Formfehler bei Remisreklamation

Werner
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Formfehler bei Remisreklamation

Beitrag von Werner » 10.02.2008, 16:01

In einem Mannschaftskampf der 1. Bundesliga hält Spieler A (am Zug) die Uhren an, ruft den Schiedsrichter herbei und reklamiert Remis "wegen dreimaliger Stellungswiederholung".

Spieler und Schiedsrichter spielen die Partie auf einem Analysebrett nach und kommen zu dem Ergebnis, dass der Anspruch an und für sich berechtigt ist, da bemerkt der Schiedsrichter, dass der Reklamierende seinen nächsten Zug gar nicht auf dem Formular niedergeschrieben hat.

Daraufhin zieht der Schiedsrichter dem Reklamierenden drei Minuten Bedenkzeit ab, fügt der Bedenkzeit des Gegners drei Minuten hinzu und setzt die Uhren wieder in Gang.

Der Reklamierende schreibt nun den Zug auf seinem Formular auf, hält die Uhren wieder an und reklamiert abermals, woraufhin der Schiedsrichter die Partie für remis erklärt.


Waren die Entscheidungen des Schiedsrichters korrekt?

Mirko Humme
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Beitrag von Mirko Humme » 10.02.2008, 20:58

Als Außenstehender, der die Nachricht liesst, müßte ich wissen:

Will Spieler A Remisreklamation nach dreimaliger Stellungswiederholung,

a) nachdem sein Gegner diese Stellung durch einen Zug herbeigeführt oder
b) will er diese Stellung mit seinem Zug erreichen?

Im Falle a) wäre die Schiri Entscheidung nicht korrekt,
Im Falle b) möchte ich hinzufügen, dass laut Ihrem Fall eine dreimalige Stellungswiederholung nur dann zutrifft, wenn der gleiche Spieler am Zuge ist, die Stellungen identisch sind und die Zugfolge aller Figuren gleich sind. Ausnahme hiervon: Wenn sich das Rochaderecht vorübergehend oder endgültig geändert hat, oder wenn ein Bauer, der en passant geschlagen werden konnte, nicht mehr geschlagen werden kann.

Stellt sich bei der Analyse heraus, dass eine dreimalige Stellungswiederholung erfolgt ist, ist die Stellung Remis. Besteht der Schiri aber darauf, dass Spieler A aus welchem Grund auch immer noch einen Zug aufschreiben muss, und macht von Zeitabzug bzw. -gutschrift Gebrauch, wäre erneut zu prüfen, ob die Stellung wieder zum dritten Male erfolgte, weil formal Spieler A gezogen hat.

Irgendwie seltsam das Ganze.

Spieler B hätte einfach Remis annehmen können, und wir hätten die Diskussion nicht. Was hat Spieler B eigentlich gesagt? Remis ja oder nein? Laut Ihrem Sachverhalt kamen Spieler und Schiedsrichter über den Anspruch überein. Also Remis in meinen Augen!

Werner
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Beitrag von Werner » 10.02.2008, 21:15

Wie schon ausgeführt, begründet Spieler A die Reklamation schlicht mit "dreimaliger Stellungswiederholung".

Spieler B äußert sich nicht, das muss er auch nicht.

Die Reklamation wurde allein deswegen zurückgewiesen, weil A den Zug nicht aufgeschrieben hatte.

Nachdem der Schiedsrichter die Uhr wieder in Gang gesetzt hat, erfolgt auf dem Brett kein Zug mehr, A notiert den nächsten Zug und hält die Uhr erneut an.

Mirko Humme
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Beitrag von Mirko Humme » 10.02.2008, 22:00

Dann hat der Schiri nur zu prüfen, ob Spieler B soeben mit seinem Zug die dreifache Stellungswiederholung herbeigeführt hat oder nicht. Denn genau das will Spieler A ja reklamieren.

Spieler A ist nur dann verpflichtet, seinen Zug zu notieren, wenn er mit diesem Zug die dreifache Stellungswiederholung herbeiführen will.

Georg Heinze
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Beitrag von Georg Heinze » 10.02.2008, 23:29

Ich nehme an, dass Spieler A mit seinem nicht notierten Zug zum 3.Mal die gleiche Stellung herbeiführen wollte. Dazu hätte er ihn aber notieren müssen (Ausnahmefall zum Verbot des Notierens eines Zuges vor der Ausführung). So steht es in der FIDE-Regel 8.1. in Verbindung mit 9.2.
Insofern war der Remisantrag des Spielers A nicht korrekt. Es hätte ja auch sein können, er macht einen anderen Zug, wenn dann auch der Remisantrag nicht recht logisch wäre oder der Antrag an sich war nicht stichhaltig und demzufolge nicht berechtigt. So sind nun mal die Regeln.
Sehr interessant wäre es geworden, wenn durch die SR-Entscheidung Spieler A durch ZÜ verloren hätte.

dfuchs
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Beitrag von dfuchs » 11.02.2008, 11:51

Das kann nicht passieren, wenn der Anspruch von Spieler A nach Notation des Zuges wirklich begründet ist.

Die letzte Minute eines Spielers ist unantastbar!

Gruß Daniel

Georg Heinze
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Beitrag von Georg Heinze » 11.02.2008, 13:10

Ok., 9.5 b) regelt wie hinsichtlich der Bedenkzeit bei nicht berechtigtem Anspruch zu verfahren ist. Wenn aber Spieler A noch 3 min Restbedenkzeit hat, bekommt er dann noch 1,5 min für den Rest der Züge
und wenn da noch 10 Züge zu absolvieren sind, wird es sehr eng.
Da muss man sich schon überlegen, ob man ein Remis reklamiert. Aber auch dazu darf man sich nicht zu lange Zeit lassen ...
Offensichtlich hatte in dem hier vorliegenden Fall Spieler A aber noch mehr als 6 min Zeit.
Eine andere Frage ist es, ob die Zeitstrafe an sich notwendig bzw. berechtigt war.
Nach 9.5 b) ist die Zeitstrafe vorgeschrieben, wenn der Remisantrag sich als nicht berechtigt erweist. Hier war der Antrag aber berechtigt, nur der Remisantrag insoweit nicht korrekt, da der zur dreimaligen Stellungswiederholung führende Zug nicht notiert war. Also, muss der SR eine Entscheidung treffen und das tat er.

Eckart
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Beitrag von Eckart » 12.02.2008, 20:44

Das ist aber ein merkwürdiger Schiedsrichter, der zunächst die Partie nachspielt und erst dann bemerkt, dass der angekündigte Zug nicht notiert worden ist...


Das eigentliche Problem - wie man eine formal nicht korrekte Reklamation behandelt - scheint mir noch nicht hinreichend erörtert zu sein.
Die FIDE-Regeln enthalten dazu keine allgemeine Regelung.

Nach Artikel 9.4 verliert der Spieler das Reklamationsrecht, falls er den Zug ausführt, statt ihn lediglich aufzuschreiben.

Nach den Auslegungsregeln der Schiedsrichterkommission ist ein Spieler, der es bei der Reklamation unterlässt, die Uhr anzuhalten, aufzufordern, das nachzuholen.

Es erscheint mir daher sachgerecht, auch den Spieler, der es lediglich unterlassen hat, den Zug aufzuschreiben, aufzufordern, den Zug zu notieren, bevor man in die Sachprüfung eintritt.


In dem vorstehenden Fall aber hat der Schiedsrichter die Reklamation zurückgewiesen, dann hätte er jedoch nach Artikel 9.5 b) - "Dann wird die Partie fortgesetzt und der angekündigte Zug muss ausgeführt werden." - darauf bestehen müssen, dass der angekündigte Zug auch tatsächlich ausgeführt wird, eine erneute Reklamation wäre demnach im selben Zug gemäß Artikel 9.4 nicht mehr möglich gewesen. Das Verhalten des Schiedsrichters erscheint mir daher nicht konsequent.

Stingray
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Beitrag von Stingray » 12.02.2008, 21:33

Ist ja ziemlich wuselig geworden. Erstmal eine klare Aussage: Am Verhalten des Schiedsrichters gibt es nichts auszusetzen.
Georg Heinze hat geschrieben:Nach 9.5 b) ist die Zeitstrafe vorgeschrieben, wenn der Remisantrag sich als nicht berechtigt erweist. Hier war der Antrag aber berechtigt, nur der Remisantrag insoweit nicht korrekt, da der zur dreimaligen Stellungswiederholung führende Zug nicht notiert war.
"Berechtigt" ist nur die anscheinend unglückliche deutsche Übersetzung. Im Originaltext steht "correct", das bedeutet sowohl inhaltlich als auch formal richtig.
Eckart hat geschrieben:In dem vorstehenden Fall aber hat der Schiedsrichter die Reklamation zurückgewiesen, dann hätte er jedoch nach Artikel 9.5 b) - "Dann wird die Partie fortgesetzt und der angekündigte Zug muss ausgeführt werden." - darauf bestehen müssen, dass der angekündigte Zug auch tatsächlich ausgeführt wird, eine erneute Reklamation wäre demnach im selben Zug gemäß Artikel 9.4 nicht mehr möglich gewesen. Das Verhalten des Schiedsrichters erscheint mir daher nicht konsequent.
Sehe ich anders. Da der Zug noch nicht aufgeschrieben wurde, kann der Inhalt der Reklamation einzig und allein darin bestehen, dass die Stellungswiederholung bereits mit dem Zug des Gegners hergestellt worden sei. Dieser Anspruch erweist sich als falsch, also wendet man die vorgeschriebene Maßnahme an der Uhr an. Jetzt schreibt derjenige seinen angestrebten Zug auf und stellt einen neuen Antrag. Der erweist sich als berechtigt, also Remis gemäß 9.2.

Viele Spieler haben ein Verständnisproblem damit, dass sie ihren Zug, der die reklamierbare Position herbeiführt, nicht wirklich "machen" dürfen. Dabei entspricht das lediglich einem der fundamentalen Prinzipien der Fide-Regeln: Man kann an den Schiri nur einen formalen Antrag stellen, solange man am Zug ist. Führt man seinen Zug aus, ist man logischerweise nicht mehr am Zug und hat sein Recht für diesen Zug verwirkt. Ihr würdet staunen, wie vielen Leuten ein Kronleuchter aufgeht, wenn man ihnen das mal so oder ähnlich erläutert. :D

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Beitrag von Eckart » 12.02.2008, 21:59

Wenn der Spieler die Reklamation darauf gründet, dass mit seinem nächsten Zug, den er zwar verbal ankündigt, aber nicht niederschreibt, dieselbe Stellung zum dritten Mal entsteht, dann bezieht sich die Reklamation eindeutig auf die NACH diesem Zug entstehende Stellung, und ausschließlich diese Stellung ist auf wiederholtes Vorkommen zu untersuchen.

Die Schiedsrichterkommission unterscheidet sehr wohl zwischen formellen Erfordernissen einerseits und dem Vorliegen der Stellungswiederholung andererseits, da es in der von mir erwähnten Empfehlung zu Art. 9.5 heisst:
"Falls der Spieler die Uhren anhält, prüft der SR, ob der geltend gemachte Anspruch berechtigt ist."

Werner
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Beitrag von Werner » 12.02.2008, 22:25

Der Sachverhalt ist der Partie R Mainka - G Beikert (Remagen-HSK) vom letzten Sonntag nachgebildet, deren Schlusszüge

29.Kb1-a2 Kb8-c8
30.Td1-d2 Kc8-b8
31.Td2-d1 Kb8-c8
32.Dh5-h3 Kc8-b8
33.Dh3-h5

lauteten. An dieser Stelle reklamierte Schwarz.

Man kann unschwer feststellen, dass nach 33... Kb8-c8 dieselbe Stellung wie nach 29... Kc8 und nach 31... Kc8 entstehen würde.

Allerdings war bereits nach 33.Dh5 dieselbe Stellung wie nach 29.Ka2 und 31.Td1 entstanden!

Statt nach Artikel 9.2 a) hätte Schwarz nach Artikel 9.2 b) reklamieren können.

Wenn man nun der Ansicht von Stingray folgt, hätte der Schiedsrichter die Partie für remis erklären müssen, ohne dass es darauf angekommen wäre, ob Schwarz 33... Kc8 notiert hat oder nicht.

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Beitrag von Stingray » 12.02.2008, 23:06

Eckart hat geschrieben:Die Schiedsrichterkommission unterscheidet sehr wohl zwischen formellen Erfordernissen einerseits und dem Vorliegen der Stellungswiederholung andererseits, da es in der von mir erwähnten Empfehlung zu Art. 9.5 heisst:
"Falls der Spieler die Uhren anhält, prüft der SR, ob der geltend gemachte Anspruch berechtigt ist."
Wie gesagt, "berechtigt" ist die in der deutschen Version gewählte Übersetzung des englischen Begriffs "correct", also besteht hier eben gerade kein Unterschied. Zwar hat nach meinem Sprachempfinden der Begriff "berechtigt" auch eine etwas andere Bedeutung als "correct", aber in diesem Kontext betrachte ich sie als gleichwertig. Sollte man sich vielleicht gleich mal für das nächste Regelupdate als Verbesserungsvorschlag notieren.
Werner hat geschrieben:Statt nach Artikel 9.2 a) hätte Schwarz nach Artikel 9.2 b) reklamieren können.

Wenn man nun der Ansicht von Stingray folgt, hätte der Schiedsrichter die Partie für remis erklären müssen, ohne dass es darauf angekommen wäre, ob Schwarz 33... Kc8 notiert hat oder nicht.
Lustiges Detail. :D Das war mir gar nicht bewusst, da ich die Partie nicht betrachtet hatte.

OK, dann bin ich für folgende Argumentation: Da der Zug nicht notiert wurde, liegt kein korrekter Antrag vor. Ein nicht korrekter Antrag wird in Artikel 9 nicht berücksichtigt, sondern ist ein Verstoß gegen Regel 12.6. Ergo steht dem Schiedsrichter der gesamte Katalog aus 13.4 zur Verfügung. Eine mögliche Maßnahme ist "c) das Verkürzen der Restbedenkzeit des zu bestrafenden Spielers". Genau dies hat der Schiri getan. Er muss sich dabei zwar nicht an die Vorgaben aus 9.5 halten, aber das zu tun ist auch nicht unbedingt verkehrt - gerade da es sich bei der Situation insgesamt schon um Artikel 9 handelte. Nachdem er diese Strafe verhängt hat, belehrt er den Spieler über die korrekte Durchführung eines Antrags, der dieser dann mit einem neuen Antrag folgt.

Also: Grundsätzlich richtiges Verhalten seitens des Schiedsrichters, aber wohl etwas unglücklich begründet.

Georg Heinze
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Beitrag von Georg Heinze » 12.02.2008, 23:39

Jetzt wird es aber interessant.
Werner schrieb:
Allerdings war bereits nach 33.Dh5 dieselbe Stellung wie nach 29.Ka2 und 31.Td1 entstanden!

Statt nach Artikel 9.2 a) hätte Schwarz nach Artikel 9.2 b) reklamieren können.
Ob der Antragsteller seinen Antrag auf Grund der FIDE-Regel 9.2 a) oder 9.2. b) stellte, ist dem Eingangsbeitrag nicht zu entnehmen und wahrscheinlich nur den unmittelbar Beteilgten bekannt.
Wenn Spieler B seinen Antrag mit dreifacher Stellungswiederholung begründete, ist nach Art. 9.2. b) die Sachlage eindeutig:
Die Partie ist remis aufgrund eines korrekten Antrages des Spielers, der am Zuge ist, wenn dieselbe Stellung mindestens zum dritten Mal (nicht notwendigerweise durch Zugwiederholung) soeben entstanden ist und der Antragsteller am Zug ist.
Genau dies war mit dem 33.Zug von Spieler A gegeben. Nach diesen Gegebenheiten muss Spieler B weder einen weiteren Zug notieren, noch ist die Entscheidung des SR korrekt.

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Beitrag von Stingray » 12.02.2008, 23:49

Gut, abgesehen davon. Ich war jetzt davon ausgegangen, dass dem Antragsteller dieses Detail schlichtweg entgangen war und er auf Stellungswiederholung durch seinen eigenen nächsten Zug reklamieren wollte. Anderenfalls stimmt dieser Einwand natürlich.

Klaus
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Beitrag von Klaus » 13.02.2008, 00:06

Georg Heinze hat geschrieben:Ob der Antragsteller seinen Antrag auf Grund der FIDE-Regel 9.2 a) oder 9.2. b) stellte, ist dem Eingangsbeitrag nicht zu entnehmen und wahrscheinlich nur den unmittelbar Beteilgten bekannt.
Das lässt sich aus dem Ausgangsbeitrag allerdings logisch erschließen. Da der nicht aufgeschriebene Zug moniert wurde, muss es sich um eine Reklamation nach Art. 9.2 a handeln.

Somit ist Stingrays Argumentation meiner Ansicht nach absolut richtig.

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