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Regelwidrige Umwandlung

Verfasst: 17.05.2017, 08:46
von realpatzer
In einem U10-Turnier beobachtete ich als Schiedsrichter folgende Situation:

Spieler A zieht den Bauern auf das Umwandlungsfeld, schreibt den Zug auf und drückt dann die Uhr. Bevor ich eingreifen konnte schlug Spieler B den Bauern und drückte seinerseits die Uhr. Daraufhin entschied ich mich nicht mehr einzugreifen, da meiner Meinung nach die Unruhe, die dadurch entstanden wäre das Turnier gestört hätte und die Spieler verunsichert worden wären.

Im Nachhinein bin ich mir nicht mehr so sicher ob ich nicht doch hätte eingreifen müssen, damit die Spieler die korrekte Vorgehensweise lernen.
Ich bin dankbar für Eure Hinweise.

Gruß Burkhard

Re: Regelwidrige Umwandlung

Verfasst: 17.05.2017, 11:55
von VerenaMeier
@realpatzer

Ich denke, so wie Du es gemacht hast, war das nicht nur ok sondern genau richtig (höchstens hättest Du sie nach der Partie darauf hinweisen können/sollen).
Die Kiddies können ruhig zunächst mal richtig Schachspielen lernen, bevor man sie mit solchen o.ä. Formalien traktieren muss. Wenn sie bei der Stange bleiben, lernen sie es zwangsläufig ... spätestens dann, wenn's zum ersten Mal richtig weh tut. :lol:

Re: Regelwidrige Umwandlung

Verfasst: 17.05.2017, 12:27
von GiantPanda
Ich schließe mich an, mehr als einen kurzen Hinweis nach Partieende sollte es hier nicht geben.

Bei Kinderturnieren braucht man manchmal ein bißchen Fingerspitzengefühl beim Abwägen von Spielfluß, Spielspaß und strengem Anwenden der Regeln.

Re: Regelwidrige Umwandlung

Verfasst: 17.05.2017, 12:28
von hoppepit
VerenaMeier hat geschrieben:Ich denke, so wie Du es gemacht hast, war das nicht nur ok sondern genau richtig (höchstens hättest Du sie nach der Partie darauf hinweisen können/sollen).
So sehe ich das auch!

Re: Regelwidrige Umwandlung

Verfasst: 17.05.2017, 16:20
von Werner
A hat einen regelwidrigen Zug vollständig abgeschlossen. Natürlich MUSS der Schiedsrichter hier eingreifen. Mir ist schleierhaft, wie man dazu als ausgebildeter Schiedsrichter anderer Meinung sein kann.

Was, wenn B kurz darauf wegen der unterbliebenen Zeitgutschrift die Zeit überschritten und sein zuschauender Betreuer - der sich korrekt aus der noch laufenden Partie herausgehalten hat - nach der Verlusterklärung darauf hingewiesen hätte? Dann hätte es aber erst recht Unruhe gegeben.

Bei Kinderturnieren andere Maßstäbe anzulegen - "Fingerspitzengefühl" statt FIDE-Regeln -, geht nur, falls in der Ausschreibung ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass die Regeln "kindgerecht"o. ä. ausgelegt werden, was natürlich wie jeder Gummiparagraph nicht recht zu befriedigen vermag. Gesehen habe ich z. B. schon Ausschreibungen für Kinder-Schnellturniere, nach denen der 1. regelwidrige Zug nicht verlieren soll.

Re: Regelwidrige Umwandlung

Verfasst: 17.05.2017, 20:58
von VerenaMeier
@Werner

Wenn der Betreuer neben dem Brett steht, achte ich auf den Betreuer und nicht auf das Brett. :lol:

Im Ernst ... formal betrachtet hast Du ja Recht. Wenn andererseits (wie in unserem Fall ... ich gehe davon aus, es war nicht gerade eine WM und würde wetten, die beiden Kids hatten Restbedenkzeit bis zum Abwinken) das Eingreifen des Schiris de facto nichts anderes bewirkt als ein Stören der Spieler nebst näherer Umgebung, sollte dieser schon souverän genug sein, sich nicht wie ein Elefant im Porzellanladen zu benehmen und stattdessen auch mal etwas 'nicht beobachtet' zu haben.

Re: Regelwidrige Umwandlung

Verfasst: 17.05.2017, 21:08
von hoppepit
VerenaMeier hat geschrieben:Im Ernst ... formal betrachtet hast Du ja Recht. Wenn andererseits (wie in unserem Fall ... ich gehe davon aus, es war nicht gerade eine WM und würde wetten, die beiden Kids hatten Restbedenkzeit bis zum Abwinken) das Eingreifen des Schiris de facto nichts anderes bewirkt als ein Stören der Spieler nebst näherer Umgebung, sollte dieser schon souverän genug sein, sich nicht wie ein Elefant im Porzellanladen zu benehmen und stattdessen auch mal etwas 'nicht beobachtet' zu haben.
Vollste Zustimmung!!

Re: Regelwidrige Umwandlung

Verfasst: 18.05.2017, 08:34
von dfuchs
Ich finde, dass es hier kein richtiges Verhalten gibt.
Es gibt ein korrektes und ein gutes.

Nehmen wir einmal an, es wäre ein Schnellschachturnier gewesen, dann hat der Spieler durch die abgeschlossene unvollständige Umwandlung die Partie verloren.
Ein irregulärer Zug ist, einfach aufgrund der nachfolgenden Konsequenzen, etwas bei dem ich in der Regel sehr bald eingreife.

ABER es gibt ja auch die Guidelines for tournaments with inexperienced players. Dort wird empfohlen, dass irreguläre Züge dem Alter und Erfahrung entsprechend behandelt werden sollen und nicht immer verlieren müssen (nach Turnierart natürlich).

In einem reinen U10 Turnier, in dem auch wirklich unerfahrene Spieler spielen, kann ich mir also vorstellen, dass man hier den erzieherischen Ansatz wählen sollte.
Der ist aber gar nicht so einfach zu sehen. Kinder verarbeiten Informationen in unterschiedlichem Alter unterschiedlich. So bringt es einem 6 oder 7 jähirgen Kind weniger so etwas nach der Partie zu erklären, da es sich wahrscheinlich an den Vorfall, sofern beide den Regelverstoß gar nicht als solchen bemerkt haben, nicht erinnern werden können. Das kann bei etwas älteren Kindern schon wieder anders aussehen.

Ein weiteres großes Problem ist, dass in vielen Vereinen das Einziehen, Uhr drücken, schlagen noch gelebte Praxis ist.

Ich denke den besten erzieherischen Effekt hätte man, wenn man tatsächlich direkt eingreift. Die Uhr anhält und erklärt, was gerade schief gelaufen ist. Dann aber von weiteren Strafen insbesondere auf den Verlust im Wiederholungsfall verzichtet.
Nun muss dieser Effekt noch gegen die Störung der Nachbarbretter abgewogen werden.

Insgesamt kann ich hier drei Entscheidungen akzeptieren:
1. Nicht eingreifen, aber beide Spieler nach der Partie auf den Regelverstoß aufmerksam machen und erklären, was beide Seiten hätten besser machen können.
2. Direkt eingreifen, aber nicht strafen sondern nur erklären.
3. Entscheidung nach den FIDE-Regeln (natürlich).

In einer Prüfungssituation bis einschließlich NSR würde ich übrigens nur 3 als korrekt werten (nächste Woche nehme ich eine RSR Prüfung ab).

Als Schiedsrichter sind wir dem Turnier und dem Schach verpflichtet. Wenn wir durch unsere Entscheidungen den Spaß am Spiel verderben ohne das das Turnier in irgendeiner Form gefährdet ist, dann haben wir eine schlechte Entscheidung getroffen.

Grüße Daniel

Re: Regelwidrige Umwandlung

Verfasst: 18.05.2017, 18:04
von Alexander
Auf den Schiedsrichterlehrgängen, teilt man den Schiedsrichtern immer mit, dass es keine Kindgerechte-Regelauslegung gibt!
Somit bleibt nur
3. Entscheidung nach den FIDE-Regeln (natürlich).
übrig.
Was, wenn es Erwachsene gewesen wären? Hätte man da auch nicht eingegriffen? Nur weil es Kinder sind, greift man nicht ein?
Klar, es war ein ungültiger Zug. Die Umwandlungsfigur stand nie auf dem Brett! Was passiert, wenn man nicht eingreift und die Schachspieler (Kinder) machen es nach Jahren noch genauso? Dann würde man sich wünschen, dass man vor Jahren eingegriffen hätte. Oder? Ich kenne da das ein oder andere Beispiel: Zug ausführen mit der rechten Hand und Uhr drücken mit der linken Hand; Bauernumwandlung: Bauer zieht auf die Grundreihe, Uhr wird gedrückt, Bauer wird entfernt und neue Figur hingestellt; Rochade wird mit zwei Händen ausgeführt, Zug im Voraus notieren, ...
Normalerweise gehört in jedem Mannschaftskampf ein neutraler Schiedsrichter her. Wenn man den Kindern solche oben geschriebenen Sachen durchgehen lässt, hat man später, wenn sie Erwachsen sind, dann die Probleme. Ob man hinterher etwas sagt oder gleich, in beiden Fällen hat man was gesagt! Also kann man es auch gleich tun, so wie es die Schachregeln vorgeben.

Gruß
Alexander

Re: Regelwidrige Umwandlung

Verfasst: 18.05.2017, 19:01
von dfuchs
Wenn es ein Erwachsenenturnier ist mit ausschließlich Anfänger, ja dann mache ich das auch anders.

Und zum Thema es gibt keine kindgerechte Auslegung der Regeln:
http://rules.fide.com/component/content ... ayers.html

Grüße Daniel

Re: Regelwidrige Umwandlung

Verfasst: 19.05.2017, 15:47
von Daniel Hendrich
Werner hat geschrieben:A hat einen regelwidrigen Zug vollständig abgeschlossen. Natürlich MUSS der Schiedsrichter hier eingreifen. Mir ist schleierhaft, wie man dazu als ausgebildeter Schiedsrichter anderer Meinung sein kann.
Weil es - zum Glück - so etwas wie Fingerspitzengefühl und die kindgerechte Auslegung der Schachregeln gibt. Daniel Fuchs hat ja schon alles Wesentliche dazu gesagt.

Ich bin u. a. deshalb als Schiedsrichter für Jugendturniere ungeeignet, da ich es zwar gut finde, wenn man bei Kindern nicht so streng ist, es aber in der Praxis selbst nicht anwenden kann :lol:

Re: Regelwidrige Umwandlung

Verfasst: 24.05.2017, 17:48
von Downunder
Hi,

Wir veranstalten jedes Jahr ein Jugenschnellschach open. Bei u10 verliert der dritte u12 der zweite und bei den älteren der erste unmögliche vollendeter Zug.
Alles andere wäre warnsinn.
Natürlich gehe ich als RSR ansonsten nach der Fide Regeln.
Erster vollendeter unmöglicher Zug verliert, es sein denn, dass es dem Gegner ist es nicht möglich, in einer Folge von regelmäßigen Zügen den König mattzusetzen.

Dann ist die Partie Remis.
Gruß
R.

Re: Regelwidrige Umwandlung

Verfasst: 25.05.2017, 09:54
von VerenaMeier
Downunder hat geschrieben:Hi,

Wir veranstalten jedes Jahr ein Jugenschnellschach open. Bei u10 verliert der dritte u12 der zweite und bei den älteren der erste unmögliche vollendeter Zug.
Alles andere wäre warnsinn.
Natürlich gehe ich als RSR ansonsten nach der Fide Regeln.
Erster vollendeter unmöglicher Zug verliert, es sein denn, dass es dem Gegner ist es nicht möglich, in einer Folge von regelmäßigen Zügen den König mattzusetzen.

Dann ist die Partie Remis.
Gruß
R.
Was ist eigentlich an dem Begriff 'regelwidrig' so schwierig? Vielleicht, dass man ihn tunlichst nicht mit 'ie' schreiben sollte? :?

Re: Regelwidrige Umwandlung

Verfasst: 25.05.2017, 11:21
von Downunder
Wer schreibt den "regelwidrig" mit "ie"?

Konnte ich bisher noch nicht feststellen...

Egal, so sei es....

Unmöglicher Zug

Verfasst: 30.05.2017, 10:33
von thomas.soergel
Klingt zwar wie Haarspalterei, aber ein unmöglicher Zug ist nicht dasselbe wie ein regelwidriger Zug. Alleine schon die Tatsache, dass ein regelwidriger Zug durchaus wirksam werden kann, so ihn weder SR noch Spieler bemerken, zeigt, dass er nicht unmöglich ist.