Zeitstrafe bei nicht korrekter Notation?

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Wolfgang Hettler
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Zeitstrafe bei nicht korrekter Notation?

Beitrag von Wolfgang Hettler » 17.12.2007, 15:49

Mir wurde jetzt ein Fall aus der 2BL bekannt, in dem ein Spieler (mit Rest 6 min. bis zu Zeitkontrolle) einen "Generalabtausch" nicht sofort notiert hat. Sein Gegenspieler (mit 2 min. bis zur Zeitkontrolle) hat nicht reklamiert. Der Schiedsrichter hat jedoch sofort eingegriffen als der Spieler die ganzen Schlagzüge notiert hat und dem Gegenspieler eine Zeitgutschrift von 2 min. gegeben. Als Strafe für den Spieler der nicht mitgeschrieben hat.
Das Verhalten von dem Spieler mit Rest 6 min. war bestimmt nicht korrekt, aber ich meine auch der Schiedsrichter hat sich daneben benommen.
- Beide Spieler stehen unter Druck, man kann das Spiel bis Blättchenfall laufen lassen und dann eine Ermahnung oder Verwarnung aussprechen.
- Eine Zeitstrafe scheint mir auf keinem Fall angebracht und auch nicht mit den FIDE Regeln zu erklären.
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Georg Heinze
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Beitrag von Georg Heinze » 17.12.2007, 16:41

Also, ich sehe 2 Sachverhalte:
1. Lt. Art. 8. der FIDE-Regeln ist jeder Spieler zum Aufschreiben der Züge verpflichtet. Wann und wie das zu geschehen hat und welche Ausnahmen es gibt, steht hier geschrieben.
2. Im Art. 13. ist der Aufgabenbereich des Schiedsrichters beschrieben.
Er hat auf das strikte Einhalten der Schachregeln zu achten. (13.1) Im beschriebenen Fall also, dass Spieler A aufschreibt. Unter 13.2 steht geschrieben, dass er im besten Interesse des Wettkampfes zu handeln hat und unter 13.4. sind die möglichen Strafen beschrieben. Wenn es, wie beschrieben der erste und einmalige Vorfall war, ist eine Verwarnung m.E. völlig ausreichend. Das Verlängern der Restbedenkzeit des Gegners halte ich für überzogen und für eine deutliche Bevorteilung des Gegners in der Zeitnotphase.
Eine ganz andere Frage ist, wie man gegen ungerechtfertigte Entscheidungen des SR vorgehen kann.

Klaus
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Beitrag von Klaus » 18.12.2007, 10:52

Georg Heinze hat geschrieben:Das Verlängern der Restbedenkzeit des Gegners halte ich für überzogen und für eine deutliche Bevorteilung des Gegners in der Zeitnotphase.
In Artikel 13 ist allerdings auch aufgeführt, dass "der Schiedsrichter eine oder mehrere der folgenden Strafen verhängen kann". Somit hat der Schiedsrichter einen Freiraum bei seiner Entscheidung. Meiner Meinung nach ist die Zeitstrafe ok und nicht überzogen (überzogen empfände ich Maßnahmen nach Art. 13.4 d-g), allerdings würde ich auch eher den Spieler zur korrekten Notation auffordern und ihm bei weiterem Fehlverhalten eine Strafe gemäß Art. 13.4 androhen.
Eine ganz andere Frage ist, wie man gegen ungerechtfertigte Entscheidungen des SR vorgehen kann.
Überhaupt nicht, da es eine Tatsachenentscheidung ist, die nicht anfechtbar ist. Die einzige Möglichkeit wäre ein System wie im Fußball, bei dem die Leistungen der Schiedsrichter beurteilt werden und sie in entsprechende Spielklassen eingeteilt werden. Wer also schlechte Leistungen bringt darf z.B. nicht mehr Bundesligakämpfe leiten.

Georg Heinze
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Beitrag von Georg Heinze » 18.12.2007, 11:48

Klaus schrieb:
Somit hat der Schiedsrichter einen Freiraum bei seiner Entscheidung
Richtig!
Unter 13.2. steht aber auch geschrieben:
Der Schiedsrichter handelt im besten Interesse des Wettkampfes.
Und unter 13.4. steht:
Der Schiedsrichter kann eine oder mehrere der folgenden Strafen verhängen:
Die Betonung liegt auf KANN!
Bei diesem eingangs geschilderten harmlosen Vorfall mache ich den Spieler auf sein Vergehen aufmerksam. Wenn der Spieler den "freundlichen" Hinweis ignoriert, habe ich immer noch Sanktionsmöglichkeiten.
Es ist im übrigen falsch, dass man sich gegen offensichtliche Fehlentscheidungen des Schiedsrichters nicht wehren kann.
Man denke nur daran, der Schiedsrichter hätte auf Partieverlust entschieden! (13.4 d)).
Meine Meinung: man sollte nicht immer gleich den Holzhammer holen!

dfuchs
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Beitrag von dfuchs » 18.12.2007, 18:43

Vielleicht hat der Schiedsrichter ja den nichtschreibenden Spieler bereits vorher einmal ermahnt?

Denn zumindest eine Ermarnung bekommt man, wenn man nicht direkt beteiligt ist, nicht immer mit.

Gruß Daniel

Eckart
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Beitrag von Eckart » 18.12.2007, 18:49

Ich denke, der Schiedsrichter hat vollkommen korrekt gehandelt.

Die Rechtsgrundlagen für seine Entscheidung hat Georg Heinze schon genannt.

Ich zitiere insbesondere aus Artikel 8.1:

"Er muss seinen eigenen vorangegangenen Zug aufzeichnen, bevor er einen neuen macht."

Das hat der bestrafte Spieler im vorliegenden Fall nicht getan, sondern die Uhr des Gegners in Gang gesetzt, obwohl er es in diesem Moment nicht durfte. Das ist durchaus keine "Kleinigkeit". Da schon das Überschreiten der Bedenkzeit um nur den Bruchteil einer Sekunde zum Partieverlust führt, hat der Gegner Anspruch auf Kompensation der verlorenen Bedenkzeit. "Delikte an der Uhr sind mit der Uhr zu ahnden." meinte jemand im letzten Schiedsrichterlehrgang. Zeitgutschrift für den Gegner war daher völlig angemessen, ob nun zwei Minuten oder nur eine, das liegt im Ermessen des Schiedsrichters.

Derartiges Fehlverhalten beobachtet man häufig bei Spielern in dem Moment, in dem der Gegner in Zeitnot ist. Würde gegen diese Schwindeleien entschieden durchgegriffen werden, würden sie nicht so häufig vorkommen!!



Ob und inwieweit Schiedsrichterentscheidungen angefochten werden können, bemisst sich nicht daran, ob sie "offensichtlich" falsch sind, sondern zunächst einmal daran, ob die entsprechende Turnierordnung eine Einspruchsmöglichkeit vorsieht. (Zu beachten ist allerdings Art. 10.2 d - Entscheidungen nach Art. 10.2 a) bis c) sind unanfechtbar.)

Dann kommt es darauf an, ob der Schiedsrichter einen Regelverstoß begangen hat. (Eine Verlusterklärung im vorliegenden Fall erschiene mir unverhältnismäßig und wäre daher aufzuheben.)
Hier jedoch kann dem Schiedsrichter ein Ermessensfehler nicht nachgewiesen werden. Daher würde ein Schiedsgericht niemals eine Ermessensentscheidung durch eine andere Ermessensentscheidung ersetzen, sondern den Protest zurückweisen.

Georg Heinze
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Beitrag von Georg Heinze » 18.12.2007, 23:03

Was Eckart schreibt. hat Hand und Fuß.
er ist sicher ein ausgebildeter Schiedsrichter mit langjähriger Erfahrurung.
Sicher kann man es so sehen oder so. Für mein Empfinden wäre die Entscheidung des SR zu hart, aber man kann es auch anders sehen.
Natürlich gibt es für eine "Tatsachenentscheidung" wie im vorliegenden Fall, kaum eine Möglichkeit dagen vorzugehen, egal was die hierfür zuständige TO hierfür an Einspruchsmöglichkeiten vorsieht.

Klaus
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Beitrag von Klaus » 20.12.2007, 09:42

Georg Heinze hat geschrieben:Sicher kann man es so sehen oder so. Für mein Empfinden wäre die Entscheidung des SR zu hart, aber man kann es auch anders sehen.
Meiner Meinung nach ist es wichtig, dass das Regelwerk dem Schiedsrichter Spielraum bei seinen Entscheidungen lässt. Jeder Schiedsrichter wird obige Situation anders bewerten und entweder sofort durchgreifen (Zeitstrafe) oder es bei einer Verwarnung belassen.

Mirko Humme
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Beitrag von Mirko Humme » 20.12.2007, 16:21

Ich hatte bei der Hessenmeisterschaft 2007 folgenden Fall: Wie gewohnt mache ich meine Runden, um mir ein Bild machen zu können, wo es in beidseitigen Zeitnotphasen brennen könnte, um ggf. Assistenten berufen zu können.

Ich gehe gerade an einem Brett vorbei, wo ein Spieler (2 Minuten auf der Uhr) seine Uhr anhält, und reklamiert, dass sein Gegner (30 Minuten auf der Uhr) nicht mehr mitschreibt, und munter mitblitzt. Die Kontrolle der Partieformulare ergab, dass der Spieler mit weniger Bedenkzeit zwar mitstrichelte, aber der Gegner nicht die Züge mitschrieb. Nach Angabe des gestricheltten Partieformulars von Schwarz waren 35 Züge gemacht worden, Weiß schrieb ab dem 32. Zug nicht mehr mit.

Ich liess die Partie auf einem neutralen Brett nachspielen, gab Schwarzann d2 Minuten hinzu (analog einer Zeitstrafe wegen eines regelwidrigen Zuges) und zog Weiß 5 Minuten ab und liess die Partie vor meinem SR-Tisch unter Aufsicht weiterspielen.

13.4 gibt mir die Möglichkeit, sowohl die Bedenkzeit des Spielers, der nicht mehr mitschreibt zu verkürzen als auch die Bedenkzeit des Spielers, der sich in Zeitnot befindet, und daraus einen Nachteil erlangt, zu verlängern!

Georg Heinze
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Beitrag von Georg Heinze » 20.12.2007, 18:11

Im vorliegenden Fall kann ich die Entscheidung nachvollziehen.
Wenn man noch 30 min hat, kann man ohne weiteres die 8 noch fehlenden Zühe mitschreiben.
Allerdings: wo bleibt der Assistent, der die Züge des Spielers in Zeitnot mitschreibt?
Wir hatten hier schon einen Fall diskutiert, wo auch nicht mitgeschrieben wurde, aber KEIN SR anwesend war. Da ließ sich die Stellung nicht mehr rekonstruieren.

Klaus
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Beitrag von Klaus » 21.12.2007, 12:53

Georg Heinze hat geschrieben:Allerdings: wo bleibt der Assistent, der die Züge des Spielers in Zeitnot mitschreibt?
Wenn nur einer der beiden Spieler in Zeitnot ist, ist kein Assistent vorgesehen, der mitschreibt. Art. 8.5 a der FIDE-Regeln ist diesbezüglich eindeutig:
8.5 a) Wenn gemäß Artikel 8.4 kein Spieler mehr mitschreiben muss, soll, wenn
möglich, der Schiedsrichter oder ein Assistent anwesend sein und mitschreiben.
Solange ein Spieler nicht in Zeitnot ist, obliegt ihm die Pflicht seine Züge mitzuschreiben!

Georg Heinze
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Beitrag von Georg Heinze » 21.12.2007, 14:17

Völlig richtig!
Es steht aber auch nicht geschrieben, dass die Züge des in Zeitnot Befindlichen nicht notiert werden dürfen (von einem Assistenten). Wenn man z.B. ein Remis wegen 3-maliger Stellungswiederholung reklamieren will, ist es schon gut, wenn man das auch nachweisen kann.

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Beitrag von realpatzer » 07.01.2008, 20:24

Georg Heinze hat geschrieben:...
Es steht aber auch nicht geschrieben, dass die Züge des in Zeitnot Befindlichen nicht notiert werden dürfen (von einem Assistenten). Wenn man z.B. ein Remis wegen 3-maliger Stellungswiederholung reklamieren will, ist es schon gut, wenn man das auch nachweisen kann.
In Mannschaftskämpfen und Turnieren in denen ich als Schiedsrichter fungiere unterbinde ich voreiliges Mitschreiben.
Im Schach geht es nicht um Leben oder Tod -
es geht um mehr

Werner
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Beitrag von Werner » 08.01.2008, 00:08

Das mache ich genauso.

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