Verspätung und Nichtantritt
Verfasst: 14.05.2012, 12:12
Unter Downloads ist eine Protestentscheidung des Bundesturnierdirektors veröffentlicht, die in einer Berufungsverhandlung vom Bundesturniergerichts verworfen wurde. Siehe auch Berliner Schachverband: http://www.berlinerschachverband.de/entry/489
Es ist weder meine Absicht diese Entscheidungen, noch die zu diesem Vorfall eingegangenen Meinungsäußerungen zu kommentieren . Aber ich möchte eine Diskussion im Kollegenkreise anzuregen, deren Aussagen ggf. bei einer Überarbeitung der Turnierordnung (TO) des DSB berücksichtigt werden könnten.
Die in den FIDE-Schachregeln Artikel 6.6a festgelegte Wartezeit von 0 Minuten ist für professionell ausgerichtete Veranstaltungen mit einem öffentlichen Interesse sinnvoll und gerechtfertigt. Hierbei sind die Teilnehmer i.a. zentral untergebracht und haben eine vergleichbare Anfahrt zum Spiellokal. Diese idealen Bedingungen sind bei Veranstaltungen, zu denen die Teilnehmer privat oder unter Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel anreisen, nicht gegeben. Deshalb hat die FIDE ergänzend auch eine abweichende Wartezeit zugelassen.
Mit der Angabe einer Wartezeit beugt die TO den Fällen einer geringfügigen Verspätung vor, unabhängig davon, ob diese Verspätung von der anreisenden Mannschaft verschuldet wurde oder nicht. Sie hat die Verspätung zu Lasten ihrer Bedenkzeit zu tragen.
In den weitaus überwiegenden Fällen ist diese Verfahrensweise praktikabel. Bei der Reiseplanung wird also die Gastmannschaft ihre Anreise an den Fahrplänen der öffentlichen Verkehrsmittel bzw. bei Verwendung privater PKW an den Routenplanern so ausrichten, dass sie ca. 30 Minuten vor Spielbeginn anwesend ist und somit ihrer Sorgfaltspflicht genügt.
Natürlich ist es nicht auszuschließen, dass durch äußere, von der reisenden Mannschaft nicht zu beeinflussende Ereignisse, ihre auf eine Sicherheit von ca. 60 Minuten ausgerichtete Planung hinfällig wird und eine Verspätung eintritt, die die in der TO genannte Wartezeit überschreitet.
Zeit ist ein hohes gesellschaftliches Gut. Für die TO sollten ähnliche Überlegungen gelten, wie sie für die Terminplanung anderer Ereignisse angestellt werden, die der Austragung eines Schachwettkampfes gleichrangig sind. Die generelle Forderung, am Vortage anzureisen bzw. einen früheren Zug zu nutzen halte ich deshalb für überzogen.
In dem gleichen Maße, wie die reisende Mannschaft klaglos eine geringfügige Verspätung innerhalb der Wartezeit zu Lasten der Bedenkzeit tragen muss, sollte auch dem Gastgeber in den ganz erheblich geringeren Fällen des Überschreitens der Wartezeit bei unverschuldeter Verspätung ein weiteres Abwarten zugemutet werden.
Die Entscheidung, ob unverschuldete Gründe für die Verspätung vorliegen, ob eine das ursprüngliche Zeitlimit der Veranstaltung überschreitende Verlängerung am Spielort möglich und der zusätzliche Zeitbedarf zumutbar ist, sollte eine nicht anfechtbare Tatsachenentscheidung des Schiedsrichters sein.
Der Schiedsrichter sollte berechtigt sein, in solchen Ausnahmefällen nach Ablauf der Wartezeit die Uhren der abwesenden Gastmannschaft bis zu deren Eintreffen anzuhalten.
Eine Auslegung im Sinne der vorstehenden Überlegungen wäre m.E. eine sinnvolle Verbindung des auf den allgemeinen Fall beschränkten Wortlautes der TO und des Wortlautes der Präambel der FIDE-Schachregeln, welche die Verfahrensweise bei Ausnahmesituationen bestimmt.
Die alternative Verfahrensweise ist eine Verlusterklärung des Mannschaftskampfes mit dem höchstmöglichen Ergebnis ohne Wertung von Verspätungsgründen bei Überschreiten der Wartezeit. Sie ist einfach, praktikabel und erspart jegliche Diskussionen. Sie folgt dem allgemeinen Trend zum Formalisieren von Entscheidungsvorgängen. Aber sie schafft auch den Raum für nicht nachvollziehbare Ergebnisse, die sich der Betrachtungsweise eines sportlichen Wettkampfes entziehen.
Der vorliegende Protestfall hat neben der überragenden Bedeutung für die Beurteilung von unverschuldeten Verspätungen einen weiteren die TO berührenden Aspekt. Ich meine die Behandlung von kampflos zustande gekommenen bzw. am „Grünen Tisch“ entschiedenen Ergebnissen für Entscheidungen bei Punktgleichheit (TO, H-2.6 letzter Absatz). Hier wird der 8:0-Gewinn berücksichtigt, nicht aber der 0:8-Verlust. Die Gastmannschaft hatte den o.g. Wettkampf am Brett klar gewonnen. Ich würde es für gerechtfertigt halten, wenn analog zum 8:0-Gewinn bei einem 0:8-Verlust die erzielten (aber höchstens 3,5) Brettpunkte eingesetzt werden.
Uwe Bade
Es ist weder meine Absicht diese Entscheidungen, noch die zu diesem Vorfall eingegangenen Meinungsäußerungen zu kommentieren . Aber ich möchte eine Diskussion im Kollegenkreise anzuregen, deren Aussagen ggf. bei einer Überarbeitung der Turnierordnung (TO) des DSB berücksichtigt werden könnten.
Die in den FIDE-Schachregeln Artikel 6.6a festgelegte Wartezeit von 0 Minuten ist für professionell ausgerichtete Veranstaltungen mit einem öffentlichen Interesse sinnvoll und gerechtfertigt. Hierbei sind die Teilnehmer i.a. zentral untergebracht und haben eine vergleichbare Anfahrt zum Spiellokal. Diese idealen Bedingungen sind bei Veranstaltungen, zu denen die Teilnehmer privat oder unter Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel anreisen, nicht gegeben. Deshalb hat die FIDE ergänzend auch eine abweichende Wartezeit zugelassen.
Mit der Angabe einer Wartezeit beugt die TO den Fällen einer geringfügigen Verspätung vor, unabhängig davon, ob diese Verspätung von der anreisenden Mannschaft verschuldet wurde oder nicht. Sie hat die Verspätung zu Lasten ihrer Bedenkzeit zu tragen.
In den weitaus überwiegenden Fällen ist diese Verfahrensweise praktikabel. Bei der Reiseplanung wird also die Gastmannschaft ihre Anreise an den Fahrplänen der öffentlichen Verkehrsmittel bzw. bei Verwendung privater PKW an den Routenplanern so ausrichten, dass sie ca. 30 Minuten vor Spielbeginn anwesend ist und somit ihrer Sorgfaltspflicht genügt.
Natürlich ist es nicht auszuschließen, dass durch äußere, von der reisenden Mannschaft nicht zu beeinflussende Ereignisse, ihre auf eine Sicherheit von ca. 60 Minuten ausgerichtete Planung hinfällig wird und eine Verspätung eintritt, die die in der TO genannte Wartezeit überschreitet.
Zeit ist ein hohes gesellschaftliches Gut. Für die TO sollten ähnliche Überlegungen gelten, wie sie für die Terminplanung anderer Ereignisse angestellt werden, die der Austragung eines Schachwettkampfes gleichrangig sind. Die generelle Forderung, am Vortage anzureisen bzw. einen früheren Zug zu nutzen halte ich deshalb für überzogen.
In dem gleichen Maße, wie die reisende Mannschaft klaglos eine geringfügige Verspätung innerhalb der Wartezeit zu Lasten der Bedenkzeit tragen muss, sollte auch dem Gastgeber in den ganz erheblich geringeren Fällen des Überschreitens der Wartezeit bei unverschuldeter Verspätung ein weiteres Abwarten zugemutet werden.
Die Entscheidung, ob unverschuldete Gründe für die Verspätung vorliegen, ob eine das ursprüngliche Zeitlimit der Veranstaltung überschreitende Verlängerung am Spielort möglich und der zusätzliche Zeitbedarf zumutbar ist, sollte eine nicht anfechtbare Tatsachenentscheidung des Schiedsrichters sein.
Der Schiedsrichter sollte berechtigt sein, in solchen Ausnahmefällen nach Ablauf der Wartezeit die Uhren der abwesenden Gastmannschaft bis zu deren Eintreffen anzuhalten.
Eine Auslegung im Sinne der vorstehenden Überlegungen wäre m.E. eine sinnvolle Verbindung des auf den allgemeinen Fall beschränkten Wortlautes der TO und des Wortlautes der Präambel der FIDE-Schachregeln, welche die Verfahrensweise bei Ausnahmesituationen bestimmt.
Die alternative Verfahrensweise ist eine Verlusterklärung des Mannschaftskampfes mit dem höchstmöglichen Ergebnis ohne Wertung von Verspätungsgründen bei Überschreiten der Wartezeit. Sie ist einfach, praktikabel und erspart jegliche Diskussionen. Sie folgt dem allgemeinen Trend zum Formalisieren von Entscheidungsvorgängen. Aber sie schafft auch den Raum für nicht nachvollziehbare Ergebnisse, die sich der Betrachtungsweise eines sportlichen Wettkampfes entziehen.
Der vorliegende Protestfall hat neben der überragenden Bedeutung für die Beurteilung von unverschuldeten Verspätungen einen weiteren die TO berührenden Aspekt. Ich meine die Behandlung von kampflos zustande gekommenen bzw. am „Grünen Tisch“ entschiedenen Ergebnissen für Entscheidungen bei Punktgleichheit (TO, H-2.6 letzter Absatz). Hier wird der 8:0-Gewinn berücksichtigt, nicht aber der 0:8-Verlust. Die Gastmannschaft hatte den o.g. Wettkampf am Brett klar gewonnen. Ich würde es für gerechtfertigt halten, wenn analog zum 8:0-Gewinn bei einem 0:8-Verlust die erzielten (aber höchstens 3,5) Brettpunkte eingesetzt werden.
Uwe Bade