Blitzschach / Reklamation nach gefallener Zeit

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tandberg
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Blitzschach / Reklamation nach gefallener Zeit

Beitrag von tandberg » 29.06.2013, 21:06

Liebe SR-Kollegen,

ein Fall aus der Blitzschach-Praxis:
Spieler 1 (noch ca 60 Sek. auf der Uhr) hat nur noch einen König auf dem Brett, Spieler2 König und Dame (nur noch 5 Sek Zeit). Der Schiri schaut nur in der Endphase zu. Spieler 2 schafft es nicht, innerhalb seiner verbleibenen Zeit die Partie durch Matt zu beenden, verzichtet aber auch nach §B3-c auf Remis zu reklamieren. Nach Ablauf der Zeit reklamiert Spieler 1 die Zeit und stoppt die Uhr.

Spieler 2 kommt nach der nach Beendigung und nach der Zeitreklamation von 1 zur Ansicht, dass die Partie Remis ist, weil eben (und erst jetzt kommt die Reklamation) Spieler 1 zu wenig Material hat um zu gewinnen.

Spieler 1 beruft sich auf A4-d1 sowie auf A4-d2

Wie mus der SR richtig entscheiden?

VG, Michael
Zuletzt geändert von tandberg am 29.06.2013, 22:10, insgesamt 1-mal geändert.

GiantPanda
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Re: Blitzschach / Reklamation nach gefallener Zeit

Beitrag von GiantPanda » 29.06.2013, 21:24

Remis.

A4d gibt an, wann/wie die Reklamation auf Zeitüberschreitung zu erfolgen hat. Die Folgen für das Partieergebnis
beschreibt 6.9.
B3c bezieht sich auf regelwidrige Züge und hat mit dem beschriebenen Fall nichts zu tun.

tandberg
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Re: Blitzschach / Reklamation nach gefallener Zeit

Beitrag von tandberg » 29.06.2013, 23:28

Nun ja,

der Charm dieser Frage ist, dass 6.9 einen auftretenden und einen vom Spieler zu reklamierenden Fall während dieser laufenden Turnierpartie beschreibt in welcher es ein Spieler offenbar nicht schafft eine gewisse Anzahl an Zügen innerhalb der vorgeschriebenen Zeit zu vollziehen. In diesem Fall würde der Spieler sich auf 6,9 berufen, bevor die das Blättchen fällt.

Wie man weiß, hat es der Schiri strikt zu unterlassen gerade während einer laufenden Blitzpartie auf eine Regel, die einem Spieler zugute käme, hinzuweisen. (Außer beide Könige stünden im Schach)

Entscheidend ist m.E. auch die zeitliche Abfolge der Reklamationen.
UND meines Erachtens ist eine ordnugsgemäße Reklamation immer durch das Anhalten der Uhr gekennzeichnet.

Spieler 2 hat sich durch den Mehrverbrauch an Zeit einen Vorteil verschafft, dies jedoch so überzogen dass am Ende die Zeit nicht mehr reichte. Er hätte während der Partie ordnungsgemäß durch das Anhalten der Zeit nach § 6.9 reklamieren können.

Die FIDE ist gerade im Blitzschach sehr daran interessiert, den "Faktor Schiri" so weit wie möglich herauszuhalten, so können die Spieler zugmäßig am Brett f a s t alles veranstalten, es sei denn EIN SPIELER REKLAMIERT. So lautet die wichtigste Regel für den Schiri im Blitzschach: "no complaint, no decision".

GiantPanda
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Re: Blitzschach / Reklamation nach gefallener Zeit

Beitrag von GiantPanda » 30.06.2013, 02:58

Artikel 6.9 muß nicht während der Partie reklamiert werden (sonst würde das da stehen!). Der Artikel gibt an, welches Ergebnis die Partie nach einer Zeitüberschreitung hat und gilt sowohl im Turnier- als auch im Schnell- und Blitzschach.

Der Unterschied ist, daß im Turnierschach der Schiedsrichter auf den Blättchenfall hinweist, im Schnell- und Blitzschach nur die Spieler. In beiden Fällen wird danach das Partieergebnis festgelegt (Mattpotential = Sieg, kein Mattpotential = remis).

Deine Interpretation, daß man während der Partie auf fehlendes Mattpotential des Gegners hinweisen muß, ist einfach falsch. (Verwechselst Du das mit 10.2?)

dfuchs
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Re: Blitzschach / Reklamation nach gefallener Zeit

Beitrag von dfuchs » 30.06.2013, 11:14

Ich kann GiantPanda hier nur zustimmen.
Ein Spieler kann nur das Fallen des Fallblättchens reklamieren. Das Ergebnis legt danach der Schiedsrichter fest, bzw. es ergibt sich zwingend aus dem verbleibenden Material auf dem Brett. Hier gibt es nichts, was von den Spielern beeinflusst werden darf.

Außerdem finde ich die Einstellung, dass der Schiedsrichter nur nach Reklamation eingreifen darf falsch. Es gelten -auch im Blitz- erstmal die Turnierregeln, es sei denn sie werden durch die Schnell- bzw. Blitzschachregeln aufgehoben. Ergo hat der Schiedsrichter auch im Blitz bei verschiedenen Regelübertretungen das Recht und die Pflicht einzugreifen auch ohne Reklamation. Bei was der Schiedsirchter nicht eingreifen darf ist klar und abschließend in den Artikeln B3c), A4b), A4c) und A4d) geregelt. Für alle anderen Regeln darf und im Zweifelsfall muss der Schiedsrichter eingreifen.
Natürlich stößt das ganze im Blitzturnier an praktische Grenzen, was man als Schiedsrichter mitbekommt.

Grüße Daniel

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Re: Blitzschach / Reklamation nach gefallener Zeit

Beitrag von Georg Heinze » 30.06.2013, 13:12

Hinzuzufügen wäre noch, dass der blanke König niemals gewinnen kann!
Das gilt sowohl im Normal- als auch im Schnell- oder Blitzschach.
Selbst bei Handyklingeln verliert zwar der Spieler, dessen Handy klingelt, aber der Gegner, wenn er nur noch den König hat, bekommt auch in diesem Fall nur ein remis.

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Re: Blitzschach / Reklamation nach gefallener Zeit

Beitrag von JoergWeisbrod » 01.07.2013, 11:48

Nur weil es gerade hierher gut passt:
Was passiert, wenn der Spieler mit König und Dame gegen den Spieler mit blankem König aufgibt (warum auch immer) ?
Aus den Regeln lese ich, dass der Spieler mit dem blanken König dann den ganzen Punkt bekommt.
Liege ich falsch ?
Jörg

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Re: Blitzschach / Reklamation nach gefallener Zeit

Beitrag von dfuchs » 01.07.2013, 12:54

Da liegst du richtig, geht aber irgendwie an der Praxis vorbei, oder sehe ich das falsch?

Grüße Daniel

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Re: Blitzschach / Reklamation nach gefallener Zeit

Beitrag von JoergWeisbrod » 01.07.2013, 14:13

Nein, das siehst Du richtig und so sehe ich es auch :)
Ich habe allerdings von mir bekannten SRs auch schon gehört, dass selbst im Falle des Aufgebens des Gegners der blanke König nur einen halben Punkt bekommt bzw. die Partie remis wäre. Daher meine Nachfrage nur zur Klärung.

In der Praxis gibt es sowas vielleicht nur, wenn der eine dem anderen noch zu einer besseren Platzierung verhelfen will
und versäumt hat, es unauffälliger zu machen.
Jörg

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Re: Blitzschach / Reklamation nach gefallener Zeit

Beitrag von GiantPanda » 01.07.2013, 14:43

Die FIDE-Regeln (5.1b) geben kein anderes Ergebnis als 1-0 her: "Gewonnen hat, wessen Gegner aufgibt."

Falls natürlich jemand nachweisbar in einer total gewonnenen Stellung absichtlich aufgibt, um
dem Gegner in die Preisränge zu verhelfen, kann man als Schiedsrichter auch die große
Strafenkatalogs-Keule (12.1 + 13) wegen unsportlichem Verhalten anwenden - ein Punkt Abzug
bietet sich geradezu an.

Georg Heinze
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Re: Blitzschach / Reklamation nach gefallener Zeit

Beitrag von Georg Heinze » 01.07.2013, 19:34

Auch wenn es nun sehr theoretisch geworden ist...
Falls natürlich jemand nachweisbar in einer total gewonnenen Stellung absichtlich aufgibt, um dem Gegner in die Preisränge zu verhelfen, kann man als Schiedsrichter auch die große Strafenkatalogs-Keule (12.1 + 13) wegen unsportlichem Verhalten anwenden - ein Punkt Abzug bietet sich geradezu an.
"Nachweisbar" - da müsste dieser Spieler schon selbst erklären, warum er absichtlich aufgegeben hat.
Damit könnte dieser Spieler wegen grober Unsportlichkeit belangt werden.
Was aber nun seinen Gegner angeht: ihm kann es eigentlich egal sein, warum der gegner aufgibt.
Damit erhält er nach 5.1 b) den Punkt.
Wenn nicht nachgewiesen wird, dass er mit seinem Gegner "gemeinsame Sache" macht, sehe ich keinen Grund, ihm diesen Punkt wieder abzuerkennen.

tandberg
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Re: Blitzschach / Reklamation nach gefallener Zeit

Beitrag von tandberg » 04.07.2013, 02:22

Zum Eiingangsthema:

aus folgender Ergänzung B3 ist abzuleiten, dass man im Blitzschach das Remis wegen unzureichenden Spielmaterials reklamieren MUSS. Es ist nicht automatisch remis. An die Reklamation ist die Bedingung geknüpft dass der Reklamierende dies tut, bevor er seinen Zug ausführt.

Die Ergänzng B3 ÜBERSCHREIBTalle anderen Regeln, wenn diese damit kollidieren. Somit auch §6.9 in welchem die Folgen von unzureichendem Spielmaterial beschrieben sind.

Im Blitzschach gilt: "Wo eine angemessene Überwachung nicht möglich ist, gelten die folgenden Regeln:"

Und in B3 steht:

........ Wenn der Gegner den König des Spielers mit keiner erdenklichen Folge von regelgemäßen Zügen mattsetzen kann, ist der Reklamierende berechtigt, bevor er seinen eigenen
Zug ausführt, ein Remis zu beanspruchen......

Die ist ein eigenständiger Satz und muss beachtet werden. !!!

Wenn der Reklamierende berechtigt ist zu reklamieren und dies unterläßt. dann hat er bei nicht erfolgter Reklamation auch kein Recht mehr zu reklamieren. So einfach ist das.
Es gibt somit keine Regelung die besagt, dass im Blitzschach ein Verlust durch Zeit gegen den blanken König mit nur einem halben Punkt gewertet wird.

Der Grund, warum sich dieses Ammenmärchen in den Köpfen so lange behauptet, ist eine frühere längst nicht mehr gültige Fassung der "Laws of chess".

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Re: Blitzschach / Reklamation nach gefallener Zeit

Beitrag von Georg Heinze » 04.07.2013, 08:11

Was manche so alles aus den Schachregeln herauslesen ...
Natürlich kann nach B.3. c) ein remis reklamiert werden, weil der Gegner mit dem blanken König nicht mehr matt setzen kann.
Im vorliegenden Fall ist die Sachlage aber so, dass Spieler B mit Dame und König die Partie gewinnen wollte.

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Re: Blitzschach / Reklamation nach gefallener Zeit

Beitrag von dfuchs » 04.07.2013, 08:37

B3c behandelt ausschließlich irreguläre Züge. Sowohl der Satz vorher als auch der danach behandeln das Vorgehen bei irregulären Zügen.
Wie kommt man dann auf die Idee, das dieser Satz auch bei gefallener Zeit greift?
Dementsprechend ist die Handhabung, so wie sie hier von GiantPanda, von mir und auch anderen dargelegt wurde natürlich kein Ammenmärchen, sondern einfach nur korrekt.
In 6.9 steht auch ganz klar, dass die Partie remis ist und ich zitiere
Die Partie ist jedoch remis...
. Keine Reklamation, keine Prüfung, einfach nur Fakt.

Grüße Daniel

GiantPanda
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Re: Blitzschach / Reklamation nach gefallener Zeit

Beitrag von GiantPanda » 04.07.2013, 19:23

tandberg hat geschrieben: Die ist ein eigenständiger Satz und muss beachtet werden. !!!
Nein - es hat schon seinen Grund, daß die Regeln in Artikeln und Abschnitten zusammengefaßt sind. Was da zusammen steht, muß auch im Zusammenhang gelesen werden. In B3c geht es NUR um regelwidrige Züge.

Übrigens:
Die Nummerierung mit Blitzschach in Anhang B gibt es erst seit den FIDE Regeln 2009. Das ist die aktuelle Version, niemand benutzt hier eine "längst nicht mehr gültige Fassung".


Viele Grüße
Ingrid

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