Unsauber gezogen

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thomas.soergel
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Unsauber gezogen

Beitrag von thomas.soergel » 14.10.2016, 11:05

Letzte Woche gab es bei unserem Monatsblitzturnier (5 min./Partie) folgenden Streitfall:
Schwarz zieht 1. ... Sc5-d3+, Weiß antwortet 2. Dd8+, drückt die Uhr, worauf Schwarz auf Gewinn wegen des irregulären Zuges reklamiert. Soweit an sich alles klar.
Weiß reklamiert nun seinerseits, dass der Springer nicht auf d3, sondern auf d4 stand. Ein Zuschauer rückt zu allem Überfluss auch noch den Springer Richtung d3, danach war dann der Teufel los.
Nachdem sich alles wieder beruhigt hatte, versuchte man Licht ins Dunkel zu bringen. Fest stand am Ende, dass der Springer auf c5 gestanden hatte und Richtung d3 bewegt wurde.
Strittig war, ob er nun auf d3 1/3, d3 2/5 oder d3 1/2 gestanden hatte, sprich, er ragte in das Feld d4 rein.
Was ist hier die Rechtslage? Weiß meinte später, ob man nicht Art. 7.6 hätte anwenden können und die Partie mit der Stellung mit dem Springer auf c5 hätte wieder aufnehmen sollen.
M.E. wohl eine mögliche Lösung. Oder war der Zug Sd3+ schon irregulär ausgeführt, da er das Feld d4 berührte, in welchem Ausmaß auch immer?
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Re: Unsauber gezogen

Beitrag von Daniel Hendrich » 14.10.2016, 15:29

Ich habe es so gelernt, dass entscheidend ist, auf welchem Feld die Figur mehrheitlich steht. Ein 100% exaktes Ziehen ohne Berühren eines anderes Feldes bekomme ich im Blitzschach selbst nicht hin :mrgreen:
Daher würde ich in dem Fall im Zweifel für den Angeklagten gelten lassen, dass er korrekt Sd3+ gezogen hat.
Daniel Hendrich

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Re: Unsauber gezogen

Beitrag von JoergWeisbrod » 14.10.2016, 15:57

7.6 ist für später bemerktes unabsichtliches Verrücken von Figuren gedacht.
Daher besteht auch keine Pflicht, mit der verrückten Figur zu ziehen.
Wenn also hier 7.6 angewandt würde, bräuchte Schwarz den Springer gar nicht mehr zu ziehen.
Ich würde das in diesem Fall nicht wollen (als SR und als Weiß).

Bei keiner dieser Varianten (d3 1/3, d3 2/5, d3 1/2) kann Weiß einfach davon ausgehen, dass der Springer auf d4 steht.
Er hätte auch Gelegenheit gehabt, vor seinem Zug den schwarzen Springer nach d4 zurechtzurücken, hat es aber nicht getan.

Auch für mich gewinnt hier Schwarz wegen abgeschlossenen, regelwidrigen Zuges des Weißen.
Ob Sd3+ "irregulär ausgeführt" war, dürfte unerheblich sein, da Weiß ihn weder zurechtgerückt, noch reklamiert hat, bevor er selbst einen Zug gemacht (und die Uhr gedrückt) hat.

Schwieriger wird es, wenn es auch d3 3/5 hätte sein können, aber das war ja hier nicht erwähnt.
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Re: Unsauber gezogen

Beitrag von Eckart » 14.10.2016, 19:27

Daniel Hendrich hat geschrieben:Ich habe es so gelernt, dass entscheidend ist, auf welchem Feld die Figur mehrheitlich steht. Ein 100% exaktes Ziehen ohne Berühren eines anderes Feldes bekomme ich im Blitzschach selbst nicht hin :mrgreen:
Daher würde ich in dem Fall im Zweifel für den Angeklagten gelten lassen, dass er korrekt Sd3+ gezogen hat.
Einen "Angeklagten" gbt es hier nicht, der Vergleich geht fehl. Beweislastgrundsätze aus dem Strafrecht sind für rein zivilrechtliche Streitfälle unanwendbar.
JoergWeisbrod hat geschrieben:7.6 ist für später bemerktes unabsichtliches Verrücken von Figuren gedacht.
Daher besteht auch keine Pflicht, mit der verrückten Figur zu ziehen.
Das ergibt sich aus 7.6 gerade nicht. Soll das absichtliche Verrücken etwa nicht mehr korrigiert werden können?

Da der Zuschauer im wahrsten Sinne des Wortes in die Partie eingegriffen hat, kann sich der Schiedsrichter keine eigene Überzeugung davon bilden, wo der Springer zu stehen gekommen ist.

Ich kann im Moment nicht erkennen, dass das unsaubere Platzieren im Regelwerk explizit geregelt ist (wenn man denn 7.6 nicht anwenden möchte). Also bietet es sich an, 7.6 analog anzuwenden. Warum Berührt-geführt nicht gelten solle, erschließt sich mir nicht. Selbstverständlich muss Schwarz den Springer ziehen.

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Re: Unsauber gezogen

Beitrag von JoergWeisbrod » 14.10.2016, 19:38

Das ergibt sich aus 7.6 gerade nicht. Soll das absichtliche Verrücken etwa nicht mehr korrigiert werden können?
Da hast Du natürlich recht. Auch das absichtliche muss korrigiert werden.
7.6 gilt also für jegliches Verschieben von Figuren.
Jedoch nicht für gezogene Figuren: Für die ist Artikel 3, 4 und 7.5 zuständig.
Da der Zuschauer im wahrsten Sinne des Wortes in die Partie eingegriffen hat, kann sich der Schiedsrichter keine eigene Überzeugung davon bilden, wo der Springer zu stehen gekommen ist.
Warum nicht? Er muss es sogar. Er kann es nur nicht mehr selbst sehen.
Ich kann im Moment nicht erkennen, dass das unsaubere Platzieren im Regelwerk explizit geregelt ist (wenn man denn 7.6 nicht anwenden möchte). Also bietet es sich an, 7.6 analog anzuwenden. Warum Berührt-geführt nicht gelten solle, erschließt sich mir nicht. Selbstverständlich muss Schwarz den Springer ziehen.
Ich finde nicht, dass sich das anbietet. Und natürlich muss er den Springer ziehen, da er ihn zum Zwecke des Ziehens berührt hat.
Aber er hat ihn nicht verschoben!
Jörg

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