Spieler, Schiedsrichter oder Zuschauer?

Georg Heinze
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Spieler, Schiedsrichter oder Zuschauer?

Beitrag von Georg Heinze » 27.12.2007, 12:07

Als es im Thread "Laptop im Turniersaal" darum ging, ob das zulässig sei, stellte sich indirekt auch die Frage "Spieler oder Zuschauer".
An sich ist es ja klar, wer Zuschauer oder Spieler im landläufigen Sinn ist.
Es gibt aber auch Besonderheiten:
So steht in den FIDE-Regeln an 2 Stellen etwas über "Zuschauer":
12.4 Spieler, die ihre Partie beendet haben, gelten als Zuschauer.
Weiterhin unter:
13.7 a) Zuschauer und Spieler anderer Partien dürfen nicht über eine Partie reden oder sich auf andere Weise einmischen. Falls nötig, darf der Schiedsrichter die Störer aus dem Turnierareal weisen.
Ansonsten ist nur von Spielern, Schiedsrichtern und Assistenten die Rede.

Da in den meisten Mannschaftskämpfen unterklassiger Mannschaften in aller Regel ohne neutrale Schiedsrichter gespielt wird, ist in den mir bekannten TO festgelegt, dass die Mannschaftsleiter im Prinzip die Aufgaben eines Schiedsrichters übernehmen, allerdings nicht im vollen Umfang.
Das wiederum heißt, dass ein Mannschaftsleiter sowohl Spieler als auch Schiedsrichter sein kann / muss.
Falls aber ein Mannschaftsleiter nicht spielt / nicht mehr spielt ist er nur Zuschauer, allerdings mit Schiedsrichteraufgaben.
Wenn er stört, müsste er sich selbst (oder vom gegenerischen ML) aus dem Turnierareal verweisen / verwiesen werden.
Es würde aber auch -streng genommen- obigen FIDE-Festlegungen widersprechen, wenn z.B. über ein Remisangebot oder dessen Annahme zu entscheiden ist. Soweit ich TO kenne, kann hierzu der Mannschaftsleiter konsultiert werden. Aber weder als Spieler, noch als Zuschauer oder Schiedsrichter dürfte er sich einmischen.
Meine Fragen: sehe ich das zu eng, widersprechen diesbezügliche TO den FIDE-Regeln oder kann man derartige Festlegungen als eine Präzisierung betrachten?

Mirko Humme
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Beitrag von Mirko Humme » 28.12.2007, 00:23

Die einschlägigen Regeln sind ja genannt worden. Im Hessischen Schachverband ist es beispielsweise so, dass in den Kämpfen bis zur Hessenliga kein Schiedsrichter vom Klassenleiter benannt wird, dieser Job also der Heim-Mannschaft obliegt.

Vor Wettkampfbeginn sollte von daher immer der Schiedsrichter genannt werden, an dem man sich bei Streitfällen wenden kann. Dies schließt zumindest aus, dass irgendein Zuschauer oder andere Spieler, derer Partien schon beendet sind, sich unbefugt hier einmischen.

Ein anderes interessanstes Detail ergibt sich aus der hessischen Turnierordnung: Jeder Wettkampf muss von einem lizenzierten SR geleitet werden. Im Umkehrschluss würde das für mich als Protestinstanz bedeuten, dass ich einen Protest ablehnen würde, wenn kein lizenzierter SR den Mannschaftskampf ab Landes- bis Hessenliga leitete.

Georg Heinze
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Beitrag von Georg Heinze » 28.12.2007, 09:09

Mirko Humme schrieb:
Im Hessischen Schachverband ist es beispielsweise so, dass in den Kämpfen bis zur Hessenliga kein Schiedsrichter vom Klassenleiter benannt wird, dieser Job also der Heim-Mannschaft obliegt.
Interessant insofern, dass in Sachsen es so geregelt ist, dass BEIDE ML als Schiedsrichter fungieren und bei Differenzstandpunkten die Auffassung des "Beaufragten der Gastmannschaft" gilt.
Ich denke, dass etliche Probleme daher kommen, dass kein neutraler SR den Wettkampf leitet, sondern eben der (die) ML Schiedsrichteraufgaben wahrnehmen, für die sie oftmals (leider) nicht qualifiziert sind.
Selbst wenn die Regelkenntnisse vorhanden sind, werden sie wohl selten objektiv entscheiden.

hoppepit
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Beitrag von hoppepit » 17.02.2008, 00:12

Georg Heinze hat geschrieben:Ich denke, dass etliche Probleme daher kommen, dass kein neutraler SR den Wettkampf leitet, sondern eben der (die) ML Schiedsrichteraufgaben wahrnehmen, für die sie oftmals (leider) nicht qualifiziert sind.
Selbst wenn die Regelkenntnisse vorhanden sind, werden sie wohl selten objektiv entscheiden.
...das kann ich leider aus eigener Erfahrung bestätigen, da wird oft der Bock zum Gärtner gemacht.
In unserem Schachbezirk wird laut TO der MF der Heimmannschaft zum Wettkampfleiter.
Gruß, Peter
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Georg Heinze
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Beitrag von Georg Heinze » 17.02.2008, 11:42

Wie wir schon aus anderen Beiträgen erfahren haben, sind oftmals selbst die eingesetzten SR überfordert (siehe Beispiel Bundesliga).
Logisch, dass nun stattdesen eingesetzte ML, die leider oftmals kaum Regelkenntnisse mitbringen, damit überfordert sind. Mitunter ist man ja froh, wenn sich überhaupt jemand findet, der diese Aufgabe übernimmt.
Soweit mir bekannt, kommen aber kaum größere Probleme auf - erstaunlicherweise.

Werner
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Beitrag von Werner » 17.02.2008, 12:03

Wenn Geurt Gijssen bisweilen aus Deutschland Fragen gestellt bekommt, in denen die Funktion des Schiedsrichters bei niederklassigen Mannschaftskämpfen eine Rolle spielt, zeigt er sich jedesmal überrascht, dass nach den hiesigen Turnierordnungen jemand, der als Spieler am Wettkampf teilnimmt, zugleich auch Schiedsrichter sein kann.

Natürlich gehen die FIDE-Regeln davon aus, dass der Schiedsrichter nicht zugleich auch Spieler ist.

Wenn es damit tatsächlich kaum Probleme gibt, liegt das vor allem daran, dass beim Schach - im Vergleich zu anderen Sportarten - der Schiedsrichter eher selten einzugreifen hat.
Man stelle sich einmal vor, bei einem Fußballspiel würden "beide Mannschaftskapitäne die Aufgaben des Schiedsrichters wahrnehmen". Nach dem ersten (angeblichen) Foul im Strafraum - Elfmeter ja oder nein? - wäre das Spiel zu Ende, weil die Mannschaftskapitäne sich nicht einigen könnten...

Georg Heinze
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Beitrag von Georg Heinze » 17.02.2008, 14:36

Werner schrieb:
Natürlich gehen die FIDE-Regeln davon aus, dass der Schiedsrichter nicht zugleich auch Spieler ist.
Das ist ja aber oftmals das Problem!
Natürlich weiß auch die FIDE, dass die weitaus meisten (Mannschafts-) Kämpfe ohne einen neutralen Schiedsrichter stattfinden.
Die meisten FIDE-Regeln ignorieren aber diesen Umstand. Die einzige Ausnahme ist der Anhang D (Endspurtphase ohne Anwesenheit eines Schiedsrichters).
Warum diese Ignoranz? - ich weiß es nicht. Möglicherweise sieht die FIDE Kämpfe ohne SR nicht als ihr Problem an, sondern überlässt es den LV, analoge Regelungen zu treffen. Dann übernehmen eben ML diese Funktion, aber eben auch wiederum nicht alle Aufgaben eines SR. Es ist ja auch schwierig, der (oder die) ML sind in den meisten Fällen ja auch Spieler. Sie spielen selbst, haben ihre Partie beendet und gelten somit als Zuschauer oder sind überhaupt nur Zuschauer, weil sie sozusagen nur als Ersatz fungieren. Und dann gibt es in manchen TO noch den Passus "Beauftragter der Mannschaft". Außerdem gibt es noch den "Ersatz"-ML, weil der planmäßige ML nicht verfügbar ist.
Und trotzdem wird auch noch Schach gespielt und oftmals gibt es weniger Probleme als mit SR!

Stingray
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Beitrag von Stingray » 17.02.2008, 17:41

Georg Heinze hat geschrieben:Werner schrieb:
Natürlich gehen die FIDE-Regeln davon aus, dass der Schiedsrichter nicht zugleich auch Spieler ist.
Das ist ja aber oftmals das Problem!
Natürlich weiß auch die FIDE, dass die weitaus meisten (Mannschafts-) Kämpfe ohne einen neutralen Schiedsrichter stattfinden.
Ist das wirklich so? In Deutschland ja, aber wie sieht's andernorts aus? Das Beispiel mit Gijssen hätte ich auch angeführt, wenn es nicht schon genannt worden wäre. Also handhaben die Niederländer dies offensichtlich schon mal anders. Weiß jemand, wie in anderen Ländern damit umgegangen wird?
Die meisten FIDE-Regeln ignorieren aber diesen Umstand. Die einzige Ausnahme ist der Anhang D (Endspurtphase ohne Anwesenheit eines Schiedsrichters).
Warum diese Ignoranz? - ich weiß es nicht. Möglicherweise sieht die FIDE Kämpfe ohne SR nicht als ihr Problem an, sondern überlässt es den LV, analoge Regelungen zu treffen.
Das ist auch nicht die Aufgabe der Fide, bzw. des Rules Committee. Die Fide legt ein allgemeines Regelwerk und separate Turnierordnungen für die von ihr direkt durchgeführten Turniere fest. Das ist in allen Sportverbänden so. (Z.B. beschreibt die FIFA auch nur die Regeln für ein einzelnes Fußballspiel, aber macht dem DFB auch keine Vorschrift, wie viele Mannschaften an der Bundesliga teilnehmen dürfen. Aus organisatorischen Gründen gibt es eine Obergrenze (die vielleicht auch nur von der UEFA stammt, das weiß ich nicht), aber das ist schon alles.)
Dann übernehmen eben ML diese Funktion, aber eben auch wiederum nicht alle Aufgaben eines SR. Es ist ja auch schwierig, der (oder die) ML sind in den meisten Fällen ja auch Spieler. Sie spielen selbst, haben ihre Partie beendet und gelten somit als Zuschauer oder sind überhaupt nur Zuschauer, weil sie sozusagen nur als Ersatz fungieren. Und dann gibt es in manchen TO noch den Passus "Beauftragter der Mannschaft". Außerdem gibt es noch den "Ersatz"-ML, weil der planmäßige ML nicht verfügbar ist.
Die entsprechenden Turnierordnungen beziehen sich immer auf den Mannschaftsführer vor Ort. Das muss keinesfalls derjenige sein, dessen Kontaktdaten im Saisonheft aufgeführt sind.
Und trotzdem wird auch noch Schach gespielt und oftmals gibt es weniger Probleme als mit SR!
Diese Polemik höre ich so oft, und ich kann sie nicht ausstehen. Wo kein Schiedsrichter vorhanden ist, lassen Spieler häufig viel mehr mit sich machen, weil sie nicht wissen, was sie ertragen müssen und was nicht, aber auch bei niemandem nachfragen können. Wer stört schon gerne seinen Mannschaftsführer bei dessen hochkompliziertem Turmendspiel, nur weil man sich nicht sicher über die korrekte Durchführung einer Remisreklamation ist?

Eine Sache stimmt möglicherweise: Es gibt weniger Streitfälle. Aber das liegt IMHO nicht an der Abwesenheit des Schiedsrichters. Die meisten Streitfragen entstehen in und um Zeitnot, und das passiert in den unteren Klassen einfach so gut wie nie.

Und wenn doch mal Probleme entstehen? Vor einigen Jahren habe ich das selbst erlebt. Ein gegnerischer Spieler machte in einer Partie einen illegalen Zug, was unsere Spielerin der entsprechenden Mannschaft bemerkte und ihn darauf hinwies. Hier noch kein Problem, aber jetzt wollte er 4.3 ("Berührt-Geführt") nicht mehr beachten und ließ sich auch von den Mannschaftsführern nicht umstimmen. Glücklicherweise lief zufällig nebenan ein Oberligakampf mit einem lizenzierten (neutralen) Schiri, der ihn schnell überzeugen konnte. Was sonst passiert wäre? Keine Ahnung. Da sein eigener Mannschaftsführer wohl kaum eine Maßregelung gegen seinen Spieler akzeptiert hätte, hätte diese Partie im schlimmsten Fall hier abgebrochen und an die nächsthöhere Instanz verwiesen werden müssen. Wie praktisch hier doch ein Schiedsrichter vor Ort gewesen wäre... - aber, oh je, dann müssten die Teams ja vielleicht noch an unterschiedlichen Tagen antreten, damit nicht alle Schiedsrichter selbst als Spieler aktiv sind. Undenkbar!

Keiner spricht darüber, wie viele Kämpfe mit Schiedsrichter absolut glatt ablaufen, weil derjenige seine Rolle ernst nimmt. Leider gehört dazu, inhaltlich vom Kampf recht wenig mitzubekommen. Dass Schiedsrichter vereinzelt schlechte Entscheidungen treffen, ist doch kein Argument gegen sie. Im Gegenteil: Sie sollten viel häufiger eingesetzt werden, um eine Routine zu entwickeln. Aus Fehlern lernt man. Mich ärgert es tierisch, dass ich diese Saison keine Einsätze habe, nur weil ich in der Planungsphase umgezogen bin und zu Turnieren nie angefordert werde. Warum müssen eigentlich alle Schiedsrichtereinsätze schon Monate vor Saisonbeginn feststehen? Andere Sportarten planen mit einem Vorlauf von maximal vier Wochen. In anderen Sportarten müssen Schiedsrichter aber auch nicht nur eine theoretische Prüfung ablegen, sondern auch eine "praktische" - ein offizieller Beobachter kommt zum ersten vom Prüfling geleiteten Spiel und beurteilt selbiges. Würden im Schach die Prüfungsregeln von den Landesverbänden ernster genommen, gäbe es weniger schlechte Schiedsrichter. Bei meiner TL-Prüfung bei der DSJ sind tatsächlich Leute durchgefallen, das ist in Bremen absolut unmöglich. Dabei dürfen die Landesverbände RSR-Lehrgänge durchführen, und diese Leute werden dann bis hoch zur 2. Bundesliga eingesetzt.

Wir Schachschiedsrichter haben ein leidvolles Los: Solange wir unsere Arbeit, für die wir zum Teil der eigenen Mannschaft absagen müssen, gut machen, spricht keiner darüber, weil es eben niemand wirklich sieht (allenfalls ein Schirikollege, von denen es leider viel zu wenige gibt). Aber sobald wir einmal einen strittigen Fall entscheiden müssen oder uns gar ein Fehler unterläuft, wird darüber teilweise jahrelang oder vielleicht immer wieder diskutiert.

Aber ich merke gerade, dass ich abschweife. Um zur ursprünglichen Frage zurückzukommen: Ein Widerspruch existiert zwar nicht, aber Regelungen mit derartigen Doppelfunktionen nehmen immer mögliche Probleme in Kauf.
Georg Heinze hat geschrieben:Wenn er stört, müsste er sich selbst (oder vom gegenerischen ML) aus dem Turnierareal verweisen / verwiesen werden.
Richtig; dann benötigte der gegnerische Teamchef zwar entsprechendes Rückgrat, aber die Entscheidung wäre definitiv berechtigt. Besonders lustig wäre es natürlich, wenn der heimische Teamchef dadurch aus dem eigenen Spiellokal geschmissen würde. Vielleicht braucht man erst mal einen echten derartigen Fall, um diese Hilfsregel ernsthaft in Frage zu stellen.
Es würde aber auch -streng genommen- obigen FIDE-Festlegungen widersprechen, wenn z.B. über ein Remisangebot oder dessen Annahme zu entscheiden ist. Soweit ich TO kenne, kann hierzu der Mannschaftsleiter konsultiert werden. Aber weder als Spieler, noch als Zuschauer oder Schiedsrichter dürfte er sich einmischen.
"Auf Nachfrage antworten" ist ja keine "aktive Einmischung". Insbesondere sollte dies zur Störungsvermeidung nicht direkt am Brett geschehen. Trotzdem haben wir natürlich 12.2. Dieser Ausnahme beim Mannschaftskampf liegt die Annahme zugrunde, dass der Mannschaftsführer den besten Überblick über den gesamten Kampf besitzt und unter diesen Gesichtspunkten ein der gesamten Mannschaft dienliches Urteil (das an sich nur aus einem "Ja" oder "Nein" bzw. "Nimm an" oder "Lehn ab" und nicht aus einer langen Diskussion a la "Wie fühlst Du Dich? Hast Du noch Ideen?" bestehen darf) abgeben darf und soll. Nach meinem Empfinden kein echter Widerspruch, sondern eine in den Regeln nicht erfasste Situation. Wiederum ist mir nicht bekannt, wie es diesbezüglich in anderen Ländern aussieht.

Dazu fällt mir gerade eine Geschichte ein, die ich hier einfach nur mal wiedergeben will. Jeder mag sich selbst ein Urteil bilden: Bis zum letzten Sommer war ich als Redakteur des Bremer Verbandsorgans auch für die Veröffentlichung der Rundenberichte zuständig. Ein Mannschaftsführer hatte seiner Ergebnismeldung eine Beschwerde (keinen formalen Protest) über das unmögliche Verhalten zweier gegnerischer Spieler beigelegt: Die beiden hatten doch tatsächlich die Dreistigkeit besessen, ihnen angebotene Remisen erst mal nur zu notieren und dann einige Zeit zu warten, wie sich die anderen Bretter so entwickeln würden. Eine halbe Stunde oder so, bis sie die Angebote dann doch annahmen. Der Staffelleiter leitete den Rundenbericht zusammen mit diesem Schreiben an seinen gesamten Verteiler weiter - mit dem Vermerk, ein solches Verhalten müsse man wirklich mal anprangern. Ich habe nur kopfschüttelnd zurückgemailt, welches Verhalten er denn meine? Schließlich geht es im Mannschaftskampf doch genau um das Agieren als Team, und die Überlegung, ein Remis anzunehmen oder abzulehnen, ist da einer der ganz zentralen Punkte, bei dem selbstverständlich die Situation an den übrigen Brettern eine Rolle spielt. Auf die Antwort warte ich heute noch...

Werner
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Beitrag von Werner » 17.02.2008, 17:45

Ich denke nicht, dass es der FIDE egal ist, ob Mannschaftskämpfe mit oder ohne Schiedsrichter stattfinden.
Im Gegenteil, im Vorwort wird angeschlossenen Föderationen ausdrücklich untersagt, detaillierte Regeln zu erlassen, die mit den offiziellen Regeln der FIDE in Konflikt stehen. Für "analoge Regelungen" ist mangels Regelungslücke kein Platz.

Wenn z. B. Artikel 8.2 anordnet, dass der Schiedsrichter das Partieformular einsehen können muss, andererseits einem in Zeitnot befindlichen Spieler der Blick auf das Formular des Gegners verwehrt ist, schließt das eine Personalunion zwischen "Schiedsrichter" und "Spieler" aus.

Deswegen staunt Gijssen häufig bei entsprechenden Anfragen aus Deutschland.

Dass es bei Mannschaftskämpfen ohne Schiedsrichter weniger Probleme gibt als bei solchen mit Schiedsrichter, halte ich für ein Gerücht.

hoppepit
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Beitrag von hoppepit » 17.02.2008, 18:46

Werner hat geschrieben:Dass es bei Mannschaftskämpfen ohne Schiedsrichter weniger Probleme gibt als bei solchen mit Schiedsrichter, halte ich für ein Gerücht.
Yep, sehe ich auch so. Ich habe schon des öfteren, obwohl ich selbst nur Zuschauer war, diverse Streitigkeiten zwischen Mannschaftsführern geschlichtet.
In vielen Begegnungen unterer Klassen ist meist noch nicht mal eine aktuelle TO geschweigedenn das FIDE-Regelwerk vor Ort.
Gruß, Peter
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Georg Heinze
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Beitrag von Georg Heinze » 17.02.2008, 22:56

Ich schrieb:
Natürlich weiß auch die FIDE, dass die weitaus meisten (Mannschafts-) Kämpfe ohne einen neutralen Schiedsrichter stattfinden.
Diesen Satz möchte ich relativieren. Ich bin von deutschen Verhältnissen ausgegangen und weiß nicht, wie es in anderen LV aussieht.
Stingray schrieb:
Die Fide legt ein allgemeines Regelwerk und separate Turnierordnungen für die von ihr direkt durchgeführten Turniere fest.
Das stimmt so nicht ganz! Bei den von der FIDE organisierten und durchgeführten Turnieren dürften immer 1 oder mehrere SR dabei sein und dann könnte man sich den Anhang D sparen. Also entweder - oder.
Und trotzdem wird auch noch Schach gespielt und oftmals gibt es weniger Probleme als mit SR!
Damit wollte ich keinesfalls die Arbeit der SR herabwürdigen! Ich wollte vielmehr zum Ausdruck bringen, dass trotz oftmals kaum oder nicht ausreichender Regelkenntnis und eingeschränkter Handlungsfähigkeit des/der ML die Anzahl der Streitfälle sich sehr in Grenzen hält. Ich habe Hunderte von Ergebnismeldungen bzw. Spielberichte erhalten bzw. angesehen - echte Streitfälle sind kaum dabei. Die meisten Streitigkeiten werden entweder vor Ort entschieden - möglicherweise fehlerhaft oder beziehen sich auf solche Fälle wie Nichtantritt, fehlerhafte Aufstellung oder ähnliche Vorkommnisse.
Stingray schrieb:
Die entsprechenden Turnierordnungen beziehen sich immer auf den Mannschaftsführer vor Ort. Das muss keinesfalls derjenige sein, dessen Kontaktdaten im Saisonheft aufgeführt sind.
Ok, aber wenn jemand SR ist, ist er SR.
Wenn aber ein ML (oder beide) diese Funktion übernehmen müssen, gibt es (auch hier genannte) feine Unterschiede, weil der/die ML eben auch Spieler sind bzw. Zuschauer.
Einen Spieler oder Zuschauer kann man z.B. des Saales verweisen, einen SR aber nicht.

dfuchs
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Beitrag von dfuchs » 17.02.2008, 23:50

Also das Problem sehe ich weniger in den parteiischen Schiedsrichtern, da die Strafen dafür in höheren Instanzen einfach zu drakonisch sind.
(Ich habe einmal von eine Sperre von einem Jahr gehört plus Nachweis einer Schiedsrichterausbildung für den entsprechenden Mannschaftsführer)

Das Problem sind vielmehr der Mangel an ausgebildeten Schiedsrichter.

In der 2. Bundesliga Süd sind nur NSR aktiv, ich als RSR habe dort nichts verloren und finde das Richtig!

Durch mein Anregen haben wir bei fünf Mannschaften in unserem Verein auch sechs ausgebildete Schiedsrichter (5xTL + 1RSR).

Ich war bis zur letzten Saison auch Fußballschiedsrichter und habe bereits und versuche noch ein paar gute Sachen von dort in unserem Sport zu etablieren.

Ich möchte anregen, dass für jede aktive Mannschaft jedes Vereins ein ausgebildeter Schiedsrichter gestellt werden muss, so wie es beim Fußball seit Jahren Pflicht ist.

Es kann doch nicht sein, dass ich einem Mannschaftsführer erklären muss, was bei einer nicht abgeschlossenen Umwandlung zu tun ist.

Die Vereine müssen hier einfach mehr in die Pflicht genommen werden gerade die "niedrigen" Schiedsrichterstufen ausbilden zu lassen.
Die Verbände wiederum müssen hier wesentlich aggressiver und vor allem besser ausbilden.

Wie gesagt mehr fordern und auch ausbilden, dann können auch sehr unkomplizierte Schiedsrichterregelungen bis in die untersten Klassen ausgehandelt werden.

Gruß Daniel

P.S:
Auch im Fußball pfeifen in den unteren Klassen teilweise Schiedsrichter des Heimvereins.

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Beitrag von Stingray » 18.02.2008, 00:56

dfuchs hat geschrieben:Das Problem sind vielmehr der Mangel an ausgebildeten Schiedsrichter.

In der 2. Bundesliga Süd sind nur NSR aktiv, ich als RSR habe dort nichts verloren und finde das Richtig!
Kommt auf die Einsatzmöglichkeiten an. Wo nur bis zur Oberliga Schiedsrichter eingesetzt werden, bekommt man schon so kaum Ansetzungen (vor allem, wenn man als Schiri auch noch lange Wege zurücklegt und den Vereinen dieses völlig überzogene Kilometergeld berechnet ;-)); und die Turnierleiter brauchen ja auch Praxis. Außerhalb der Ligen war ich mangels Gelegenheit noch gar nicht als lizenzierter Schiri tätig.
Ich möchte anregen, dass für jede aktive Mannschaft jedes Vereins ein ausgebildeter Schiedsrichter gestellt werden muss, so wie es beim Fußball seit Jahren Pflicht ist.
Und nicht nur dort. Das gilt praktisch in jedem Sport. Soweit ich weiß, hat man vor Jahren mal versucht, im DSB eine derartige Regelung durchzudrücken. (Und zwar nur bezogen auf die Zahl der Teams in schiripflichtigen Ligen.) Wer sich nicht dran gehalten hätte, hätte durchaus nichttriviale Strafen zahlen müssen. Die fast einhellige Antwort der Vereine war: "Dann zahlen wir halt." Das kann irgendwie nicht Sinn der Übung sein...
Die Vereine müssen hier einfach mehr in die Pflicht genommen werden gerade die "niedrigen" Schiedsrichterstufen ausbilden zu lassen.
Die Verbände wiederum müssen hier wesentlich aggressiver und vor allem besser ausbilden.

Wie gesagt mehr fordern und auch ausbilden, dann können auch sehr unkomplizierte Schiedsrichterregelungen bis in die untersten Klassen ausgehandelt werden.
Ich bin auf Deiner Seite, aber s.o.
Auch im Fußball pfeifen in den unteren Klassen teilweise Schiedsrichter des Heimvereins.
Wenn die Leute vernünftig ausgebildet sind, ist das an sich auch kein Problem; wäre es im Schach wohl auch nicht. Nur sind die Spieler vielfach gar nicht an so etwas wie Schiedsrichter gewöhnt. Wer nur Mannschaftskämpfe in Hintertupflingen spielt, weiß vielleicht nicht mal, dass es "so was" überhaupt gibt.

Ich gebe Dir Recht, dass die Verbände hier umdenken müssen. Teilweise ist das ja auch schon der Fall. Meine Heimatverbände Bremen/Niedersachsen hinken hier wohl insgesamt etwas hinterher, wenngleich der kleinere von beiden hier zuletzt einiges nachgeholt hat. Leider sind sich die beiden Vorstände aber schon seit einigen Jahren nicht mehr wirklich grün - angesichts der Tatsache, dass man eigentlich ein gemeinsames Ligensystem verwalten soll, irgendwie unpraktisch. (Wobei in diesem Punkt wohl angeblich ein Licht am Ende des Tunnels zu sehen ist, aber ich kriege hier im Exil nicht mehr all zu viel mit.)

Aber noch gebe ich die Hoffnung nicht auf - auch die Stimmen, die eine flexiblere Spielplangestaltung, insbesondere keine Spiele zeitgleich mit der Bundesliga (das ist in Niedersachsen nach wie vor Standard und steht sogar als Sollbestimmung in der TO für die gemeinsamen Landes- und Verbandsligen!), fordern, werden immer lauter. Und das geht meiner Ansicht nach mit einem vermehrten Schiedsrichtereinsatz einher. Ich mache den Job zwar gerne; aber bevor ich dafür eine komplette Mannschaftssaison nicht mehr spielen kann, gebe ich lieber meine Lizenz zurück.

Werner
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Beitrag von Werner » 18.02.2008, 10:49

Ich kann mir nicht vorstellen, dass im Fußball in den untersten Klassen einem der Mitspielenden die Schiedsrichtertätigkeit übertragen wird. Wenn der Betreffende Stürmer ist, wird er, wenn er im gegnerischen Strafraum zu Fall kommt, eher auf Strafstoß als auf Stürmerfoul entscheiden...

Nichts anderes aber wird in den unteren Mannschaftskämpfen im Schach praktiziert, wenn einem oder mehreren Mitspielenden die Schiedsrichtertätigkeit übertragen wird...

Georg Heinze
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Beitrag von Georg Heinze » 18.02.2008, 13:59

Ich habe nichts gegen SR, erst recht nichts gegen gut ausgebildete - ganz im Gegenteil.
Aber ich halte nichts davon, mit irgendwelchen Zwangsmaßnahmen die Anzahl der SR erhöhen zu wollen. Wenn ich mir so die Vereine ansehe, die ich kenne, gibt es bei KEINEM Verein soviele SR wie Mannschaften.
Wenn man diese Vereine alle zwingen wollte, stellen sie eben weniger Mannschaften oder nehmen eine andere Sanktion in Kauf.
Dasselbe Problem würde sich auch stellen, wenn man bis zur Kreisklasse die Vereine zwingen würde, z.B. mit Digitaluhren zu spielen.
Da muss man Alternativen suchen. z.B. wie hier schon geschrieben, unterschiedliche Spieltage. Damit einhergehende Probleme, wie z.B. Doppeleinsatz, lassen sich doch lösen.
Ansonsten kann man vielleicht bei den Landesverbänden (Niederlande?), die angeblich bis in untere Spielklassen generell mit SR spielen, schauen, warum es dort geht.
Falls nichts geht, müssen eben weiterhin die ML (der ML) SR-Aufgaben übernehmen.
Da aber weder von der FIDE (Ausnahme Anhang D), noch vom DSB in dieser Hinsicht verbindliche Reglementierungen bestehen, bleibt es wohl weiterhin den einzelen LV überlassen, wie man mit diesem Problem umgeht.

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