wenn ein Spieler die Uhr plötzlich zu sich dreht. Der Gegner sieht sie nicht mehr, er kann auch nicht mehr unbedingt erkennen, ob noch die Uhr des Gegners läuft, etc.

Grüße Daniel

Re: Anheben der Uhr

Verfasst: 15.06.2011, 09:43
von Georg Heinze
Ja, das Problem kennt man.
Wie bereits dfuchs schreibt, geht das Anheben der Uhr nicht. Ich beuge mich dann etwas vor, um von vorn einen exakteren Blick auf die Restzeit zu haben. Allerdings kann man auch da nicht die Sekunden erkennen und es macht schon einen Unterschied, ob es noch 120 oder nur noch 100 sec sind.

Re: Anheben der Uhr

Verfasst: 15.06.2011, 12:32
von hoppepit
Wie die anderen schon schrieben: Anheben geht gar nicht!!
Ich kenne auch Spieler, die sich mit dem Kopf übers Brett beugen, um möglichst gerade auf die Uhr zu schauen.

Re: Anheben der Uhr

Verfasst: 15.06.2011, 21:08
von Eckart
So trivial die Fragestellung auch sein mag, so einheitlich die Antworten hier - es gibt mindestens einen Internationalen Schiedsrichter, der anderer Auffassung ist.

"Das sei erlaubt, wenn der die Uhr kontrollierende Spieler am Zug ist."

Nachzulesen in diesem Beitrag des von uns allen geschätzten Schachfreundes Frank Hoppe:

http://www.svberolinamitte.de/bmm/2009-10/m1-4.htm

Re: Anheben der Uhr

Verfasst: 15.06.2011, 22:06
von Georg Heinze
6.7. c) galt auch schon 2005, allerdings war es da 6.8. c).
Im hier geschilderten Fall war der Kontrollierer außerdem nicht mal am Zuge!
Interessant, dass der im anderen Thread angesprochene Martin am Spitzenbrett von Berolina spielte.

Re: Anheben der Uhr

Verfasst: 16.06.2011, 09:33
von Daniel Hendrich
Eckart hat geschrieben:So trivial die Fragestellung auch sein mag, so einheitlich die Antworten hier - es gibt mindestens einen Internationalen Schiedsrichter, der anderer Auffassung ist.

"Das sei erlaubt, wenn der die Uhr kontrollierende Spieler am Zug ist."

Nachzulesen in diesem Beitrag des von uns allen geschätzten Schachfreundes Frank Hoppe:

http://www.svberolinamitte.de/bmm/2009-10/m1-4.htm
Naja nur weil ein ISR das sagt, muss es ja nicht zwangsläufig stimmen :wink:
Die Aussage ist natürlich falsch, die einschlägige Zeile aus den FIDE-Regeln wurde ja bereits zitiert.
Da lobe ich mir als Schiedsrichter die digitalen Uhren, die zum Glück langsam aber sicher die Oberhand gewinnen!

Re: Anheben der Uhr

Verfasst: 16.06.2011, 10:07
von Georg Heinze
Naja, auch die Digitaluhren haben ihre Macken. Das haben wir nicht nur hier im SRK-Forum schon diskutiert.
Hier mal noch ein Beispiel:
Bei der SEM Blitz in Großröhrsdorf passierte mit einer Schachuhr vom Typ "Schach Timer Silver" folgendes:
Schachfreundin Franziska Gasch bemerkte den Ablauf der Bedenkzeit ihres Gegners und betätigte bei einer eigenen Restbedenkzeit von 2 ... 3 Sekunden die Stopp-Taste, aber ihre Uhr lief noch kurz weiter und stand dann ebenfalls bei 0:00.

Beim danach von mir durchgeführten Test fand ich die Verzögerung des Stoppens bestätigt.
Andere Uhren (Z. B. habe ich das bei "Silver" festgestellt.) bleiben beim Betätigen der Stopp-Taste sofort stehen, was ja regelkonform ist.
Wenn der SR nicht selbst das Geschehen verfolgt, kann er sich nur auf die Anzeige stützen: beide Uhren sind abgelaufen.

Re: Anheben der Uhr

Verfasst: 17.06.2011, 01:06
von Chlodwig
Daniel Hendrich hat geschrieben:...nur weil ein ISR das sagt, muss es ja nicht zwangsläufig stimmen.
So ist es, wobei es völlig unerheblich ist, was für ein Rang ein Schiedsrichter hat. SR und falsche Ansichten bzw. Fehlurteile, die daraus resultieren - das ist ein weites Feld und wollen wir hier lieber nicht beschreiten. Allerdings scheint die SR-Gläubigkeit hierzulande ziemlich hoch zu sein - selbst unter SR!

Interessant ist allerdings der Hinweis von Georg Heinze zu den Silver-Schachuhren. Die Beobachtung, dass bei diesen Uhren (das konkrete Modell spielt dabei eine untergeordnete Rolle) die Zeit von mindestens 2-3 Sekunden vergeht, bevor sie zum Stoppen gebracht wird, habe ich selbst auch schon gemacht.

Bei einem lokalen Blitzturnier wird diese Uhr verwendet. Da ich dort eher selten zu Gast bin und die Uhren nur bedingt kenne, habe ich vor Beginn des Turniers, weil noch Zeit war, mich mit der Einstellung und Bedienung vertraut gemacht. Dabei habe ich gemerkt, dass die mittlere Taste nur die STOP-Taste, aber keine START-Taste ist. Dann habe ich die STOP-Taste ausprobiert und war einigermaßen überrascht, dass die Uhr erst nach vollen zwei abgelaufenen Sekunden zum Stoppen kam. Dabei muss man diese STOP-Taste so lange gedrückt halten, bis die Uhr auf beiden Seiten wirklich anhält. Das dauerte bei dem dort verwendeten Modell wie gesagt volle zwei Sekunden.

Danach habe ich ausprobiert, was passiert, wenn die STOP-Taste nur kurz gedrückt wird, so wie das bei den Modellen DGT 2000, DGT 2010, DGT XL u.a. der Normalfall ist. Ergebnis: Es passiert nichts oder genauer gesagt, die Uhr läuft einfach weiter. Zum Blitzen (aber wohl nicht nur dafür) ist diese Uhr denkbar ungeeignet, zumal sie ebenfalls wie die XL-Uhren die Macke hat, bei hitzigen Gefechten einfach ganz auszufallen (sie WM-Kandidatenturnier Radjabov - Kramnik). Dazu gibt es noch mehr Nachteile. Ich kann jedem Verein von der Anschaffung der Silver-Uhren daher nur abraten!

Re: Anheben der Uhr

Verfasst: 17.06.2011, 07:23
von dfuchs
Die neuen Modelle der Silver haben diese Verzögerung nicht mehr und bei den älteren war diese Verzögerung Absicht, stand im Handbuch und auch auf der Rückseite der Uhr in der Kurzanleitung. Damit wollten die Uhrbauer verhindern, dass die Uhr anhält, wenn jemand aus Versehen den Knopf in der Mitte drückt. Da die Silver die einzige Uhr ist (ok, die Garde), bei der der Stopp Knopf oben drauf ist, sahen wohl die Uhrbauer hier ein Gefahrenpotential.

Grüße Daniel

P.S: Diese und weitere Besonderheiten von digitalen Schachuhren finden wir auf der Homepage von hoppepit: www.schachschiri.de

Re: Anheben der Uhr

Verfasst: 17.06.2011, 11:02
von Chlodwig
Wenn ich mal wieder in den eher spärlich beleuchteten Turniersaal des betreffenden Klubs komme, schau ich mir mal die Rückseite der Silver an. Was die Uhrbauer angeht: Sie waren mit Sicherheit keine Schachspieler.

Re: Anheben der Uhr

Verfasst: 18.06.2011, 13:38
von Stingray
Die Wahrheit ist ja noch komplizierter: Von dieser ganz langen Verzögerung höre ich gerade tatsächlich zum ersten Mal. Was ich aber weiß, ist, dass inzwischen wieder bewusst eine "Minimalverzögerung" (etwa eine halbe Sekunde) eingebaut wurde, weil dieses Problem tatsächlich bestand. Der Landesturnierleiter meines ehemaligen Verbands hat mir von genau diesem Phänomen bei einem von ihm betreuten Seniorenturnier berichtet - anscheinend hatten die Spieler dort reihenweis aus Versehen den Mittelknopf mitgedrückt.

Also Vorsicht mit derartigen Aussagen; diese Bedenken sind nicht völlig aus der Luft gegriffen. Ich bin zwar auch wahrlich kein Fan der Silver, aber aus anderen Gründen. Dass die Dinger wirklich häufig ausfallen, kann ich aus meiner Praxis übrigens nicht bestätigen (allerdings auch nicht widerlegen, die Stabilität scheint mir aber heute bei allen Modellen deutlich höher als noch vor 10, 15 Jahren).

Nebenbei bemerkt haben wir uns von der ursprünglichen Frage mal wieder Lichtjahre entfernt. Die Regel ist da absolut eindeutig: Wenn man die Uhr nicht vernünftig einsehen kann, hat man sich eben beim Schiedsrichter zu beschweren; der ist für das Setup verantwortlich.

Re: Anheben der Uhr

Verfasst: 18.06.2011, 17:33
von Georg Heinze
Nebenbei bemerkt haben wir uns von der ursprünglichen Frage mal wieder Lichtjahre entfernt.
Naja, in dem von mir geschilderten Fall hätte auch das Hochheben der Silver keine andere Aussage gebracht ...

Re: Anheben der Uhr

Verfasst: 19.06.2011, 22:30
von uwebade
Eckart hat geschrieben:So trivial die Fragestellung auch sein mag, so einheitlich die Antworten hier - es gibt mindestens einen Internationalen Schiedsrichter, der anderer Auffassung ist.

"Das sei erlaubt, wenn der die Uhr kontrollierende Spieler am Zug ist."

Nachzulesen in diesem Beitrag des von uns allen geschätzten Schachfreundes Frank Hoppe:

http://www.svberolinamitte.de/bmm/2009-10/m1-4.htm
... aber, aber, meine Herren ...
Bitte halten Sie einen Internationalen Schiedsrichter doch nicht für dümmer, als er ist!

Ich erinnere mich, am Rande eines Mannschaftskampfes von einem Vereinsmitglied befragt worden zu sein, wie ich entscheiden würde, wenn ein Spieler zum besseren Feststellen der verbrauchten Zeit die Uhr in die Hand nehmen würde. Ich erwiderte ihm, dass dies wegen der damit verbundenen Störung und der Möglichkeit einer Uhrenmanipulation verboten sei. Mein weiteres Verhalten würde ich von der konkreten Situation abhängig machen. So würde ich bei einem am Zuge befindlichen sehschwachen Spieler nicht eingreifen. Auch wenn der am Zuge befindliche Spieler die Uhr leicht dreht oder geringfügig anhebt, würde ich nicht in die Partie eingreifen. Wenn der Spieler aber nicht am Zuge ist, würde ich den Regelverstoß als eine Störung betrachten und ggf. eine Zeitgutschrift für den Gegner erwägen.

Diese unverbindliche Auskunft ist wohl von meinem Vereinsmitglied direkt oder über einige weitere Stationen zu Frank Hoppe gelangt, der dann in seinem gewohnt launigen Artikel aus dieser Information eine wenig glückliche Kurzfassung machte.

Das Anheben der Uhr ist ein Regelverstoß. Ich erwarte von keinem meiner Schiedsrichterkollegen eine andere Aussage. Aber sicher differieren die Meinungen, wie ein Schiedsrichter sich verhalten sollte, wenn ein solcher Fall eintritt. Er muß nämlich abwägen, ob er diesen Verstoß ahndet und sein Eingreifen in die laufende Partie eine noch größere Störung verursacht, oder ob er die Partie weiterlaufen lässt. Nach überstandener Zeitnotphase könnte er den Spieler immer noch auf sein Fehlverhalten aufmerksam machen und belehren.

Ich glaube, dass meine Auffassung allgemein geteilt wird. Neben dem Anheben ist auch das Schlagen auf die Uhr und das Umkippen im Artikel 6.7c verboten. Der als überaus prinzipientreu und der wörtlichen Regelauslegung verbundene Internationale A-Schiedsrichter Ignatius Leong hat bei der Partie Kramnik – Radjabow in Kasan 2011 auch nicht eingegriffen, als diese ihre Uhr so unangemessen behandelten, dass sie die Funktionsfähigkeit einstellte.

In einem Wettkampf der 2. Bundesliga geriet Weiß in starke Zeitnot und schlug bei Ausführung seiner Züge mit der flachen Hand laut schallend auf eine Garde-Uhr mit elektronischer Feinanzeige für die letzten fünf Minuten. Ich bat ihn um angemessene Behandlung der Uhr. Als er seine Art der Uhrenbedienung nicht änderte, gab ich ihm eine Verwarnung. Wenig später hatte er den Überblick über die Zügezahl verloren und monierte, dass sein Gegner nicht mitschreiben würde. Da sein Protest bei laufender Uhr des Gegners erfolgte und außerdem unberechtigt war, da Schwarz inzwischen weniger als 5 Minuten verblieben und er somit von der Schreibpflicht entbunden war, hielt ich die Uhr an und gab Schwarz Zusatzbedenkzeit. Noch vor der Zeitkontrolle stellte Schwarz die Qualität ein. Er beschwerte sich bei mir, dass mein Eingreifen in die Partie ihn stark irretiert hätte. Diese Auffassung wurde von fast allen Spielern beider Mannschaften geteilt: Ich hätte (um einen Jargon vom Fußball zu gebrauchen) das Spiel „verpfiffen“.

Re: Anheben der Uhr

Verfasst: 19.06.2011, 22:36
von uwebade
Georg Heinze hat geschrieben: Interessant, dass der im anderen Thread angesprochene Martin am Spitzenbrett von Berolina spielte.
Ein Schelm, wer Arges dabei denkt!
Ich glaube nicht, dass ein Zusammenhang zwischen dieser von Eckart initiierten Diskussion und einem kürzlich von mir veröffentlichten Beitrag besteht. Darin hatte ich auf die von Martin gegen mich erhobenen und von Eckart unterstützten Vorwürfe geantwortet. Auch dass Eckart einen Link zum Verein von Martin nachschiebt, in dem ich mit einer wenig fachlich kompetenten Aussage zitiert werde, ist sicher reiner Zufall.