Mitschreibpflicht

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Holger
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Mitschreibpflicht

Beitrag von Holger » 17.05.2015, 20:10

Folgender Fall: 2 Spieler haben schnell gespielt (Modus 40 Züge 2h, Rest 30 Min) und im 79. Zug zeigt die Schachuhr 4:59 (Zeit aus der ersten Phase an). Der Spieler schreibt nicht mehr mit. Er begründet dies mit der Argumentation FIDE 8.4. wenn ein Spieler in einer Zeitperiode weniger als 5 Minuten Restbedenkzeit hat... ist er für die Dauer dieser Zeitperiode nicht verpflichtet ... mitzuschreiben. Gleichzeitig zieht er die englische Originalversion der FIDE-Regeln :" If a Player has less than five minutes left on his clock at some stage in a period..." Weiter behauptet er, die 1. Zeitperiode ist erst abgeschlossen, wenn sein Kläppchen fällt, es steht nirgendwo im Regelwerk, dass die Zeitperiode mit dem vollständigen Ausführen des 40. Zuges beendet ist, dies ist ein Zeit-,aber kein Zugproblem. Der Schiri entgegnete, sieh mal FIDE 6.3.b Die Zeit, die ein Spieler in einer Zeitperiode gespart hat, wird ihm für die nächste Periode zu seiner verfügbaren Zeit hinzugerechnet, also ist die Restbedenktzeit nun 34Min 59 Sekunden und damit besteht Mitschreibepflicht. Der Spieler entgegnet, wie kann ich in der nächsten Zeitperiode sein, wenn die erste noch nicht beendet ist. Lieber Schiedsrichter, zeigen Sie mir bitte den Passus im FIDE-Regelwerk, wonach mit dem 40 Zug die Zeitperiode beendet ist, dies kann höchstens eine Zugperiode sein.
Nach meiner Meinung geht die Argumentation des Spielers gegen Sinn und Zweck. Wenn ich ehrlich bin, findet ich im Regelwerk aber nichts, wie ich seine Argumentation entkräften kann. Weder das Ende einer Zeitperiode in Abhängigkeit von der Zugzahl noch die Definition der Restbedenkzeit finde ich.

dfuchs
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Re: Mitschreibpflicht

Beitrag von dfuchs » 17.05.2015, 20:57

Hallo Holger,

ein netter Fall.
Auf den ersten Blick und in unseren Lehrgängen käme sicherlich, dass der Spieler recht hat und man kann sich dieser Argumentation durchaus anschließen, dann aber mit allen Konsequenzen. Vervollständigen der Notation mit dem Blättchenfall, auf eigene Zeit oder eben in Schönstschrift nach dem Partieende (8.1 a).

Aber man kann das auch so sehen: Nach 6.4 a) muss nach dem Fallen des Fallblättchens geprüft werden, ob die notwendige Zugzahl erreicht wurde. Es ist nicht geregelt, dass er nicht bereits vorher prüfen darf, ob die Anforderungen erfüllt wurden. Bei 79 Zügen ist ja auch eine Reklamation nach 9.3 theoretisch denkbar und das geht gar nicht ohne die Feststellung, dass mehr als 40 Züge gemacht wurden. Ergo, auch wenn wir generell keine Zugkontrolle haben, heißt das nicht, dass wir sie nicht manchmal doch haben und zwar aus Regelgründen.

Grüße Daniel

hoppepit
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Re: Mitschreibpflicht

Beitrag von hoppepit » 17.05.2015, 21:13

Hallo Holger,

ich sehe auch nichts im Regelwerk, womit man die Argumentation des Spielers entkräften könnte.
Gruß, Peter
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Holger
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Re: Mitschreibpflicht

Beitrag von Holger » 17.05.2015, 21:45

vielleicht eine Möglichkeit: Das Vorwort (die Generalklausel, auch Richterrecht genannt) ... In Fällen, die nicht durch einen Artikel der Schachregeln genau geklärt sind, sollte es möglich sein, durch das Studium analoger Situationen (also Sinn und Zweck) , die von den Schachregeln erfasst werden, zu einer korrekten Entscheidung zu gelangen.

Trotzdem könnte man die FIDE-Regeln erweitern, um in meinen Augen diesen Blödsinn zu vermeiden

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Re: Mitschreibpflicht

Beitrag von JoergWeisbrod » 19.05.2015, 09:46

Noch ein Zusatz:
Nach Artikel 8.4 ist der Spieler in dieser Situation ja nicht mehr verpflichtet, die Anforderungen von 8.1 zu erfüllen.
Heißt das,
- dass es für ihn nicht mehr verboten ist, Züge im Voraus aufzuschreiben (8.1a)?
- dass er sein Partieformular für alles mögliche benutzen darf (8.1b)?

Ist das eine Regelunschärfe?
Jörg

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Re: Mitschreibpflicht

Beitrag von realpatzer » 09.06.2015, 18:01

Arrg. Sachen gibt es.

Aber natürlich muss er dann die Notation nach Ende der Periode auf seine Zeit oder nach Ende der Partie vervollständigen. Darauf würde ich bei solchen Blitzmerkern dann auch ganz genau achten.
Im Schach geht es nicht um Leben oder Tod -
es geht um mehr

Holger
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Re: Mitschreibpflicht

Beitrag von Holger » 09.06.2015, 22:29

Mir geht es nur darum, dass die wörtliche Auslegung völliger Schwachsinn ist. Jedem normalen Schachspieler muss doch klar sein, dass nach Überstehen der ersten Zugperiode er nun in die letzte Zugperiode kommt und logischerweise er die Restzeit aus der noch nicht beendeten 1. Zeitperiode nun addiert bekommt mit der neuen Zeit aus der 2. Zeitperiode.
Es würde doch reichen, dass definiert wird, dass eine Zeitperiode abhängig von der Zugperiode ist (also Zug-/Zeitperiode).

Und mit der Prüfung wäre ich vorsichtig FIDE 12.6 Der Schiedsrichter darf in eine Partie nicht eingreifen, außer in den Fällen, die in den Schachregeln erwähnt sind. Er gibt die Zahl der abgeschlossenen Züge nicht bekannt.

Also erst nach Fällblätchenfall darf er prüfen und sich einmischen.

Um was es mir geht, dass das was gemeint ist auch klar in den Regeln steht

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Re: Mitschreibpflicht

Beitrag von dfuchs » 10.06.2015, 11:02

Hallo Holger,

du hast natürlich recht, dass die wörtliche Auslegung sehr sinnbefreit ist, wenn man sie auf deinen Fall zuspitzt.
Aber einmal ernsthaft, hattest du den Fall wirklich schon?
Und selbst wenn, diesen Korinthenkacker kann man dann mit der ebenfalls absolut regelkonformen Anweisung des Vervollständigens in Schönstschrift (so lesbar wie möglich! Also OCR-fähig ist drin ;) ) zum Nachdenken bewegen.

Grüße Daniel

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Re: Mitschreibpflicht

Beitrag von Holger » 10.06.2015, 21:13

Leider hatte ich diesen Fall in der Praxis bei einem großen Open. Mein Chief teilte die Meinung, der Spieler hat Recht. Stimmt ja auch aus dem Regelwerk. Dann haben wir 2 Tage darüber diskutiert über Sinn und Zweck. Interessanterweise ist dieser Fall, nicht von mir, nun Gegenstand, Fälle aus der Praxis beim FIDE-Lehrgang.

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Re: Mitschreibpflicht

Beitrag von hoppepit » 10.06.2015, 21:23

Holger hat geschrieben:Interessanterweise ist dieser Fall, nicht von mir, nun Gegenstand, Fälle aus der Praxis beim FIDE-Lehrgang.
Habe ich gesehen!
Bin mal gespannt, was die Kollegen am Wochenende dazu sagen.
Ich vermute mal Holger, dann sehen wir uns morgen?!
Gruß, Peter
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Re: Mitschreibpflicht

Beitrag von Holger » 10.06.2015, 21:55

freue mich bis morgen

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Re: Mitschreibpflicht

Beitrag von Holger » 17.06.2015, 21:01

Jetzt zur Auflösung. 90% aller FIDE-Länder spielen mit dem Zugzähler. Da schaltet sich die Uhr mit Vollendung des 40. Zuges auf die komplette Restbedenkzeit um. Die FIDE-Regel im original Englischen bezieht sich darauf. Wenn wir allerdings ohne Zugzähler spielen, dann ergibt sich natürlich der obige Fall. Nirgendwo in den FIDE-Regeln steht, dass die Uhr nicht die Vollendung des 40.Zuges anzeigen darf (der Schiedsrichter natürlich nicht). Nun stellt sich eher die Diskussion: Warum spielen wir in Deutschland ohne Zugzähler, wenn das doch im überwiegenden Teil der FIDE möglich ist. Eine deutsche Sonderregelung ?

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Re: Mitschreibpflicht

Beitrag von dfuchs » 19.06.2015, 11:22

Ja, die Anweisung ohne Zugzähler im Fischermodus zu spielen ist eine deutsche, aber auch im Ausland wird meines Wissens nach bei der !klassichen Bedenkzeit! ohne Zugzähler gespielt.

Das kann aber nicht die komplette Auflösung der Frage sein, da wir in diesm Fall konkret ohne Zugzähler spielen.

Grüße Daniel

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