Verwarnung oder Zeitgutschrift?

Verwarnung oder Zeitgutschrift?

Umfrage endete am 26.03.2014, 20:47

Verwarnung reicht
2
22%
Zeitgutschrift ist notwendig
7
78%
 
Insgesamt abgegebene Stimmen: 9

dfuchs
Beiträge: 404
Registriert: 09.11.2007, 18:27

Re: Verwarnung oder Zeitgutschrift?

Beitrag von dfuchs » 27.03.2014, 14:15

@Georg:
Ich habe das absichtlich unter den Tisch fallen lassen.
Es gab gute Gründe für ein Remisgebot, die findet man aber immer. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass es einfach verboten ist, dieses Angebot während der Gegner am Zug ist und überlegt zu äußern.

Sowohl die Stellung, den Stand des Mannschaftskampfs, als auch die Vergangenheit habe ich nur deshalb genutzt um für mich festzustellen ob das Remisangebot eine vorsätzliche oder eine (grob) fahrlässige Störung war.
Hätte ich hier einen Vorsatz entdeckt, hätte ich eher zwischen Zeitgutschrift und höheren Strafen geschwankt, als zwischen Verwarnung und Gutschrift.

Mir ist auch ganz wichtig festzuhalten, dass ich mir nicht zutraue Stellungen auf Brett in dieser Kategorie abschließend einzuschätzen und dies auch nie tun würde um ein Strafmaß festzulegen. So nach dem Motto die Partie ist eh trivial verloren, da gebe ich keine Gutschriften mehr. Das sollte kein Schiedsrichter tun. Es ist nicht, war es nie und wird hoffentlich nie Aufgabe des Schiedsrichters sein eine Stellung zu bewerten.

Da ich aber eben keinen Anhaltspunkt für einen Vorsatz gesehen habe (und den habe ich in meinem Erstbeitrag hoffentlich nicht gegeben), ging ich, wie hoffentlich alle hier, auch von einer fahrlässigen Störung aus.

Nun sehe ich bei einer fahrlässigen Störung beim ersten Auftreten grundsätzlich keinen Anlass zu einer Zeitgutschrift. Mit der Ausnahme, dass der durch die Störung benachteiligte eben nicht ich sag mal partiegefährdend gestört wird. Ist letzteres der Fall, würde ich die Zeitgutschrift nicht als Strafe für den Störer, sondern eben als Kompensation für die Störung ansehen.

Grüße Daniel

GiantPanda
Beiträge: 33
Registriert: 21.10.2007, 12:30

Re: Verwarnung oder Zeitgutschrift?

Beitrag von GiantPanda » 06.04.2014, 20:11

Genau das gleiche ist mir heute auch passiert. Weiß 8 Min, Schwarz 7 Min Rest, aber erst 19 Züge gespielt. Weiß bot zur Unzeit Remis an, Schwarz protestierte. Ich habe es bei einer Ermahnung belassen.

(Bevor Daniel den Fall beschrieb, dachte ich, sowas kommt nicht vor...)

Nach einer heftigen Zeitnotschlacht wurde es doch remis. Und noch ein Novum (für mich) - keines der beiden Partieformulare war lesbar, Schwarz hat seins bereitwillig nochmal abgeschrieben.

Steffan Uhlenbrock
Beiträge: 12
Registriert: 28.03.2008, 09:55
Was ist die Summe aus 10 und 4?: 0
Wohnort: Hünxe

Re: Verwarnung oder Zeitgutschrift?

Beitrag von Steffan Uhlenbrock » 23.04.2014, 10:18

Ich finde die hier nunmehr in weiten Teilen erörterte Frage sehr interessant, zumal ich ähnliche Fälle und auch die am Rande erwähnten Vorkommnisse in meinem letzten Open zu verzeichnen hatte.

Vorweg möchte ich hier klar herausstellen, dass es laut unseren Regularien keine einheitliche Vorgehensweise in Form einer strikten Regel gibt und somit letztlich im Ermessen des zuständigen Schiedsrichters unter Abwägung aller Randbedingungen eine Entscheidung in der Sache zu ergehen hat. Ein richtig oder falsch kann daher hier nicht zur Diskussion stehen.

Zum Sachverhalt selbst habe ich dennoch ein klares Voting für den von Daniel angeführten Fall. In meinem Rechtsverständnis wird der gestörte Spieler unter den beschriebenen Randbedingungen eine 2 Minuten Zeitgutschrift erfahren. Dies möchte ich gerne differenziert begründen:

1. Die FIDE-Schachregeln enthalten eine klare Definition eines regelkonformen Remisangebotes. Aus diesem Umstand sollte jedem SR sofort klar sein, dass es sich um einen basalen Regelverstoß handelt. Es steht somit außer Frage, dass sich der Spieler mit dem Zeitvorteil regelwidrig verhalten hat. Der Schiedsrichter ist daher mit aber auch ohne Reklamation des Geschädigten aufgefordert, eine Entscheidung zu treffen: Hier Verwarnung oder Zeitgutschrift.

2. Für die Entscheidungsfindung halte ich die (2a) aktuelle Spielsituation (hier Zeitnot, eindeutig begonnene Denkphase), die (2b) Intention des Remisgebots (neutrales Angebot, absichtliche Störung) und den (2c) Beeinträchtigungsgrad des Gestörten für entscheidende Randbedingungen zur Urteilsfindung. Das sich Spieler in einer Phase akuter Zeitnot einem höheren Druck ausgesetzt sehen, ist eine allgemein verständliche Aussage. Daher sind diese Zeitphasen meiner Meinung nach auch besonders schützenswert, um hier nicht durch Unregelmäßigkeiten ein Missverhältnis in der Partie entstehen zu lassen. Hier greifen die Randbedingungen 2a-c meiner Meinung ganz klar ineinander.

Für den hier diskutierten Fall erhalten wir keine Aussagen über die Randbedingung 2b, d.h. wir wissen nicht ob der Remis anbietende Spieler hier aus Gründen des Eigenbevorteilung gehandelt hat. Da er bisher nicht negativ in Erscheinung getreten ist, muss in diesem Fall - falls keine weitere negativen Beweggründe gefunden werden können - von einem neutralen Remisangebot ausgegangen werden, d.h. explizit der Anbietende handelte nicht mit der Intention einer bewussten Störung.

--> Bis zu diesem Zeitpunkt stehe ich auf dem Standpunkt das eine Verwarnung genügt. Ergo der Schiedsrichter greift in diesem Moment nicht aktiv in das Zeitnotgeschehen ein und verwarnt den Spieler zu einem angemesseneren Zeitpunkt, hält bis dahin aber den Regelverstoß im Hinterkopf.

Gedanklich wende ich mich nun der Randbedingung 2a zu.
Dass sich der Spieler in einer zeitlichen angespannten Spielphase befindet ist augenscheinlich klar. Dass diese Phase besonderen Schutz bedarf, erklärte ich initial. Das Remisgebot kommt also zu einem Zeitpunkt indem der Spieler bereits tief (min. 30 Sek., was mal 1/5 seiner Restbedenkzeit entsprach) in seine Denkphase eingetaucht ist und damit deutlich hinter jeglicher Legitimation gemäß des Regelwerkes. Es handelt sich um eine Störung im Sinne der FIDE-Schachregeln. Meiner Meinung nach entscheidet sich an genau dieser Stelle das Maß der Sanktion. Komme ich als Schiedsrichter zu der Auffassung, dass der sich in der Denkphase befindliche Spieler gestört wurde so ist ihm eine Zeitgutschrift zu gewähren, da er sonst über ein vertretbares Maß hinaus durch eine unverschuldete Beeinträchtigung benachteiligt wird. Komme ich zu der Auffassung das Remisangebot hat ihn nicht beeinträchtigt, bleibe ich gedanklich auf dem Standpunkt der Verwarnung. Hier ist sicherlich viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl gefragt.

--> Schiedsrichter erkennt Störung für den Spieler ==> Zeitgutschrift
--> Schiedsrichter erkennt keine Störung für den Spieler ==> Verwarnung.

Wenden wir uns abschließend der verbleibenden Randbedingung 2c zu.
Der Grad der Beeinträchtigung des gestörten Spielers scheint derart groß gewesen zu sein, dass es ihn zu einer Reklamation bewegt hat. Dies muss meiner Meinung nach jedem Schiedsrichter signalisieren, dass sich der Spieler deutlich in seiner Denkphase unterbrochen fühlt. Mit diesem Wissen kann ich dann aber auch abschließend nur zu dem Resultat gelangen, dass dem beeinträchtigtem Spieler zwei Minuten zuzusprechen sind.

==> Reklamation der Störung führt zur Gutschrift.


Ich hoffe, dass ich meine internen Abstufungen der Ergebnisfindung explizieren konnte und freue mich auf Resonanzen zur Sache.

Gruß Steffan

Georg Heinze
Beiträge: 905
Registriert: 20.10.2007, 11:27

Re: Verwarnung oder Zeitgutschrift?

Beitrag von Georg Heinze » 24.04.2014, 08:25

Sehr gut begründete Darlegungen!
Wie bereits mehrfach festgestellt, es ist und bleibt letztlich eine Ermessensfrage.
Der Grad der Beeinträchtigung des gestörten Spielers scheint derart groß gewesen zu sein, dass es ihn zu einer Reklamation bewegt hat.
Ob die Reklamation tatsächlich der Beweis für den hohen Grad der Beeinträchtigung ist?
Ich kenne Spieler, die hören bereits die Flöhe husten.
Wenn ein Spieler die Chance sieht, eine Zeitgutschrift zu erhalten, wird er sie in aller Regel auch nutzen, egal wie groß er die Störung empfindet.
Persönlich halte ich es für richtig, eine Zeitgutschrift auszusprechen, habe aber auch Verständnis, wenn der SR sich nur für eine Verwarnung entscheidet. Der SR ist vor Ort und kann es am besten beurteilen, so genau kann man hier die Situation gar nicht schildern.

dfuchs
Beiträge: 404
Registriert: 09.11.2007, 18:27

Re: Verwarnung oder Zeitgutschrift?

Beitrag von dfuchs » 24.04.2014, 10:46

Auch finde die Begründung nachvollziehbar und gut, auch wenn ich sie in einem entscheidenden Punkt nicht teile.

Ich finde nicht, dass ein sich in Zeitnot befindender Spieler besonderen Schutz verdient.
Die Zeitnot ist ein selbst verursachtes Problem und sollte meiner Meinung nach eben nicht bei der Bewertung der Schwere eines Regelverstoßes für den Gegner straf verschärfend wirken, es sei denn natürlich, dass die gegnerische Zeitnot die Motivation oder Ursache des Regelverstoßes ist.

Grüße Daniel

Steffan Uhlenbrock
Beiträge: 12
Registriert: 28.03.2008, 09:55
Was ist die Summe aus 10 und 4?: 0
Wohnort: Hünxe

Re: Verwarnung oder Zeitgutschrift?

Beitrag von Steffan Uhlenbrock » 25.04.2014, 16:32

@Georg Heinze:
Ob die Reklamation tatsächlich der Beweis für den hohen Grad der Beeinträchtigung ist?
Diese Frage stellt sich meiner Meinung nach nicht.
Der Spieler gibt mit seiner Reklamation klar zu verstehen, dass er mit dem Verlauf der Partie - in diesem Fall dem regelwidrigem Remisgebot - nicht einverstanden ist. Ob es ihm dabei letztlich "nur" um das Einfordern der möglichen Zeitgutschrift geht, ist hierbei de facto irrelevant, da die Reklamation in jedem hier erdenklichen Fall zurecht erfolgt. Er bringt damit eindeutig und unabhängig von seiner inneren Intention zum Ausdruck, dass er die Regelwidrigkeit durch eine neutrale Person reguliert wissen möchte. Selbst unter der Prämisse, dass er nur auf ein Fehltritt des Gegners gewartet hätte, gibt es nach meiner Meinung keinen Grund diese Zeitgutschrift nach regelwidriger Handlung des Gegenspielers nicht zu gewähren. Wer eine Partie - womöglich auch durch Zeitüberschreitung - gewinnen möchte, muss sich eben bis zum Abschluss dieser an das bestehende Re­g­le­ment halten.

Die Quint­es­senz meiner Ausführung sollte sein, dass falls der SR zur Zeit der regelwidrigen Handlung nicht zur der Überzeugung gekommen ist, dass eine Störung des Spielers vorlag (und somit auf dem Standpunkt einer späteren Verwarnung verweilt), muss er doch nach einer expliziten Reklamation zu dem Standpunkt finden, dass sich der Reklamierende beeinträchtigt fühlt. Demnach kann nach einer berechtigten Reklamation in diesem Fall nur auf eine Zeitgutschrift entschieden werden.


@Daniel Fuchs:
Auch finde die Begründung nachvollziehbar und gut, auch wenn ich sie in einem entscheidenden Punkt nicht teile.
Ich finde nicht, dass ein sich in Zeitnot befindender Spieler besonderen Schutz verdient.
Darauf muss ich erwidern, dass meine Ausführung leider nicht ganz richtig verstanden wurde.
Nicht der in Zeitnot befindliche Spieler ist besonders schützenswert, sondern die Partiephase der Zeitnot.

Meiner Auffassung nach wirken sich Unregelmäßigkeiten in der Phase höchster Zeitnot häufig partieentscheidend aus. Aus diesem Grunde wird sich in der Regel der SR am Brett mit kritischer Zeitverteilung einzufinden wissen. Er beobachtet hierbei das regelkonforme Abspiel (welches durch den Zeitdruck häufig anfällig wird) und observiert die Partie um bei Verstößen unmittelbar intervenieren zu können. Während der SR bei unkritischer Zeitverteilung eher den Helikopterblick über alle Partien anstrebt, wird er sich je näher die Zeitnot kommt eher einzelnen Partien hoher Brisanz zuwenden. Daher mein grundlegender Gedanke, dass zeitkritische Spielphasen einer besonderen Obacht unterliegen.
Die Zeitnot ist ein selbst verursachtes Problem und sollte meiner Meinung nach eben nicht bei der Bewertung der Schwere eines Regelverstoßes für den Gegner strafverschärfend wirken, es sei denn natürlich, dass die gegnerische Zeitnot die Motivation oder Ursache des Regelverstoßes ist.
Eine Strafverschärfung darf meiner Auffassung nach lediglich in zwei Situationen eintreten:
1. Ein Spieler begeht vorsätzlich zur Eigenbevorteiligung Regelverstöße
2. Ein Spieler begeht mehrere Regelverstöße, bzw. weigert sich diese durch Regelkonformität zu heilen

Sonst sollte durch alle Zeitphasen hinweg die Schärfe der Strafzumessung identisch sein.


Gruß Steffan

Georg Heinze
Beiträge: 905
Registriert: 20.10.2007, 11:27

Re: Verwarnung oder Zeitgutschrift?

Beitrag von Georg Heinze » 26.04.2014, 08:16

Steffan Uhlenbrock hat geschrieben:@Georg Heinze:
Ob die Reklamation tatsächlich der Beweis für den hohen Grad der Beeinträchtigung ist?
Diese Frage stellt sich meiner Meinung nach nicht.
Der Spieler gibt mit seiner Reklamation klar zu verstehen, dass er mit dem Verlauf der Partie - in diesem Fall dem regelwidrigem Remisgebot - nicht einverstanden ist. Ob es ihm dabei letztlich "nur" um das Einfordern der möglichen Zeitgutschrift geht, ist hierbei de facto irrelevant, da die Reklamation in jedem hier erdenklichen Fall zurecht erfolgt. Er bringt damit eindeutig und unabhängig von seiner inneren Intention zum Ausdruck, dass er die Regelwidrigkeit durch eine neutrale Person reguliert wissen möchte. Selbst unter der Prämisse, dass er nur auf ein Fehltritt des Gegners gewartet hätte, gibt es nach meiner Meinung keinen Grund diese Zeitgutschrift nach regelwidriger Handlung des Gegenspielers nicht zu gewähren. Wer eine Partie - womöglich auch durch Zeitüberschreitung - gewinnen möchte, muss sich eben bis zum Abschluss dieser an das bestehende Re­g­le­ment halten.


Die Quint­es­senz meiner Ausführung sollte sein, dass falls der SR zur Zeit der regelwidrigen Handlung nicht zur der Überzeugung gekommen ist, dass eine Störung des Spielers vorlag (und somit auf dem Standpunkt einer späteren Verwarnung verweilt), muss er doch nach einer expliziten Reklamation zu dem Standpunkt finden, dass sich der Reklamierende beeinträchtigt fühlt. Demnach kann nach einer berechtigten Reklamation in diesem Fall nur auf eine Zeitgutschrift entschieden werden.
Vorausschicken möchte ich, dass ich ebenfalls für eine Zeitgutschrift plädiert habe.
Die Ausführungen von Steffan teile ich deswegen weitestgehend.
Mit meinem Satz "Ob die Reklamation tatsächlich der Beweis für den hohen Grad der Beeinträchtigung ist?" wollte ich lediglich ausdrücken, dass die Reklamation eben nicht den tatsächlichen Hintergrund aufdeckt.
Aber wie auch Steffan schreibt: "Der Spieler gibt mit seiner Reklamation klar zu verstehen, dass er mit dem Verlauf der Partie - in diesem Fall dem regelwidrigem Remisgebot - nicht einverstanden ist."
Natürlich hat er damit Recht. Es geht hier nicht um die Erforschung des Motivs für die Reklamation, sondern einzig darum, dass er sein Recht wahrnimmt.
Für den SR darf es für die Strafzumessung nicht relevant sein, aus welchen inneren Motiven der Spieler dabei handelt.
Wie gesagt, es bleibt trotzdem eine Ermessensentscheidung und da können Faktoren einfließen, die wir als Außenstehende nicht kennen.

Antworten