Einflussnahme durch Zuschauer

ViPa
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Einflussnahme durch Zuschauer

Beitrag von ViPa » 19.03.2013, 22:19

Hallo in die Runde:
Folgendes trat in unserem letzten Mannschaftskampf (Landesklasse, ohne Schiedrichter) auf:
Der Weißspieler (Gastmannschaft) droht matt, Schwarz (Heimmannschaft) kann das Matt abwenden, wenn er den einzig möglichen Zug findet. In dem Fall steht würde Schwarz klar besser stehen und vermutlich gewinnen.
Das Brett wird dicht umdrängt von Zuschauern (Mannschaftskameraden), einer (wohl ein Mannschaftskamerad von Schwarz) sagt, deutlich von den beiden Spielern vernehmbar, "Nun ist es gewonnen, Schwarz muss nur Da8 spielen." Der Schwarzspieler hört es und sagt:"Ich könnte jetzt Da8 spielen, aber da ich den Zug nicht selber gefunden habe, sondern er vorgesagt wurde, biete ich Remis an."
Sportlich ausgesprochen fair, insbesondere vor dem Hintergrund, dass es zu dem Zeitpunkt für den Mannschaftskampf und für den Abstieg bedeutsam war. Am Ende hatte der Punkt keine Bedeutung, aber es hätte ja auch anders kommen können.
Wie hätte man entscheiden müssen, wenn Schwarz den vorgesagten Zug gemacht und den Sieg reklamiert hätte?

dfuchs
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Re: Einflussnahme durch Zuschauer

Beitrag von dfuchs » 19.03.2013, 23:03

Da man einen Spieler nicht für etwas bestrafen kann, was er nicht gemacht hat, passiert dem Spieler in dessen Partie reingeredet wurde meiner Ansicht nach nichts. Der der Reinredet fliegt raus, auch wenn er selbst noch spielt.
Je nach Turnierordnung ist es möglich bei beibehaltener Einzelwertung u.U. noch die Mannschaftswertung zu verändern, wenn der der rein geredet hat ein Mannschaftskollege des bevorteilten Spielers ist.
Das Wichtigste aber ist, dass einem Spieler, der nichts getan hat auch nicht bestraft werden darf.

Grüße Daniel

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Re: Einflussnahme durch Zuschauer

Beitrag von Chlodwig » 20.03.2013, 09:05

dfuchs hat geschrieben:Der der Reinredet fliegt raus, auch wenn er selbst noch spielt.
Was heißt das? Wird er genullt?
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Georg Heinze
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Re: Einflussnahme durch Zuschauer

Beitrag von Georg Heinze » 20.03.2013, 09:38

Hier der entsprechende FIDE-Artikel:
13.7 a) Zuschauer und Spieler anderer Partien dürfen nicht über eine Partie reden oder sich auf andere Weise einmischen. Falls nötig, darf der Schiedsrichter die Störer aus dem Turnierareal weisen. Falls jemand eine Regelwidrigkeit beobachtet, darf er nur den Schiedsrichter informieren.
Im Falle der Verweisung aus dem Spielsaal gibt es 2 Möglichkeiten:
1. der betreffende Störer hat seine Partie beendet, dann passiert wertungsmäßig nichts weiter
2. der betreffende Störer spielt noch. Dann wird er die Partie wohl durch ZÜ verlieren.

Chlodwig
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Einflussnahme durch Zuschauer

Beitrag von Chlodwig » 20.03.2013, 11:46

Georg Heinze hat geschrieben:2. der betreffende Störer spielt noch. Dann wird er die Partie wohl durch ZÜ verlieren.
Verstehe ich das richtig: Der Störer wird des Turniersaales verwiesen. Er muss ihn verlassen. Der Gegner des Störers macht seinen Zug und die Uhr des Störers läuft. Dieser kann infolge des Turniersaalverweises nicht mehr an sein Brett und verliert also durch Zeitüberschreitung. Es wird also nicht sofort genullt, sondern gewartet bis die Uhr des Störers abgelaufen ist. Habe ich das so richtig verstanden? Ist dies das korrekt Vorgehen gegen Störer, wenn diese ihre Partie noch nicht beendet haben?
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Re: Einflussnahme durch Zuschauer

Beitrag von dfuchs » 20.03.2013, 12:26

Nein, die Partie desjenigen der rein redet wird meiner Meinung nach sofort genullt und der der rein geredet hat danach raus geschmissen.
Ich finde es blödsinnig, dass ein Spieler dann noch warten muss, bis die Zeit abgelaufen ist, einmal ganz davon abgesehen, dass beim Zeitablauf auch noch ein Remisergebnis theoretisch herauskommen kann.
Ich mache hier auch keine Unterscheidung zwischen einem Mannschaftskampf und einem normalen Open.

Grüße Daniel

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Re: Einflussnahme durch Zuschauer

Beitrag von Chlodwig » 20.03.2013, 16:58

Die Nullung des Störers widerspricht jedoch dem Grundsatz, den du selbst unterstrichen hast:
dfuchs hat geschrieben:Das Wichtigste aber ist, dass einem Spieler, der nichts getan hat auch nicht bestraft werden darf.
In seiner Partie hat der Störer "nichts getan".
Wie kann man das miteinander vereinbaren?
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Re: Einflussnahme durch Zuschauer

Beitrag von dfuchs » 20.03.2013, 20:41

Er hat in eine andere Partie rein geredet während er noch gespielt hat. Er hat sich eben nicht passiv verhalten. Während der Partie steht das gesamte Verhalten eines Spielers auf dem Prüfstand, nicht nur das am Brett.
Wenn ein Spieler im Raucherbereich telefoniert, verliert er auch, egal ob das etwas mit der Partie zu tun hat, oder nicht.
Wenn ein Spieler in den Analyseraum geht und dort mit analysiert, während seine Partie läuft riskiert er den Partieverlust, egal ob die Stellung etwas mit seiner Partie zu tun hat, oder nicht.

Grüße Daniel

P.S: Es sind schon Spieler aus Turnieren ausgeschlossen worden, weil sie sich auf dem stillen Örtchen daneben benommen haben.

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Re: Einflussnahme durch Zuschauer

Beitrag von ViPa » 20.03.2013, 21:50

dfuchs hat geschrieben:Da man einen Spieler nicht für etwas bestrafen kann, was er nicht gemacht hat, passiert dem Spieler in dessen Partie reingeredet wurde meiner Ansicht nach nichts. Der der Reinredet fliegt raus, auch wenn er selbst noch spielt.
Je nach Turnierordnung ist es möglich bei beibehaltener Einzelwertung u.U. noch die Mannschaftswertung zu verändern, wenn der der rein geredet hat ein Mannschaftskollege des bevorteilten Spielers ist.
Das Wichtigste aber ist, dass einem Spieler, der nichts getan hat auch nicht bestraft werden darf.

Grüße Daniel
Danke für die Antwort, das klingt vernünftig, inbesondere die eventuelle nachträgliche Änderung der Mannschaftswertung.

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Re: Einflussnahme durch Zuschauer

Beitrag von thomas.soergel » 20.03.2013, 22:29

Dass der Störer rausfliegt, ist unstrittig. Nur wird das die Mannschaft verschmerzen können, sollte der Störer seine eigene Partie längst beendet haben.

Strittig ist aber, wie es sich denn da mit Art. 12.3 a verhält:
12.3 a) Während des Spielverlaufs ist es den Spielern verboten, sich irgendwelche Notizen, Informationsquellen oder Ratschläge zunutze zu machen oder auf einem anderen Schachbrett zu analysieren.

Was wäre denn gewesen, wenn Weiß den vollen Punkt benötigt und ihm das Remis nicht gereicht hätte?
Schwarz steckt ja in dem Dilemma, dass Da8 der einzige Zug ist, der nicht verliert.
Es wäre wohl zum Protest gekommen und der Staffelleiter hätte dann wohl entscheiden müssen.

Im vorliegenden Beispiel hat Schwarz mit dem Remisangebot ja gezeigt, dass er nicht auf den Ratschlag zurückgreifen wollte.
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Re: Einflussnahme durch Zuschauer

Beitrag von Georg Heinze » 20.03.2013, 23:34

Natürlich darf der SR entsprechend des "Strafenkatalogs" unter 13.4 außer dem Saalverweis eine der dort aufgeführten Maßnahmen ergreifen, u.a. auch den sofortigen Partieverlust erklären.

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Re: Einflussnahme durch Zuschauer

Beitrag von Chlodwig » 21.03.2013, 14:08

Hallo D. Fuchs,
dfuchs hat geschrieben:Er hat in eine andere Partie rein geredet während er noch gespielt hat. Er hat sich eben nicht passiv verhalten. Während der Partie steht das gesamte Verhalten eines Spielers auf dem Prüfstand, nicht nur das am Brett.
Das stimmt natürlich und es ist auch gut so, dass es nicht nur darum gehen kann, was am Brett passiert. So wünschenswert und sinnvoll eine Bestrafung des Störers ist, so wünschenswert und sinnvoll, ja erforderlich ist es jedoch, wenn bzw. dass diese Bestrafung eine kodifzierte Grundlage hat.
Das ist bei dem von dir angesprochenen Beispiel des Telefonierens der Fall (siehe Art. 12.3 bzw. 13.7). Wenn es jedoch darum geht den Störer in seiner eigenen Partie zu bestrafen, in der er sich absolut korrekt verhält, sieht das anders aus. Es gibt keinen Artikel, der sich aus den FIDE-Regeln ableiten ließe, einen Spieler zu bestrafen, der sich in seiner Partie nichts zu Schulden hat kommen lassen. Daher auch der von dir selbst unterstrichene Grundsatz:
dfuchs hat geschrieben:Das Wichtigste aber ist, dass einem Spieler, der nichts getan hat auch nicht bestraft werden darf.
Diesen Grundsatz kann man nicht einfach brechen, nur weil der Spieler in eine andere Partie hineingeredet hat. Eine andere Bestrafung als die Nullung ist ja nach Art. 13.4 durchaus möglich. Mag sein, dass du alles andere als eine Nullung als inadäquat und unbefriedigend ansiehst. Aber die eigene Ansicht muss unerheblich bleiben, denn eine solch harte Bestrafung (Verlusterklärung, Nullung) in der eigenen Partie für ein Vergehen, das woanders (also in einer anderen Partie) stattgefunden hat, geben die FIDE-Regeln eindeutig nicht her. Der Ermessensspielraum eines Schiris sollte nicht so weit gehen, dass die Regeln gebrochen werden. Das schadet der Glaubwürdigkeit der Unparteiischen und lässt bei den Betroffenen das Gefühl zurück ungerecht behandelt worden zu sein.
Wer sich des Grundsatzes entledigt, dass eine Bestrafung eine schriftliche Grundlage, hier in den FIDE-Regeln haben muss, nähert sich der Willkür schneller an als er beabsichtigt.

Gruß
Chlodwig
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Re: Einflussnahme durch Zuschauer

Beitrag von dfuchs » 21.03.2013, 14:49

Gegen den Vorwurf der Willkür wehre ich mich natürlich entschieden.
Es gibt natürlich auch eine Rechtsgrundlage meiner Entscheidung:
13.7 a) Zuschauer und Spieler anderer Partien dürfen nicht über eine Partie reden oder sich auf andere Weise einmischen. Falls nötig, darf der Schiedsrichter die
Störer aus dem Turnierareal weisen. Falls jemand eine Regelwidrigkeit beobachtet, darf er nur den Schiedsrichter informieren.
Hieraus ist abzuleiten, dass ein Spieler, der in eine Fremde Partie hineinredet raus fliegt (auch hier muss natürlich die Schwere des Eingriffs berücksichtigt werden).
Nun hat dies in aller Regel zur Folge, dass der Spieler seine Partie nicht beenden kann und dementsprechend auf Zeit verliert. Da dieses Ereignis unausweichlich ist, ist das Nullen der Partie zumindest für den Fall, dass der Gegner potentiell noch Matt setzen kann, keine weiter Strafe.
Betrachten wir also noch den Fall, dass der Gegner des Spielers, der stört kein Potential mehr hat Matt zu setzen.
In diesem Fall könnte man zu dem Ergebnis kommen, dass die Partie des störenden Remis zu werten ist.
Dagegen spricht, dass eine eigene aktive Handlung geringere Konsequenzen hätte. Würde z.B. das Handy des betroffenen Spielers klingeln, so gäbe es für ihn trotz des Fehlens eines Mattpotentials des Gegners die 0.
Ich denke, dass mir hier das Vorwort, sowie der Gummiparagraph 12.1 genügend Spielraum geben, im Strafmaß zumindest auf das 1/2 : 0 zu entscheiden.

Grüße Daniel

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Re: Einflussnahme durch Zuschauer

Beitrag von Chlodwig » 21.03.2013, 16:44

dfuchs hat geschrieben:Gegen den Vorwurf der Willkür wehre ich mich natürlich entschieden.
Autsch! Da habe ich wieder zu fest auf die Füße getreten! :wink:
dfuchs hat geschrieben:Es gibt natürlich auch eine Rechtsgrundlage meiner Entscheidung:...
Und die reicht für eine derart harte Strafe nicht aus. Oder einfach mal anders rum gefragt: Wenn ein Schiri in solch einem Fall nicht eine Nullung oder Zeitüberschreitung festsetzen, sondern eine mildere Strafe wählen würde, wäre dies dann eine Fehlentscheidung? Und wenn nicht, kann man dann hier von einem Ermessensspielraum reden, den er beispielsweise im Falle des in dem anderen Thread diskutierten Art. 9.2 nicht hat?
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Re: Einflussnahme durch Zuschauer

Beitrag von dfuchs » 21.03.2013, 17:58

Aber natürlich darf man auch ein milderes Mittel wählen. Das Mittel muss dem Vergehen angemessen sein.
Ein Beispiel aus meiner Praxis:
Während eines Open schaute ein Spieler immer wieder bei dem Brett eines Vereinskameraden durch und bekam mit, dass sein Kollege seinem Gegner Remis angbot.
10 Minuten Später saßen die Spieler immer noch am Brett und das für ihn Schlimme, sie unterhielten sich leise. Er ging also davon aus, das der Gegner das Remis annahm. Daraufhin meinte er, dass 10 Züge vorher ein anderer Zug gewonnen hätte.
Das Problem war, dass die Partie eben noch nicht beendet war. Der Gegner hatte das Remisangebot noch nicht angenommen, sondern sich nur lamentierend über die Stellung geäußert und sein Gegner ist halt darauf eingestiegen.

Meine Entscheidung war, da die Stellung nicht wieder erreicht werden konnte:
Ich habe den Störer nur ermahnt, genauso wie ich beide Spieler ermahnt hatte, entweder die Partie zu beenden oder ruhig zu sein.

Wie gesagt, die Strafe muss dem Vergehen angemessen sein und was kann eine angemessene Strafe für einen entscheidenden Hinweis in eine fremde Partie sein? Hier gibt es nur den sofortigen Rausschmiss, schon alleine wegen der Wiederholungsgefahr.
Je nach Level des Turniers, würde ich ein solches Verhalten sogar dem nationalen Verband melden, da es sich hier um einen Verstoß gegen den FIDE-code of ethics handelt (Nachzulesen im FIDE Handbuch).

Ich bin ein großer Verfechter der Differenzierung bei den Strafen und ich strafe ehrlich gesagt auch nicht gerne, dass aber nicht weil ich die Konfrontation scheue, sondern weil jede Strafe Unruhe in den Turniersaal bringt und damit verschlechtere ich die Spielbedingungen und vernachlässige einen Teil meiner in den FIDE-Regeln festgelegten Aufgaben. Aber ich habe absolut kein Problem damit bei einem Vergehen die meiner Meinung nach angemessene Strafe zu verhängen und durchzusetzen.

Grüße Daniel

P.S: Nicht zu fest auf die Füße getreten, nur auf's Hühnerauge.
Es gibt Weniges, was ich persönlich nehme und noch weniger Vorwürfe, dafür war ich zu lange Fußballschiedsrichter.
Aber ich will mir nie zwei Dinge vorwerfen lassen müssen. Das eine ist die Bevorzugung einer Partei vor einer anderen, das andere ist Willkür.
Wenn du das nächste mal mit etwas, was ich schreibe nicht einverstanden bist, schreib einfach ich wäre inkompetent oder einfach doof. Damit komme ich besser zurecht ;) .

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