Grenzfälle der Ergebnisfindung

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Steffan Uhlenbrock
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Grenzfälle der Ergebnisfindung

Beitrag von Steffan Uhlenbrock » 17.07.2012, 22:24

Liebe Schachfreunde,

gegeben sei nachfolgende Stellung einer normalen Wertungspartie, in welcher sich beide Spieler in den letzten Sekunden der Gesamtspielzeit befinden:
Stellung1.jpg
Stellung 1
Stellung1.jpg (10.11 KiB) 9653 mal betrachtet

Wie geht die Partie aus wenn :

a.) Schwarz auf Zeit reklamiert (bei gefallener Platte von Weiß)
b.) Weiß seine Dame berührt und Schwarz dann auf Zeit reklamiert (bei gefallener Platte von Weiß)
c.) Weiß die schwarze Dame berührt und Schwarz dann auf Zeit reklamiert (bei gefallener Platte von Weiß)
d.) Weiß mit seiner Damen die schwarze Dame schlägt, die Figur auf dem Zielfeld platziert - jedoch nicht losläßt - und Schwarz dann auf Zeit reklamiert (bei gefallener Platte von Weiß)
e.) Weiß den Schlagfall der Dame vollständig ausführt


Um diesen Sachverhalt ad absurdum zu führen nachfolgend nunmehr diese Stellung:
Stellung2.jpg
Stellung 2
Stellung2.jpg (10.08 KiB) 9653 mal betrachtet
f.) Wie lautet das Ergebnis wenn Schwarz berechtigt auf Zeit reklamiert
g.) Wie lautet das Ergebnis wenn von Weiß das Handy schellt.


Ich freue mich auf eure gut begründeten Ausführungen zur Thematik.

Georg Heinze
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Re: Grenzfälle der Ergebnisfindung

Beitrag von Georg Heinze » 18.07.2012, 09:38

Da will ich mich mal versuchen.
Die meisten Fragen lassen sich mit der FIDE-Regel 6.2 a) beantworten, wenn es keine Ausnahme davon gibt:
6.2 a) Wenn eine Schachuhr benutzt wird, muss jeder Spieler eine Mindestzahl von Zügen oder alle Züge in einer bestimmten Zeitperiode ausführen, und / oder es darf ihm pro Zug eine zusätzliche Bedenkzeit zugeteilt werden. All dies muss im Voraus bekannt gegeben werden.
Vorausgesetzt, dass der letzte schwarze Zug regelgerecht war und Schwarz regelgerecht reklamiert hat, gewinnt er bei a), b) und c) durch ZÜ von weiß, da dueser seinen Zug weder ausgeführt, noch abgeschlossen hat.

Etwas schwieriger sieht es bei d) aus:
4.6 Wenn als regelgemäßer Zug oder Teil eines regelgemäßen Zuges eine Figur auf einem Feld
losgelassen worden ist, kann sie in diesem Zug nicht mehr auf ein anderes Feld gezogen werden. Der Zug gilt dann als ausgeführt. Der Zug wird als regelgemäß bezeichnet, sofern alle notwendigen Anforderungen von Artikel 3 erfüllt worden sind,
a) im Fall des Schlagens, sobald die geschlagene Figur vom Schachbrett entfernt wurde und der Spieler beim Setzen seiner Figur auf ihr neues Feld diese loslässt;
Da die weiße Dame nach dem Schlagen der schwarzen Dame noch nicht losgelassen wurde, gilt der Zug als nicht ausgeführt und weiß verliert durch ZÜ.

Bei e) gilt: matt ist matt nach FIDE-Regel 5.1 a)
5.1 a) Die Partie ist von dem Spieler gewonnen, der den gegnerischen König mattgesetzt hat. Damit ist die Partie sofort beendet, vorausgesetzt, dass der Zug, der die Mattstellung herbeigeführt hat, regelgemäß war
Beim zweiten Stellungsbild gilt bei f) natürlich auch das oben Genannte: weiß verliert durch ZÜ.
Bei g) würde ich nach FIDE-Regel 12.3 b) auf Verlust für weiß entscheiden.
b) Ohne Genehmigung des Schiedsrichters ist es dem Spieler untersagt, in das Turnierareal ein
Mobiltelefon oder andere elektronische Kommunikationsmittel mitzubringen, sofern diese nicht
vollkommen ausgeschaltet sind. Wenn ein derartiges Gerät ein Geräusch verursacht, Verliert der Spieler die Partie. Der Gegner gewinnt. Falls der Gegner allerdings die Partie nicht mit einer
beliebigen Folge von regelgemäßen Zügen gewinnen kann, ist sein Ergebnis remis.
Da der Gegner nicht gewinnen kann, da der einzig mögliche Zug von weiß Dxh6+ wäre, bekommt er nur ein remis. M.E. spielt es hierbei keine Rolle, dass danach schwarz selbst matt wäre.

Steffan Uhlenbrock
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Re: Grenzfälle der Ergebnisfindung

Beitrag von Steffan Uhlenbrock » 18.07.2012, 11:34

Ich möchte bei der Beurteilung nochmals auf 6.9 der FIDE-Schachregeln verweisen. Dies blieb in der ersten Ausführung etwas unerwähnt:
6.9 Außer in den Fällen, die durch die Artikel 5.1.a), 5.1.b), 5.2 a), b) oder c) erfasst werden, gilt, dass
ein Spieler seine Partie verloren hat, wenn er die vorgeschriebene Anzahl von Zügen in der zugewiesenen
Zeit nicht vollständig abgeschlossen hat. Die Partie ist jedoch remis, wenn eine Stellung
entstanden ist, aus der heraus es dem Gegner nicht möglich ist, den König des Spielers durch eine
beliebige Folge von regelgemäßen Zügen matt zu setzen.
Die sich hieraus ergebende Frage wäre ja nun, ab wann eine entsprechende "Stellung" gemäß 6.9 entsteht. Welche Zwänge ergehen aus dem Berühren von Figuren bzw. aus bestimmten Stellungsbildern und ab welchen Zeitpunkt kann dieser Zwang dazu führen, dass nicht auf den vollen Punkt entschieden werden kann?


PS.: Bitte schreibt eure ermittelten Ergebnisse in der Form "Ergebnis : Ergebnis" auf. Dies macht es einfacher eure Resultate zu extrahieren.
Zuletzt geändert von Steffan Uhlenbrock am 18.07.2012, 12:16, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Grenzfälle der Ergebnisfindung

Beitrag von gervan » 18.07.2012, 12:16

Ok ann vorweg erstmal meine Ergebnissvorschläge:

a 0 : 1
b 0 : 1
c 0 : 1
d 0 : 1
e 1 : 0
f 0,5 : 0,5
g 0 : 0,5

Begründen würde ich das folgendermaßen:

Die Fälle a bis d fasse ich zusammen mit der Begründung, dass der Mattzug noch nicht ausgeführt ist. Natürlich ist das insbesondere bei d schwer zu beweisen, aber gesetz dem Fall dies wäre eine von beiden Spielern Eingeräumte Tatsache, denke ich das die Zeitreklamation entscheidet.

bei Fall e entscheidet Matt die Partie und zwar in dem Moment, in dem der regelkonforme Mattzug ausgeführt wurde.

Bei f kann Reklamiert SChwarz zurecht. Allerdings gibt es keine mögliche Folge von Zügen mit der er gewinnen kann. Deswegen Remis

bei g Analog zu f nur das Weis infolge von Handyklingeln genullt wird.

Georg Heinze
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Re: Grenzfälle der Ergebnisfindung

Beitrag von Georg Heinze » 18.07.2012, 17:39

Bis auf f) sind gervan und ich einer Meinung.
Für die Betrachtung zu f) spielt FIDE-Art. 6.9 die entscheidende Rolle:
6.9 Außer in den Fällen, die durch die Artikel 5.1.a), 5.1.b), 5.2 a), b) oder c) erfasst werden, gilt, dass
ein Spieler seine Partie verloren hat, wenn er die vorgeschriebene Anzahl von Zügen in der zugewiesenen
Zeit nicht vollständig abgeschlossen hat. Die Partie ist jedoch remis, wenn eine Stellung
entstanden ist, aus der heraus es dem Gegner nicht möglich ist, den König des Spielers durch eine
beliebige Folge von regelgemäßen Zügen matt zu setzen.
Da kommen mir doch Zweifel. Nach Satz 1 ist es eindeutig: weiß hat nicht die vorgeschriebene Zügezahl erfüllt.
Satz 2 hatte ich immer so interpretiert, dass man selbst noch genügend Material haben muss, um matt zu setzen. König und Leichtfigur würden da nicht reichen. Hier hat schwarz aber neben dem König noch Dame und Turm. Andererseits bleibt weiß nur ein regelgerechter Zug und der würde auch noch schwarz matt setzen! "Gerecht" wäre sicher ein remis, aber darum geht es ja nicht.
Vielleicht hat da jemand eine wirklich plausible Interpretation?

dfuchs
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Re: Grenzfälle der Ergebnisfindung

Beitrag von dfuchs » 18.07.2012, 17:47

gervan hat vollkommen Recht.

Übrigens gab es die Thematik meines Wissens schon mal hier im Forum und außerdem bei unserem Kollegen Guert Gissen im Chesscafe. Wühlt euch da mal durchs Archiv.

Grüße Daniel

Steffan Uhlenbrock
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Re: Grenzfälle der Ergebnisfindung

Beitrag von Steffan Uhlenbrock » 18.07.2012, 18:29

Da ja bereits über die Vielzahl der Punkte Einigkeit herrscht, möchte ich an dieser Stelle doch nochmal etwas zur Diskussion stellen. Aber lasst mich die Punkte der Reihenfolge nach abarbeiten:

generell:

In Diagramm 1 ist schnell zu erkennen, dass dem weißen Spieler lediglich zwei Züge verbleiben (Dh3 und Dxh6++).
Diese Wahlmöglichkeit grenzt einschlägig Diagramm 1 von Diagramm 2 ab. In Diagramm 2 ist der Zug Dxh6++ für die weitere Fortführung der Partie zwingend (was damit die Partie wiederum beendet).


zu a:

Sollte in vorbeschriebener Stellung Schwarz berechtigt auf Zeit reklamieren ergibt sich hieraus gemäß
6.9 Außer in den Fällen, die durch die Artikel 5.1.a), 5.1.b), 5.2 a), b) oder c) erfasst werden, gilt, dass
ein Spieler seine Partie verloren hat, wenn er die vorgeschriebene Anzahl von Zügen in der zugewiesenen
Zeit nicht vollständig abgeschlossen hat. Die Partie ist jedoch remis, wenn eine Stellung
entstanden ist, aus der heraus es dem Gegner nicht möglich ist, den König des Spielers durch eine
beliebige Folge von regelgemäßen Zügen matt zu setzen.
dass Weiß die Zeit überschritten hat und Schwarz eine Folge von regelmäßigen Zügen zu Mattsetzen verbleibt (Fortsetzung von Weiß mit Dh3). Somit ergeht klar die Folge des Endresultats 0:1


zu b:

Falls Weiß seine Dame berührt, ergeht aus diesem Umstand das zwingend ein Damenzug auszuführen ist. Siehe hierzu
4.3 Berührt der Spieler, der am Zuge ist, den Fall von Artikel 4.2 ausgenommen, absichtlich auf dem
Schachbrett

a) eine oder mehrere eigene Figuren, muss er die zuerst berührte Figur ziehen, die gezogen werden kann, oder
b) eine oder mehrere gegnerische Figuren, muss er die zuerst berührte Figur schlagen, die geschlagen werden kann, oder
c) je eine Figur beider Farben, muss er die gegnerische Figur mit seiner Figur schlagen oder, falls dies regelwidrig ist, die erste berührte Figur, die gezogen oder geschlagen werden kann, ziehen oder schlagen. Falls nicht eindeutig feststeht, ob die eigene Figur oder die gegnerische zuerst berührt worden ist, gilt die eigene als die zuerst berührte Figur.
Dem weißen Spieler verbleibt damit immer noch die Wahlmöglichkeit zwischen Dh3 und Dxh6++. Somit ergeht nach analoger Begründung aus Fall a) das Endergebnis der Partie 0:1


zu c:

Lasse ich nochmals offen.
Was ergeht aus der Berührung und welche Folgen hat dies und warum?


zu d:

Lasse ich nochmals offen.
Was ergeht aus der Berührung beider Figuren und welche Folgen hat dies und warum?


zu e:

Schafft es Weiß tatsächlich vor Reklamation das Mattbild herzustellen und den Zug vollständig auszuführen (er braucht nicht beendet zu werden) ergibt sich gemäß
5.1 a) Die Partie ist von dem Spieler gewonnen, der den gegnerischen König mattgesetzt hat. Damit ist die Partie sofort beendet, vorausgesetzt, dass der Zug, der die Mattstellung herbeigeführt hat, regelgemäß war
das Endergebnis der Partie zu 1:0


zu f:

Sollte Schwarz berechtigt in der Stellung des 2. Diagramms auf Zeit reklamieren ergeht aus dem Umstand einer fehlenden Zugfolge zu einem möglichen Mattbild für Schwarz gemäß
6.9 Außer in den Fällen, die durch die Artikel 5.1.a), 5.1.b), 5.2 a), b) oder c) erfasst werden, gilt, dass
ein Spieler seine Partie verloren hat, wenn er die vorgeschriebene Anzahl von Zügen in der zugewiesenen
Zeit nicht vollständig abgeschlossen hat. Die Partie ist jedoch remis, wenn eine Stellung
entstanden ist, aus der heraus es dem Gegner nicht möglich ist, den König des Spielers durch eine
beliebige Folge von regelgemäßen Zügen matt zu setzen.
das Endergebnis zu 0,5:0,5


zu g:

Sollte das Handy von Weiß in der Stellung des Diagramms 2 schellen, ergeht gemäß aus
12.3b) Ohne Genehmigung des Schiedsrichters ist es dem Spieler untersagt, in das Turnierareal ein
Mobiltelefon oder andere elektronische Kommunikationsmittel mitzubringen, sofern diese nicht
vollkommen ausgeschaltet sind. Wenn ein derartiges Gerät ein Geräusch verursacht, verliert der Spieler die Partie. Der Gegner gewinnt. Falls der Gegner allerdings die Partie nicht mit einer
beliebigen Folge von regelgemäßen Zügen gewinnen kann, ist sein Ergebnis remis.
das der Weißspieler die Partie mit sofortiger Wirkung verliert. Da jedoch dem Schwarzspieler (analog zu §6.9) keine Zugfolge zum Gewinn verbleibt kann dieser lediglich mit einem Remis bedacht werden. Man beachte hierbei die Formulierung aus 12.3b das "sein Ergebnis remis" zu lauten hat. Daher klares 0:0,5



Sind c) und d) wirklich so eindeutig. Wenn ja warum, wenn nein warum nicht?

Georg Heinze
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Re: Grenzfälle der Ergebnisfindung

Beitrag von Georg Heinze » 18.07.2012, 21:41

Im Falle von c) und d) gilt:
4.6 Wenn als regelgemäßer Zug oder Teil eines regelgemäßen Zuges eine Figur auf einem Feld losgelassen worden ist, kann sie in diesem Zug nicht mehr auf ein anderes Feld gezogen werden. Der Zug gilt dann als ausgeführt. Der Zug wird als regelgemäß bezeichnet, sofern alle notwendigen Anforderungen von Artikel 3 erfüllt worden sind,
a) im Fall des Schlagens, sobald die geschlagene Figur vom Schachbrett entfernt wurde und der Spieler beim Setzen seiner Figur auf ihr neues Feld diese loslässt;
Da nach der Ausführung des Zuges die Partie mit matt enden würde, muss der Zug zwar nicht abgeschlossen werden (mit Drücken der Uhr), aber eben ausgeführt werden, so wie beschrieben und das innerhalb der vorgegebenen Zeit.
Der Sachverhalt ist hier deswegen anders als bei f), weil weiß auf das schwarze Dameschach 2 Züge (Dxh6 und Dh3) zur Verfügung hat.

Steffan Uhlenbrock
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Re: Grenzfälle der Ergebnisfindung

Beitrag von Steffan Uhlenbrock » 18.07.2012, 22:25

Ich denke die Problematik des Falles c) und d) ist noch nicht erkannt.

Wenn Weiß in besagter Stellung eine Figur berührt, führt dies zugleich zu einer Verpflichtung. (Zugzwang mit einer Figur / Schlagzwang einer Figur)

Wenn Weiß durch Berührung verpflichtet ist die Dame mit Matt zu schlagen hat Schwarz dann noch Gewinnwege oder greift dann FIDE 6.9?

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Re: Grenzfälle der Ergebnisfindung

Beitrag von dfuchs » 19.07.2012, 12:56

Bei c + d) Ist der Knackpunkt, dass in der Regel von einer Stellung die Rede ist um das Remis zu erreichen. Für die Stellung alleine sind aber berührte Figuren und sogar angehobene Figuren unerheblich. Die Zugmöglichkeiten werden also für die Prüfung des Falls eben nicht durch das Berühren der Figur eingeschränkt.

Grüße Daniel

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