Spieler, Schiedsrichter oder Zuschauer?

Werner
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Beitrag von Werner » 19.02.2008, 01:22

An Georg Heinze:

Auf einen Beitrag vom "27.02." habe ich gewiss nicht verwiesen.

Vielleicht liest du meinen Beitrag vom 17.02.2008, 15:45 Uhr nochmals GANZ durch und beschränkst dich nicht darauf, allein den ersten Absatz, aus dem Zusammenhang reißend, zu zitieren, um dann Unverständnis vorzugeben.

Nein, besser, ich schreib gleich noch einmal alles hier hin:

"Wenn z. B. Artikel 8.2 anordnet, dass der Schiedsrichter das Partieformular einsehen können muss, andererseits einem in Zeitnot befindlichen Spieler der Blick auf das Formular des Gegners verwehrt ist, schließt das eine Personalunion zwischen "Schiedsrichter" und "Spieler" aus."


Da der Begriff "Mannschaftsführer" in den FIDE-Regeln nicht existiert, kann eine Vorschrift, die Rechte und Pflichten eines Mannschaftsführers definiert, für sich allein nicht gegen FIDE-Regeln verstoßen. Derartiges habe ich auch nie behauptet.

Werner
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Beitrag von Werner » 19.02.2008, 01:53

[quote="Georg Heinze"]
In den meisten TO, die ich kenne, ist aufgeführt, dass, wenn kein neutraler SR anwesend ist, der oder die ML / MF deren Aufgabe wahrzunehmen haben. Natürlich sind deren Rechte beschränkter.[/quote]


In welcher TO, und in welcher Weise "natürlich" "beschränkter"?
Außer dem Bremer Beíspiel

"21.1 ... so sind beide Mannschaftsführer gemeinsam Schiedsrichter."

dem ich nun irgendeine "Beschränkung" gerade nicht entnehmen kann, wurde hier noch kein konkretes Beispiel angeführt.


Was heißt "beschränkter"? Dürfen ML / MF etwa keine Strafen verhängen, oder ist der Aufgabenbereich nach Artikel 13 in irgendeiner Weise eingeengt? Außer dass anstelle von Art. 10.2 Anhang D gelten solle, habe ich hier noch nichts dazu gelesen. In welcher TO steht etwas von "beschränkten Rechten"?
Und "natürlich" ist schon gar nichts, sonst würden wir darüber nicht so diskutieren.

dfuchs
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Beitrag von dfuchs » 19.02.2008, 10:50

Nun versuche ich noch eine letzte Argumentation mit einem zugegebenermaßen Totschlagargument:

Die FIDE Regeln berücksichtigen einfach nicht die volle Komplexität eines Mannschaftskampfes, da sie nur für einzelne Partien geschrieben ist.

In einer einzelnen Partie wiederum kann nie einer der Spieler der Schiedsrichter sein (ich weiß gängige Praxis - playing Captain ).

Ich behaupte, dass es Anhang D eher für folgendes Beispiel gibt:
Stadtmeisterschaft eines Vereins, zwei Spieler spielen bis Nachts um 2 und der TL /SR hat keine Lust so lange dabei zu bleiben => 10.2 ohne Anwesenheit eines SR.

Ich behaupte weiterhin, dass es die Aufgabe der jeweiligen TOs ist, einen Mannschaftskampf so weit zu regeln, dass nur noch 8 Einzelpartien übrigbleiben, über die geschiedsrichtert (gibt es dieses Wort?) werden muss. Deshalb muss jede TO auch die Schiedsrichteraufgaben regeln, die eben sich eben mit dem Mannschaftskampf beschäftigen (Aufstellungsfehler, fehlendes Material, ... ). Für solche Entscheidungen den/die Mannschaftsführer zu nehmen ist durchaus sinnvoll.
Da aber gerade ein ( oder auch beide ) spielenden Mannschaftsführer nicht und niemals "echte" Schiedsrichter sein können, sollte genauso klar sein.

Es gibt also durchaus zwei (wahrscheinlich noch mehr) Definitionen des Begriffs Schiedrichter. Auch sollten die Rechte und Pflichten eines Schiedsrichters in der jeweiligen TO definiert sein.

Gerade hier sind aber einfach Lücken vorhanden, da es
1. die TO extrem verkomplizieren würde (viele Ausnahmen, wenn kein neutraler SR da ist)
2. die TO dann entweder dem nicht neutralen Schiedsrichter, der Ahnung hat, oder den TL in seinen Befugnissen einschränken würde, was wiederum zu einem deutlichen Anstieg der Arbeiten höherer Instanzen führen würde.

Die gängige Praxis ist mit Sicherheit nicht rechtlich unbedenklich und wahrscheinlich noch nicht einmal sonderlich glücklich. Aber sie funktioniert und das in vielen Fällen schon seit Jahren.

Wie sie ersetzt werden kann, habe ich bereits in anderen Beiträgen geschrieben.

Gruß Daniel

Georg Heinze
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Beitrag von Georg Heinze » 19.02.2008, 16:16

@Werner:natürlich war der 17.02. gemeint, sorry.
Aber, wenn wir nun auch noch alle Schreibfehler analysieren wollten ...
lassen wir das.
Im übrigen bis ich froh, dass mir dfuchs einiges mit seiner Anzwort abgenommen hat.

Außer in der Bremer TO steht auch in anderen TO etwas darüber, wie bei Nichtanwesenheit eines SR verfahren wird.
Beispielsweise in der Sächsischen WTO:
2.11. Bei Mannschaftskämpfen wird der Schiedsrichter durch den gastgebenden Verein gestellt. Erfolgt dies nicht oder ist der eingesetzte Schiedsrichter nicht erschienen, übernehmen beide Mannschaftsleiter diese Funktion. Es ist immer eine Entscheidung zu treffen, um eine ordnungsgemäße Durchführung bzw. Fortsetzung des
Wettkampfes zu sichern. Können sich die Mannschaftsleiter nicht auf einen
gemeinsamen Standpunkt einigen, gilt die Entscheidung des Beauftragten der Gastmannschaft.
Der genaue Sachverhalt und die getroffene Entscheidung sind auf dem Spielbericht zu vermerken und von beiden Mannschaftsleitern zu unterschreiben.
Es ist auch hier nachzulesen, dass zwar in jedem Fall eine Entscheidung zu fällen ist, damit der Wettkampf beendet werden kann. Aber die Entscheidung des/der ML hat nicht die gleiche Bedeutung wie die eines neutralen SR. Zur Not muss dann eben der Staffelleiter / Turnierleiter die endgültige Entscheidung fällen oder revidieren.
Dass die Einschränkung eines ML, der als SR wirken soll, gegeben ist, hast Du mit Deinem Beispiel zu 8.2. selbst gegeben und es gibt noch eine Reihe weiterer Sachverhalte. Deswegen mein "eingeschränkt" und "natürlich".
An sich habe ich vorausgesetzt, dass wir hier im SRK-Forum nicht alle Selbsverständlichkeiten nochmals diskutieren müssen, sondern dass man wirkliche Probleme mal sachlich diskutieren kann. Das war im DSB-Forum mitunter nur noch eingeschränkt möglich, weshalb ich mich dort weitestgehend zurückgezogen habe.

dfuchs schrieb:
Ich behaupte, dass es Anhang D eher für folgendes Beispiel gibt:
Stadtmeisterschaft eines Vereins, zwei Spieler spielen bis Nachts um 2 und der TL /SR hat keine Lust so lange dabei zu bleiben => 10.2 ohne Anwesenheit eines SR.
Also, wenn die FIDE nun ausgerechnet ein solches Beispiel für den Anhang D im Auge hatte ...
Ich halte zwar eine solche Situation nicht für absolut ausgeschlossen, auch wenn ich so etwas noch nie erlebt habe, aber für so eine Ausnahmesituation extra einen Anhang zu bemühen... Dann wäre es doch erst recht logisch, für die Fälle, die weit öfters auftreten (können), ebensolche Regeln oder Anhänge zu verfassen, beispielsweise einen Anhang mit Festlegungen OHNE Anwesenheit eines SR.

Stingray
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Beitrag von Stingray » 19.02.2008, 17:44

Nach meinem Verständnis existiert der Anhang D nur, weil hier ein Sonderfall vorliegt, bei dem die Abwesenheit des Schiedsrichters tatsächlich die Regel (Artikel 10) selbst ändert. In 10.2 wird dem Schiedsrichter die Möglichkeit einer aufgeschobenen Entscheidung zugestanden. Die analoge Situation ohne anwesenden Schiedsrichter wäre Partieabbruch und Fortsetzung unter Aufsicht, sobald der Schiedsrichter verfügbar ist - dementsprechend für den Antragsteller bereits in deutlicher Zeitnot. Aber gemäß Anhang D ist die Partie mit dem Stellen des Antrags in jedem Fall sofort beendet, um genau dieses Szenario zu vermeiden. Nur das Ergebnis steht eben noch nicht fest. Klingt komisch, ist aber so.

Zur Anwendung der übrigen Regeln ist ein Schiedsrichter eigentlich gar nicht erforderlich, wenn die Spieler sich an alles halten. Beispielsweise sind Remisanträge nach Artikel 9 eindeutig nachweisbar richtig oder falsch, das kann man auch ohne Schiri prüfen. Im Falle eines Fehlers sind die Sanktionen sogar genau festgeschrieben, so dass es hier keiner neutralen Instanz bedarf.

Solche Dinge wie ungebührliches und störendes Verhalten sind ohne Schiedsrichter schlichtweg nicht zu entscheiden. Und Verfahrensordnungen für Proteste oder ähnliches haben in den allgemeinen Schachregeln nichts verloren. Ich verstehe nicht, was Du eigentlich konkret vermisst.

Georg Heinze
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Beitrag von Georg Heinze » 19.02.2008, 20:23

Zunächst mal noch etwas zum FIDE-Art. 10 und zum Anhang D.
Vor einigen Jahren hatte ich mal einen Fall, als sich ein Mannschaftsleiter anmaßte, eine SR-Funktion ausüben zu müssen, indem er remis für seinen Mannschaftskameraden reklamierte.
Eine entsprechende Anfrage beim leider viel zu früh verstorbenen ISR Willi Knebel beantwortete er mir wie folgt:
"Endspurtphase ohne Anwesenheit eines Schiedsrichters":
Es steht mir nicht zu, mich zu den Praktiken in regionalen Schachorganisationen zu äußern. Ich bin
kein "Oberlehrer"; ich kommentiere nur die FIDE-Regeln. Und hier ist unter dem
Begriff "Schiedsrichter" ein "neutraler" Schiedsrichter gemeint. Die
Mannschaftsführer zweier Mannschaften können - mag das noch so
unterschiedlich in Turnierordnungen formuliert worden sein - nicht alle, sondern nur einen Teil der Aufgaben von neutralen Schiedsrichtern wahrnehnmen.
Ausdrücklich NICHT wahrnehmen können Sie die in Anhang D beschriebenen Schiedsrichterfunktionen (Artikel 10). Nur aus diesem Grund gibt es den Anhang D überhaupt, und nur aus diesem Grund behandelt der Anhang D ausschließlich die Probleme im Zusammenhang mit Artikel 10.
Das stützt die hier von stingray gemachte Aussage.
Insoweit ist klar, warum der Anhang D überhaupt existiert.
Wenn ich mich recht erinnere, wurde der Art. 10 irgendwann erst als FIDE-Artikel in die Praxis eingeführt und das ging einher mit der Festlegung in Anhang D.
Das eine geht sozusagen nicht ohne das andere.
Übrigens kommt auch in der Stellungnahme von Willi Knebel die eindeutige Aussage, dass Mannschaftsführer immer nur einen Teil der Aufgaben von neutralen Schiedsrichtern wahrnehmen können.
Für mich stellt sich dabei nur die Frage, welcher Teil ist das und wie wird mit dem anderen Teil verfahren?
Daraus stellt sich zwangsläufig die weitere Frage: wer regelt das wo und wie?
Nach meinen Feststellungen ist eben genau das entweder nirgendwo oder nicht eindeutig geregelt.
Ich bin dabei, hierzu noch einige Beispiele zusammenzustellen.

Stingray
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Beitrag von Stingray » 19.02.2008, 21:52

Ich verweise zu dieser Fragestellung mal auf Werners Beitrag weiter oben, der sich auf einen Absatz aus der von mir zitierten TO bezieht:
Werner hat geschrieben:Was ist denn das für eine unsinnige Ziffer 21.3?

Beispiel:
Der eine Mannschaftsführer will eine Zeitstrafe von 2 Minuten verhängen, der andere von nur 1 Minute. Und jetzt? Abbruch der Partie und die Entscheidung des Turnierleiters abwarten?
Wie soll diese Vorschrift durchgeführt werden?
Nach meinem Verständnis genau so, wie Du es schilderst. Kommen die beiden Mannschaftsführer zu keiner Entscheidung, bricht man die fragliche Partie genau an dieser Stelle ab und schickt dem Turnierleiter alle relevanten Infos (Notation, Zeitverbrauch, Hergang des Streitfalls,...). Der entscheidet als Schiedsrichter im Sinne der FIDE-Regeln. Ggf. wird danach die abgebrochene Partie wieder aufgenommen. Aber wie gesagt, ich bin kein Jurist. Zudem habe ich diese Regelung noch nie in der Praxis erlebt oder von einer Anwendung gehört. Die entsprechenden Bestimmungen der niedersächsischen Turnierordnung sind nebenbei inhaltsgleich, aber auch da ist mir kein Fall aus der Praxis bekannt.

<polemik>Die Niedersachsen berufen ihr Schiedsgericht eh nur ein, wenn sie entgegen ihrer eigenen Turnierordnung mehr als zehn Mannschaften in einer Staffel spielen lassen. ;-)</polemik>

Georg Heinze
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Beitrag von Georg Heinze » 20.02.2008, 13:07

Nachstehender Artikel ist zwar nicht mehr taufrisch, aber doch ein anschauliches Beispiel dafür, wenn ML SR-Aufgaben übernehmen (müssen):
Skandal in der Fachvereinigung Schach
Abgeschickt von Robert Schmidt am 22 Februar, 2002 um 16:11:16
Denk- oder Bewegungssport - Anmerkungen zu einem Skandal in der FVSchach
Im Mannschaftskampf vom 18.10.01 zwischen IBM1 und WiHeil1, dessen Beobachter ich war, kam es beim Stand von 3 zu 2 für IBM zu einem heißen Schlußgefecht zwischen Franko Mahn (IBM) und Dr. Jens Lang (WiHeil).
Nach zwischenzeitlichem Vorteil nach Stellung und Zeit geriet Franko sowohl stellungsmäßig als auch zeitlich in einige Bedrängnis. Sein Gegner Dr. Lang nutzte in einem komplizierten Endspiel mit ungleichfarbigen Läufern seine praktischen Chancen jedoch nicht, weil er mit Franko mitblitzte und seinen etwas größeren Zeitvorrat nicht für chancenreichere Fortsetzungen investierte.
Es ergab sich daher folgendes Stellungsbild, bei dem die Spieler zunächst etwas innehielten:
Weiß: Ka6, Lh7, Be4 Schwarz: Kf4, Lc5, Ba7, Bf6
Die Spieler wie auch die Zuschauer erkannten, daß diese Stellung keinerlei praktische Gewinnchancen mehr enthielt und beide Spieler nur theoretisch den jeweils anderen besiegen konnten. Allerdings betrug die Restbedenkzeit ungefähr 5 min zu 1 min für Dr. Lang. Verunsichert wie er weiter verfahren sollte, erhielt Dr. Lang angesichts des Mannschaftsstands von einigen Manschaftskameraden die Anweisung weiterzuspielen. Insbesondere der Meisterspieler für Nah und Fern Andreas Bachmann gab den “schachsportlichen” Hinweis: “Heb ihn über die Zeit”.
In der Folge entspann sich unter den zuschauenden Mitspielern und weiteren Zuschauern eine Diskussion darüber, wie die Situation und das Verhalten nach dem Reglement zu bewerten sei, bei der die unterschiedlichen Meinungen engagiert ausgetauscht wurden, während die Spieler ruhig verharrten. Nachdem gewisse Ruhe eingekehrt war, tauschten beide Spieler im Blitztempo ca. 15 Zugpaare aus, ohne den Charakter der Stellung irgendwie zu verändern. Mit einer Restbedenkzeit von ca. 45 sec zu knapp 5 min hielt Franko die Uhr an, um den Schiedsrichter zur Beurteilung des fragwürdigen Verhaltens von Dr. Lang zu befragen und remis zu reklamieren.
Der Schiedsrichter in Mannschaftskämpfen ist nach 1.6.6. TO der Mannschaftsleiter
der gastgebenden Mannschaft - also Franko selbst -. In Anbetracht der fehlenden Gewinnversuche und -möglichkeiten seitens Dr. Lang wertete der Schiedsrichter das Weiterspielen als Unsportlichkeit und erkannte verfahrensgerecht auf remis.
Und an dieser Stelle beginnt ein Skandal seinen Lauf zu nehmen.
Kann man das Verhalten einiger Akteure noch mit der Hitze des Gefechts zu erklären versuchen, so sollte eine besonnene Beurteilung in Ruhe doch die Situation sportlich korrekt klären.
Doch nun folgte die erste einer Serie von Überraschungen.
Die BSG WiHeil war sich nicht zu schade, gegen die Wertung der Partie Protest einzulegen, um den durch unsportliches Weiterspielen eventuell erzielbaren vollen Punkt einzufordern.
Meines Erachtens ist dies ein absonderlicher und unwürdiger Vorgang, dessen Geist ich an anderer Stelle noch gesondert kommentieren werde.
Nach der Turnierordnung ist zwar zweifelhaft, ob die Fide-Regelung des Artikel 10 Abs.2 in der FVSchach gilt; denn eine Schnellschachphase sieht die TO nicht mehr vor, obgleich man die Spielbedingungen der FVSchach durchaus auch als ein Spiel mit Schnellschachphase von Anfang an wegen der begrenzten Bedenkzeit ansehen könnte, doch ist die Regelung nach 1.7.3 TO unter der Überschrift Bedenkzeit ohnehin eindeutig. Danach werden von den Spielern nicht nur gute, sondern die besten Umgangsformen erwartet. Was sollte dieses also anderes heißen, als daß der ungeschriebene und jedem fairen Schachspieler bekannte Ethos, einen Gegner nicht über die Zeit zu heben, wenn es keinerlei praktische Gewinnchancen mehr gibt, in der Turnierordnung ausdrücklich verankert ist ?
Die nächste Überraschung folgte mit einiger Verzögerung. Zunächst wurde im Ergebnisdienst der FVSchach das Ergebnis in 3:3 abgeändert, ohne daß IBM eine Entscheidung zuging. Diese ließ dann noch weiter auf sich warten, bis sie dann doch eintraf (Entscheidung vom 7.12.01) . Gespannt auf die durch die Zeit gereifte Begründung waren wir über die dürftigen Ausführungen des Spielausschusses entsetzt. Hervorzuheben bleibt, daß ML Janik vom Spielausschuß wegen grob unsportlichem Verhalten ein schriftlicher Verweis (=mildeste Strafe der Disziplinarordnung) erteilt wurde. Ein sicherlich eigenartiger Widerspruch, wenn derjenige, der zu unsportlichem Verhalten aufruft, bestraft wird, aber derjenige, der dieses ausführt, gänzlich ungeschoren bleibt. Konsequent wäre aus Sicht der Begründung des Spielausschusses doch nur ein Freispruch für ML Janik gewesen.
Was soll also diese Augenwischerei und Inkonsequenz?
Sie wirft aber ein schlagendes Bild auf die Unfähigkeit des Spielausschusses, Entscheidungen in vernünftiger und sachgerechter Abwägung der Vorschriften zu treffen und zu begründen. Daß der Spielausschuß Feinheiten, wie grob unsportliches Verhalten = mildeste Strafe (nur unsportlich aber nicht zusätzlich grob wäre verständlicher), nicht begreift und unterscheidet, mag noch entschuldbar sein, daß er mit seiner Sportgerechtigkeit allerdings derart danebenliegt, ist dagegen mehr als bedenklich.
Übertroffen wird der Spielausschuß als letzte der Überraschungen dann noch von der Mehrheit des Schiedsgerichts mit Entscheidung vom 2.2.02, die inhaltlich aus fachlicher und sportlicher Sicht eine ungeheuerliche Fehlleistung darstellt, wie ich in einem offenen Brief an dieses Gremium dargelegt habe.
Als Zwischenfazit bleibt festzuhalten, daß sich Unsportlichkeit in der FVSchach zunächst durchgesetzt hat und von den Gremien belohnt wurde.
Einen guten Ruf dagegen kann man nur einmal verlieren und den bleibenden Makel durch zukünftig anständiges Verhalten etwas mildern.
Die Akteure Dr. Jens Lang, Andreas Bachmann und auch Mario Janik haben zu Gunsten eines Mannschaftspunkts ihren bisherigen Ruf als faire Schachsportler und Schachfreunde meines Erachtens verloren. Andreas Bachmann, weil er Dr. Lang wiederholt zu unsportlichem Verhalten aufrief, - Dr. Lang, weil er trotz sichtbarem Unbehagens nicht Manns genug war, eine eigene sportlich anständige und von der Turnierordnung so vorgesehene Entscheidung zu treffen und remis anzubieten und Mario Janik, weil er das sportliche Fehlverhalten ebenfalls förderte und unterstützte. Einige Mitglieder des Spielausschusses und des Rechtsausschusses werden sich fragen lassen müssen, ob sie den Begriff Sportsgeist und Schachsport richtig verstehen und danach auch handeln und ob sie für ihre Tätigkeiten vollumfänglich geeignet sind.
Es bleibt zu wünschen, daß der auf schmutzige Art und Weise von Wiheil erworbene Mannschaftspunkt nicht den Ausschlag über die Meisterschaft gibt, sondern daß die von WiHeil verlorenen 2 Punkte entscheiden.
Robert Schmidt (BSG IBM 2. Mannschaft)
Zuletzt geändert von Georg Heinze am 20.02.2008, 13:18, insgesamt 1-mal geändert.

Georg Heinze
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Beitrag von Georg Heinze » 20.02.2008, 13:16

Nach allem, was hier so geschrieben wurde, ist wohl klar, dass die FIDE außer den in Anhang D aufgeführten Modalitäten sich ansonsten nicht um die Problematik Wettkämpfe OHNE neutralen SR kümmern wird.
Es ist offensichtlich so, dass das in Deutschland in den TO der Landesverbände mehr oder weniger gut geregelt wird.
Interessant ist es aber schon, wie das tlw. sehr unterschiedlich geregelt ist.
Hier mal einige Beispiele:

Bayern
3.1.4.5.
Ist ein bestellter Schiedsrichter nicht pünktlich anwesend, übernehmen die
Mannschaftsführer solange die Kampfleitung und sind Schiedsrichter. Im Streitfalle
gibt die Entscheidung des Heimmannschaftsführers den Ausschlag.

Berlin
§ 15 Schiedsrichter
(1) An jedem Wettkampfort ist mindestens ein Schiedsrichter
einzusetzen. Für den Einsatz des Schiedsrichters ist die
Heimmannschaft verantwortlich. Der Einsatz von
Schiedsrichtern durch den Turnierleiter der BMM hat
ungeachtet obiger Festlegung immer Vorrang. Werden
Runden der BMM zentral ausgetragen, ist der
Turnierleiter der BMM für den Schiedsrichtereinsatz
zuständig.
(2) Die eingesetzten Schiedsrichter sind den Mannschaften in
geeigneter Form bekannt zu geben. Unabhängig davon
haben sich die Mannschaftsleiter nach dem eingesetzten
Schiedsrichter zu erkundigen.
(3) Bei einem Streitfall entscheidet der Schiedsrichter. Dieser
ist berechtigt, dazu seine eigene Partie zu unterbrechen
(Uhren anhalten) und unmittelbar nach Beilegung des
Streitfalles wieder aufzunehmen.
(4) Gegen Entscheidungen des Schiedsrichters bleibt ein
Einspruch entsprechend dieser Turnierordnung zulässig,
insbesondere bei Entscheidungen nach § 10.2 der FIDERegeln.
(5) Die von den Vereinen eingesetzten Schiedsrichter sollen
mindestens eine gültige Lizenz als „Turnierleiter“
besitzen.
(6) Vor Beginn der BMM bietet der Spielausschuss für die
von den Vereinen vorgesehenen Schiedsrichter ohne
gültige Lizenz und die Mannschaftsleiter eine
Unterweisung zu den FIDE-Regeln und den wichtigsten
Bestimmungen der BMM -Turnierordnung an.
7.3 Die gastgebende Mannschaft hat einen Schiedsrichter einzusetzen.

Hamburg
§ 30 Schiedsrichter

Für jeden Wettkampf ist ein Schiedsrichter zu bestellen. Der Schiedsrichter hat die notwendigen Entscheidungen unverzüglich zu treffen.

Oberster Schiedsrichter ist der Landesturnierleiter. Er kann für bestimmte Wettkämpfe oder allgemein Ersatzschiedsrichter bestellen. Wenn bei Mannschaftskämpfen kein Schiedsrichter eingesetzt worden ist, sind die Mannschaftsführer beider Vereine gemeinsam Schiedsrichter des jeweiligen Wettkampfes.

Sollt es bei einem Streifall zu keiner einheitlichen Entscheidung der beiden Mannschaftsführer kommen, so entscheidet der zuständige Turnierleiter.

Wenn der Mannschaftskampf ohne neutralen Schiedsrichter gespielt wird, d. h. die Mannschaftsführer als Schiedsrichter fungieren, wird die Endspielphase beendet entsprechend den "FIDE-Regeln für die Endspurtphase ohne Anwesenheit eines Schiedsrichters" (Anhang D der FIDE-Regeln). Schiedsrichter ist in diesem Fall der zuständige Turnierleiter, an den die entsprechenden Unterlagen unverzüglich zu senden sind. Der Antrag ist spätestens am zweiten Tag (Poststempel) nach dem Kampf abzusenden. Spätere Anträge sind ungültig und die Partie wird als verloren für den Antragsteller gewertet.

Sachsen-Anhalt
3.3 Die gastgebende Mannschaft soll einen nicht am Wettkampf beteiligten Schiedsrichter geeigneter Qualifikation stellen, dessen Kosten sie zu tragen hat. Kann kein Schiedsrichter gestellt werden, übernehmen die beiden Mannschaftsleiter dessen Aufgabe gemeinsam. Falls bei einem Streitfall keine Einigung zwischen ihnen zustandekommt, ist die Entscheidung des Mannschaftsleiters der Gastmannschaft verbindlich. Die unterschiedlichen Standpunkte zur Rechtslage des strittigen Vorfalls sind schriftlich festzuhalten und zusammen mit dem Spielbericht dem Staffelleiter zur Entscheidung zuzuleiten.

Saarland
5.2.2 Leitung eines Wettkampfes
(a) Die Leitung eines Wettkampfes erfolgt durch einen lizenzierten Schiedsrichter
(SR)/Turnierleiter (TL) des gastgebenden Vereins.
(b) Steht diesem Verein kein lizenzierter Schiedsrichter (SR) / Turnierleiter (TL) zur Verfügung,
aber dem Gastverein, so kann dieser SR/TL die Leitung übernehmen. Der SR/TL des Gastvereins
kann in diesem Fall eine Aufwandsentschädigung gemäß Finanzordnung vom gastgebenden
Verein verlangen.
(c) Steht kein lizenzierter SR/TL zur Verfügung, so übernehmen beide Mannschaftsführer gemeinsam
die Wettkampfleitung. Näheres regelt die Schiedsrichterordnung.

Rheinland-Pfalz
3. Die Leitung von Mannschaftskämpfen erfolgt durch einen geeigneten vom Gastgeber benannten Wettkampfleiter (WKL); der LSL kann einen neutralen WKL mit der Leitung beauftragen.

16. Zum WKL sollte kein Spieler benannt werden. Ist er dennoch gleichzeitig Spieler, geht seine In-anspruchnahme nicht zu Lasten seiner Bedenkzeit. Er ist deshalb berechtigt, in solchen Fällen seine Uhr abzustellen.

Nordrhein-Westfalen:
2.5 Leitung von Mannschaftskämpfen
2.5.1 Mannschaftskämpfe werden von neutralen Schiedsrichtern geleitet, die vom Turnierleiter
eingesetzt werden.
2.5.2 Der Schiedsrichter trifft alle während eines Mannschaftskampfes notwendigen Entscheidungen.
Die Kosten des Schiedsrichters (Fahrtkosten und Tagegeld) sind den Vereinen
mit der Ausschreibung bekannt zu geben.
2.5.3 Ist in einem Spielbereich der Einsatz von Schiedsrichtern nicht vorgesehen oder zu Beginn
des Mannschaftskampfes kein Schiedsrichter anwesend, übernehmen die beiden Mannschaftsführer
kollegial ggf. bis zu seinem Eintreffen dessen Aufgaben.

Die Beispiele Bremen und Sachsen wurden hier schon genannt.

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