Formfehler bei Remisreklamation

Werner
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Beitrag von Werner » 13.02.2008, 01:56

Wer auf die englische Originalfassung abstellt und aus ihr einerseits herleitet, dass das Unterlassen des Aufschreibens des folgenden Zuges im gleichen Maße "incorrect" ist wie das Nichtvorliegen der Stellungswiederholung, widerspricht sich selbst, wenn er dann andererseits ausführt, dass bei Nichtaufschreiben des Zuges Artikel 9 gar nicht zur Anwendung kommen, sondern eine Bestrafung auf Art. 13.4 fußen solle.

Auch ein - in welcher Weise auch immer - fehlerhafter Antrag ist ein Antrag, der beschieden werden muss, durch Zustimmung oder durch Ablehnung. Im Falle der Ablehnung führt an Art. 9.5 b) kein Weg vorbei, so dass ein "neuer" Antrag im selben Zug unstatthaft ist.

Im übrigen bin ich der Auffassung, dass "correct" in der englischen Fassung "inhaltlich korrekt" bedeutet, sich also ausschließlich auf das Vorliegen der Stellungswiederholung bezieht, da andernfalls Art. 9.2 keinen Sinn ergeben würde, in dem am Anfang "a correct claim" erwähnt wird, unter a) dann jedoch die zusätzliche Bedingung "if he writes his move on his scoresheet" eingeführt wird.

Diese Ansicht wird zusätzlich dadurch gestützt, dass in Art. 12.6 eben nicht von "incorrect claims", sondern von "unreasonable claims" die Rede ist. Augenscheinlich ist "unreasonable" weiter gefasst als "incorrect" und meint sowohl inhaltliche als auch formale Fehler.

Stingray
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Beitrag von Stingray » 13.02.2008, 10:06

Werner hat geschrieben:Wer auf die englische Originalfassung abstellt und aus ihr einerseits herleitet, dass das Unterlassen des Aufschreibens des folgenden Zuges im gleichen Maße "incorrect" ist wie das Nichtvorliegen der Stellungswiederholung, widerspricht sich selbst, wenn er dann andererseits ausführt, dass bei Nichtaufschreiben des Zuges Artikel 9 gar nicht zur Anwendung kommen, sondern eine Bestrafung auf Art. 13.4 fußen solle.
Stimmt, mein zweiter Post war auch als Korrektur gedacht. Hätte ich vielleicht etwas deutlicher machen sollen.
Auch ein - in welcher Weise auch immer - fehlerhafter Antrag ist ein Antrag, der beschieden werden muss, durch Zustimmung oder durch Ablehnung. Im Falle der Ablehnung führt an Art. 9.5 b) kein Weg vorbei, so dass ein "neuer" Antrag im selben Zug unstatthaft ist.

Im übrigen bin ich der Auffassung, dass "correct" in der englischen Fassung "inhaltlich korrekt" bedeutet, sich also ausschließlich auf das Vorliegen der Stellungswiederholung bezieht, da andernfalls Art. 9.2 keinen Sinn ergeben würde, in dem am Anfang "a correct claim" erwähnt wird, unter a) dann jedoch die zusätzliche Bedingung "if he writes his move on his scoresheet" eingeführt wird.

Diese Ansicht wird zusätzlich dadurch gestützt, dass in Art. 12.6 eben nicht von "incorrect claims", sondern von "unreasonable claims" die Rede ist. Augenscheinlich ist "unreasonable" weiter gefasst als "incorrect" und meint sowohl inhaltliche als auch formale Fehler.
Da liest man einmal nicht die englische Fassung gegen, und schon greift man fehl. Asche auf mein Haupt. :oops: Dann bedarf die deutsche Fassung aber wirklich in diesem Punkt einer Revision. Ich würde die beiden Begriffe "berechtigt" und "korrekt" dann nämlich genau an der jeweils anderen Stelle verwenden, als man sie momentan findet.

Gut, jetzt analysieren wir mal detailliert den englischen Satzbau:
9.2 hat geschrieben:The game is drawn, upon a correct claim by the player having the move, when the same position, for at least the third time (not necessarily by a repetition of moves) is about to appear, if he first writes his move on his scoresheet and declares to the arbiter his intention to make this move...
Ich bin zwar kein Muttersprachler, aber nachdem ich diesen Satz jetzt mehrmals gelesen habe, geht für mich daraus gar nicht eindeutig hervor, was einen "correct claim" eigentlich ausmacht. Es scheint, als beziehe sich der Begriff auf die im Nachsatz beschriebenen Handlungen, aber das muss nicht so sein.
9.5 hat geschrieben:If a player claims a draw as in Article 9.2 or 9.3, he shall immediately stop both clocks. He is not allowed to withdraw his claim.
If the claim is found to be correct the game is immediately drawn.
  1. If the claim is found to be correct...
  2. If the claim is found to be incorrect...
Auch hier keine Definition. Hier scheint es jedoch eher um inhaltliche als formale Korrektheit zu gehen.

Kurz gesagt: Bisher schienen mir diese Regeln ziemlich klar, aber nun bin ich mir da nicht mehr so sicher. Das Ganze klingt eigentlich nach einer Frage für Geurt Gijssen. Bei Gelegenheit blättere ich mich mal durch das Chesscafe-Archiv, vielleicht findet sich da was.

Georg Heinze
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Beitrag von Georg Heinze » 13.02.2008, 13:01

Wie gesagt, für die Beurteilung der Sachlage ist es wichtig, die Begründung für den Remisantrag zu kennen.
Wenn Spieler B es damit begründete:
wegen dreimaliger Stellungswiederholung
- so wurde es hier geschrieben - ist es doch die Aufgabe des SR herauszufinden, ob der Anspruch überhaupt besteht und wenn ja, ob nach 9.2. a) oder 9.2 b). Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Spieler nach dieser oder jener FIDE-Regel den Anspruch begründete. Genau deswegen erfolgte doch die Rekapitulation der Stellung!
Wenn der Remisanspruch nach 9.2. b) bestand - und so ergibt die Stellungsbeurteilung - hätte die Partie sofort remis gegeben werden müssen!

Klaus schrieb:
Das lässt sich aus dem Ausgangsbeitrag allerdings logisch erschließen. Da der nicht aufgeschriebene Zug moniert wurde, muss es sich um eine Reklamation nach Art. 9.2 a handeln.
Ohne Kenntnis der vorangegengenen Zugfolge musste man wohl davon ausgehen.
Wie aber nun dargestellt, irrte der SR, indem er meinte, erst mit dem (noch nicht notierten) 33.Zug von schwarz würde die dreimalige Stellungswiederholung eintreten. Deswegen auch die Zeitstrafe.
Um die eingangs gestellte Frage zu beantworten, muss man in Kenntnis der Details nunmehr einschätzen, dass die Entscheidung des SR nicht korrekt war, weil er von falschen Voraussetzungen ausging.
Wie sagt man so schön: irren ist menschlich (und auch Schiris sind nur Menschen).
Offensichtlich wollten aber wohl beide Spieler das Remis und so ist es auch gekommen. Insofern ist kein Schaden entstanden.

Die hier von Werner und stingray gemachten Ausführungen sind für den vorliegenden "Fall" zwar gegenstandslos, weil der Remisantrag sowohl korrekt als auch berechtigt war, aber für die Beurteilung eines anderen Faktes durchaus berechtigt. Es ist mitunter sehr auschlaggebend, ob bei der Übersetzung ins Deutsche dieses oder jenes Wort verwendet wird.
Schließlich kann ein SR außer dem deutschen Text nicht auch noch die Original-Englisch-FIDE-Bestimmungen mit sich tragen.
Wie hier mehrfach ausgeführt, ist es schon schwierig, eine Beurteilung nach 9.2 a) oder b) vorzunehmen. Und das in der Bundesliga!

Eckart
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Beitrag von Eckart » 14.02.2008, 17:13

Bei der letzten Reklamation wegen Stellungswiederholung, über die ich als Schiedsrichter zu entscheiden hatte, hatte der am Zuge befindliche Spieler mir zwar gesagt, welchen Zug er als nächstes spielen wolle und dass sich danach dieselbe Stellung zum dritten Male ergeben werde, er hatte aber weder den Zug auf seinem Formular notiert, noch die Uhr angehalten.

Ich habe ihn aufgefordert, den Zug aufzuschreiben und die Uhr anzuhalten, und danach habe ich zusammen mit den Spielern die Partie nachgespielt, die Reklamation war tatsächlich begründet.

Wegen Formfehlers eine Bestrafung auf der Grundlage von Artikel 12.6 zu verhängen, hielt ich zum einen für unangemessen, weil eine Ablenkung oder Störung des Gegners doch wohl nicht im Nichtaufschreiben des Zuges bzw. Nichtanhalten der Uhr liegen kann.

Zum andern würde es dann zu einer Doppelbestrafung kommen, falls das Nachspielen der Partie zu dem Ergebnis führt, dass sich die Stellung nicht zum dritten Mal ergeben würde, da dann jedenfalls die Uhren nach Art. 9.5 verstellt werden müssten.

Georg Heinze
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Beitrag von Georg Heinze » 14.02.2008, 18:58

Eckart schreibt:
Wegen Formfehlers eine Bestrafung auf der Grundlage von Artikel 12.6 zu verhängen, hielt ich zum einen für unangemessen, weil eine Ablenkung oder Störung des Gegners doch wohl nicht im Nichtaufschreiben des Zuges bzw. Nichtanhalten der Uhr liegen kann.

Zum andern würde es dann zu einer Doppelbestrafung kommen, falls das Nachspielen der Partie zu dem Ergebnis führt, dass sich die Stellung nicht zum dritten Mal ergeben würde, da dann jedenfalls die Uhren nach Art. 9.5 verstellt werden müssten.
Der angesprochene FIDE-Art. lautet:
12.6 Es ist verboten, den Gegner auf irgendwelche Art abzulenken oder zu stören. Dazu gehört auch ungerechtfertigtes Antragstellen oder Anbieten von remis.
Wie hier bereits dargelegt, war das Remisangebot weder ungerechtfertigt noch inkorrekt.
Falls aber sich ein Spieler mit seinem Remisantrag irrt (keine dreimalige Stellungswiederholung), so wäre das ein "ungerechtfertigtes Antragstellen" nach Art. 12.6, aber ganz eindeutig nach Art. 9.5 b) mit den dort aufgeführten Konsequenzen - nämlich mit den genannten Zeitstrafen.
Art. 12.6 dient wohl mehr dazu, dass auch dauerndes Remisanbieten eine Störung darstellt und auf Antrag des betreffenden Spielers bestraft werden kann, nämlich mit den unter 13.4 genannten Strafen.
Warum das "ungerechtfertigte Antragstellen von remis" überhaupt hier genannt wurde, bleibt eine für mich offene Frage - aber vielleicht gibt es außer den unter 9.2 und 9.3 genannten Remisanträgen auch noch andere Möglichkeiten (patt?).

Stingray
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Beitrag von Stingray » 14.02.2008, 23:05

Ich glaube, der Satzbau ist hier (im Deutschen wie im Original) ein wenig verwirrend. Meinem Verständnis nach bezieht sich das Wort "Antragstellen" in 12.6 nicht notwendigerweise auf das Wort "remis". Es geht einfach generell um ungerechtfertigte Anträge; das schließt Remisanträge ebenso ein wie echte Albernheiten.

Um's deutlicher zu sagen: Ich lese den Satz folgendermaßen: "Verboten sind ungerechtfertigte Anträge auf alles Mögliche, unter anderem Remis; darüberhinaus verboten sind ungerechtfertigte Remisangebote."

Georg Heinze
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Beitrag von Georg Heinze » 14.02.2008, 23:23

Stingray schreibt:
Um's deutlicher zu sagen: Ich lese den Satz folgendermaßen: "Verboten sind ungerechtfertigte Anträge auf alles Mögliche, unter anderem Remis; darüberhinaus verboten sind ungerechtfertigte Remisangebote."
Es wäre dann am einfachsten, es auch so zu formulieren.
Allerdings: wann ist ein Remisangebot ungerechtfertigt?
Was hier im FIDE-Artikel gemeint ist, ist das wiederholte, nervende Remisangebiete, was durchaus eine Störung darstellt.
Falls aber jemand remis anbietet, weil er einen Bauern weniger hat, aber ungleiche Läufer auf dem Brett stehen, dann sieht das der eine als "gerechtfertigt" an, aber ein anderer als "ungerechtfertigt", weil er aufgrund der Bauernstellung trotzdem glaubt, die Partie gewinnen zu können. Wer soll nun hier als SR wie entscheiden?
Ich denke, solch eine Formulierung löst die Sache auch nicht.

Stingray
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Beitrag von Stingray » 14.02.2008, 23:42

Das ist eine ganz andere Frage, die man auch nicht eindeutig klären kann. Deine Frage bezog sich auf die "ungerechtfertigten Anträge", womit eben nach meinem Verständnis alle möglichen ungerechtfertigten Anträge und nicht nur die auf Remis gemeint sind. Was an sich "gerechtfertigt" oder nicht ist, liegt situationsbezogen im Ermessen des Schiedsrichters. Stichwort "Tatsachenentscheidung", genau wie in allen Sportarten.

Georg Heinze
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Beitrag von Georg Heinze » 15.02.2008, 12:38

Hm, so kann man es natürlich auch sehen - unglückliche Formulierung:
12.6 Es ist verboten, den Gegner auf irgendwelche Art abzulenken oder zu stören. Dazu gehört auch ungerechtfertigtes Antragstellen oder Anbieten von remis.
Während es im 1.Satz um die Störung an sich geht, ist der 2.Satz als Beispiel zu lesen und sicher so gemeint.
Dann wäre eine Formulierung wie folgt richtiger:
"Dazu gehören auch das Stellen von ungerechtfertigten Anträgen oder häufiges Anbieten von remis."
Aber, was machen wir uns einen Kopf - wir sind ja nicht die FIDE-Regelkommission. Wir müssen es nur ausbaden, was nicht richtig formuliert wurde.

Werner
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Beitrag von Werner » 15.02.2008, 19:45

Ich finde, dass Eckart in dem Fall, über den er als Schiedsrichter zu entscheiden hatte, sehr souverän gehandelt hat.

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