Regelwidriger Zug nach Blättchenfall entdeckt

Werner
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Beitrag von Werner » 01.03.2008, 14:12

Deine Bemerkung

"Es muss reklamiert werden."

war geeignet, den irrigen Eindruck zu erwecken, dass die Rechtsfolge Partieverlust gemäß den FIDE-Regeln beim Handyklingeln nur auf Antrag des Gegners eintreten würde.

Und zwar unabhängig davon, ob es nun "Turnierareal" oder "Turniersaal" heisst.

Georg Heinze
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Beitrag von Georg Heinze » 01.03.2008, 16:47

Genau!
Wenn ein Regelverstoß vorliegt, dann muss er festgestellt bzw. reklamiert werden.
Je nachdem, muss der SR von sich aus tätig werden oder einer der beiden Spieler muss ihn regelgerecht melden. Die hierfür vorgesehenen Modalitäten sind nicht immer ganz einfach. Was man dabei alles falsch machen kann, haben wir hier im Forum und auch anderswo gelesen.
So ein Forum soll ja auch dazu da sein, etwas dazu zu lernen.

thomas.soergel
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Blättchenfall ist nicht Partieende

Beitrag von thomas.soergel » 08.04.2008, 16:00

Wie war nochmal die Ausgangslage? Es wurde mitgestrichelt, aber die Mitschrift durch den Schiedsrichter war nicht vollständig oder nicht vorhanden. Es war aber möglich, die Partie mit Hilfe der zuletzt bekannten Stellung, der Endstellung und dem Gedächtnis beider Spieler zu rekonstruieren.
Was die Spieler gestrichelt haben, ist für mich als SR irrelevant, sie können sich ja auch da vertan haben.
Es greifen m.E. zwei Regeln:
Regel 7.4a sagt klar aus, dass eine irreguläre Stellung zu jederzeit zu korrigieren ist, sobald sie während einer laufenenden Partie festgestellt wird. Dies kann sofort nach dem irregulären Zug sein oder auch während der Rekonstruktion nach dem Blättchenfall.
Nach dem Blättchenfall setzt zuerst einmal die Überprüfung an, ob die erforderlichen Züge geschafft wurden. Da die Möglichkeit besteht, dass die 40 Züge doch erreicht wurden, kann die Partie zu diesem Zeitpunkt noch nicht beendet sein.
Um die Partie zu rekonstruieren, muss der Schiedsrichter diese von Beginn an spielen, somit wird er zuerst den Regelverstoß finden und diesen muss er ahnden.
Alles weitere ist danach nicht mehr relevant, denn jetzt muss sowieso die Bedenkzeit neu verteilt werden.
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Werner
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Beitrag von Werner » 08.04.2008, 18:03

Darum geht es ja gerade, dass die Anwendung von Artikel 7.4 a) voraussetzt, dass die Feststellung eines regelwidrigen Zuges "während" der Partie erfolgt.

Mit der Beobachtung des Fallens des Blättchens durch den Schiedsrichter (Art. 6.9) war die Partie beendet, weil die erforderliche Zügezahl nicht erreicht war (Art. 6.10). In diesem Moment - und nicht erst nach Abschluss der Rekonstruktion - waren bereits alle Tatbestandsmerkmale von Artikel 6.10 erfüllt.

Alles, was danach erfolgte, war für das Partieergebnis irrelevant. Eine Einigung der Spieler auf remis beispielsweise während der Rekonstruktion wäre unwirksam gewesen, da die Partie bereits beendet war.

Ergebnis der Rekonstruktion in diesem Fall:
mit der Beobachtung des Blättchenfalls war die Partie beendet.

Übrigens:
Wäre das anders, würde das Schicksal der Partie von den Mitschreibefähigkeiten des Schiedsrichters abhängen:

1. ein Schiedsrichter, der auch bei schnellstem Blitzspiel zügig und fehlerfrei mitschreibt, würde die Partie sofort nach Blättchenfall für durch ZÜ verloren erklären und seine Aufzeichnung den Spielern zum Abschreiben überlassen - das Nachspielen der Partie auf einem anderen Brett wäre überflüssig, erfolgt es dennoch, würde es zweifelsohne nach Beendigung der Partie geschehen.

2. ein langsamer Schiedsrichter, der die Partie nur mitstrichelt oder gar nicht mehr aufzuzeichnen vermag, würde natürlich die gesamte Partie nachspielen müssen. Sollte diese Rekonstruktion noch in dem Sinne zur Partie gehören, dass sie noch nicht beendet ist, würde also erst die Unfähigkeit des Schiedsrichters die Möglichkeit eröffnen, den regelwidrigen Zug noch "während" der Partie zu entdecken.

Das ist m. E. ein klarer Wertungswiderspruch.

thomas.soergel
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Langsamer SR <> Bedächtiger SR

Beitrag von thomas.soergel » 08.04.2008, 19:27

Werner hat geschrieben:Ergebnis der Rekonstruktion in diesem Fall:
mit der Beobachtung des Blättchenfalls war die Partie beendet.

Übrigens:
Wäre das anders, würde das Schicksal der Partie von den Mitschreibefähigkeiten des Schiedsrichters abhängen:

1. ein Schiedsrichter, der auch bei schnellstem Blitzspiel zügig und fehlerfrei mitschreibt, würde die Partie sofort nach Blättchenfall für durch ZÜ verloren erklären und seine Aufzeichnung den Spielern zum Abschreiben überlassen - das Nachspielen der Partie auf einem anderen Brett wäre überflüssig, erfolgt es dennoch, würde es zweifelsohne nach Beendigung der Partie geschehen.

2. ein langsamer Schiedsrichter, der die Partie nur mitstrichelt oder gar nicht mehr aufzuzeichnen vermag, würde natürlich die gesamte Partie nachspielen müssen. Sollte diese Rekonstruktion noch in dem Sinne zur Partie gehören, dass sie noch nicht beendet ist, würde also erst die Unfähigkeit des Schiedsrichters die Möglichkeit eröffnen, den regelwidrigen Zug noch "während" der Partie zu entdecken.

Das ist m. E. ein klarer Wertungswiderspruch.
Ich würde es mir nicht anmaßen, einen SR danach zu beurteilen, wie schnell er mitschreibt. Wer sagt denn, dass er dabei nicht einen Fehler macht. Selbst wenn er der Ansicht ist, dass nur 39 Züge gemacht wurden, er ist dennoch verpflichtet, dies bei Zweifeln nachzuprüfen. Was wäre denn, wenn der Spieler nachweisen kann, dass doch 40 Züge gemacht wurde, weil der SR z.B. vom Partieformular des Schreibenden seine Mitschrift begonnen hat, es sich aber herausstellt, dass dieser einen Zug vergessen hat zu notieren?
Während der Überprüfung kann also die Partie noch nicht beendet sein, denn so lange nicht bewiesen ist, dass der Spieler weniger als 40 Züge gemacht hat, muss die Partie weitergehen, im Zweifel mit dem 41. Zug von Weiß!
Es stellt sich sogar die Frage, was den passiert, wenn bei dieser Überprüfung zu Tage kommt, dass beim anderen Spieler ein Matt übersehen wurde.
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hoppepit
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Re: Langsamer SR <> Bedächtiger SR

Beitrag von hoppepit » 08.04.2008, 19:37

thomas.soergel hat geschrieben:Es stellt sich sogar die Frage, was den passiert, wenn bei dieser Überprüfung zu Tage kommt, dass beim anderen Spieler ein Matt übersehen wurde.
... diese Frage wurde weiter oben schon mal erwähnt.
Matt oder Patt beendet die Partie sofort. Selbst wenn nach der Beendigung der Partie so etwas festgestellt wird, wird das Ergebnis ggfs. geändert.
Genau diese Nummer haben wir beim letzten RSR-Lehrgang ausführlich diskutiert.
Gruß, Peter
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Werner
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Beitrag von Werner » 08.04.2008, 23:39

Wer stirbt, ist sofort tot, und nicht erst dann, wenn der Arzt den Totenschein ausstellt.

Wer nicht stirbt, lebt weiter, auch wenn er für tot erklärt wird.

Klaus
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Beitrag von Klaus » 09.04.2008, 09:56

Werner hat geschrieben:Wer stirbt, ist sofort tot, und nicht erst dann, wenn der Arzt den Totenschein ausstellt.

Wer nicht stirbt, lebt weiter, auch wenn er für tot erklärt wird.
Das stimmt so nicht, tot ist man erst, wenn der Arzt jemanden für tot erklärt. Nebenbei kann man auch noch Herztod oder Hirntod sein. Welche der beiden Todesarten trifft auf den besprochenen Fall zu? :wink:

Georg Heinze
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Beitrag von Georg Heinze » 09.04.2008, 10:09

Ich halte nicht viel davon, wenn man Vergleiche zieht, die oftmals nur bedingt auf schachliche Sachverhalte zutreffen.
Da ist es egal, ob es um Beispiele aus medizinischer Sicht geht (dort gibt es sicher auch Foren, wo man sich darüber auslassen kann) oder Vergleiche zu anderen Sportarten gezogen werden.
Im Schach sind einzig und allein die FIDE-Regeln, ergänzt durch die jeweiligen Turnierordnungen maßgeblich und sonst nichts.
Leider sind weder FIDE-Regeln, noch die TO immer so eindeutig zu handhaben wie man es gerne hätte. Sonst gäbe es wohl nicht soviele Fragen und unterschiedliche Meinungen.

Klaus
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Beitrag von Klaus » 09.04.2008, 10:27

Georg Heinze hat geschrieben:Leider sind weder FIDE-Regeln, noch die TO immer so eindeutig zu handhaben wie man es gerne hätte. Sonst gäbe es wohl nicht soviele Fragen und unterschiedliche Meinungen.
Exakt dies gibt es in diesem Fall. Wir haben zwei entgegengesetzte Auslegungen, die sich beide durch die Regeln begründen lassen und somit (meiner Meinung nach) beide korrekt und zulässig sind.

Vielleicht sollten wir uns darauf einigen, dass es in diesem Fall verschiedene korrekte Auslegungen geben kann.

Eckart
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Beitrag von Eckart » 09.04.2008, 11:40

Ich finde, dass Werner vollkommen Recht hat.


Man könnte es auch anders formulieren:

Dass eine Untersuchung darüber durchgeführt wird, ob ein in der Vergangenheit liegender Sachverhalt eingetreten sei oder nicht, führt nicht dazu, dass der Sachverhalt erst mit Ende der Untersuchung eintritt.


Artikel 6.10 Satz 1 ist ganz eindeutig formuliert.

Ein Spieler hat ... verloren, wenn er die ... Anzahl von Zügen ... nicht vollständig abgeschlossen hat.

und nicht etwa:

Ein Spieler hat verloren, wenn sich nach Rekonstruktion des Partieverlaufs durch den Schiedsrichter herausstellt, dass er die ... Anzahl von Zügen nicht vollständig abgeschlossen hat.

So oder ähnlich müsste Art. 6.10 Satz 1 nämlich lauten, wenn man die Ansicht vertreten wollte, dass die Partie nicht durch Beobachtung des Blättchenfalls, sondern erst durch Abschluss der Rekonstruktion beendet sei.

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Beitrag von hoppepit » 09.04.2008, 12:08

Eckart hat geschrieben:Artikel 6.10 Satz 1 ist ganz eindeutig formuliert.

Ein Spieler hat ... verloren, wenn er die ... Anzahl von Zügen ... nicht vollständig abgeschlossen hat.
Zu dieser Ansicht sind wir denke ich schon ganz am Anfang des Freds mehr oder weniger "mehrheitlich" gekommen.
Deshalb verstehe ich nicht so ganz, wieso hier noch munter weiterdiskutiert wird?!
Gruß, Peter
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Beitrag von thomas.soergel » 09.04.2008, 12:08

Eckart hat geschrieben:Man könnte es auch anders formulieren:
Dass eine Untersuchung darüber durchgeführt wird, ob ein in der Vergangenheit liegender Sachverhalt eingetreten sei oder nicht, führt nicht dazu, dass der Sachverhalt erst mit Ende der Untersuchung eintritt.
Leider liegst Du völlig daneben, denn Regel 6.3 beauftragt den Schiedsrichter mit der Überprüfung, ob den genügend Züge gemacht wurden. Dies kann in einem ungünstigen Fall darin münden, dass an einem neutralen Brett versucht werden muss, anhand der Notation beider Spieler sowie der Mitschriften des SR und ggf. weiterer Helfer sowie der Erinnerung beider Spieler auf die Endstellung zu kommen.
Erst nach dieser Analyse kann festgestellt werden, ob eine Zeitüberschreitung vorliegt.
Das lernt aber eigentlich auf jeden Turnierleiterlehrgang.
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Beitrag von Georg Heinze » 09.04.2008, 12:13

Klaus schrieb:
Vielleicht sollten wir uns darauf einigen, dass es in diesem Fall verschiedene korrekte Auslegungen geben kann.
Wir können uns einigen wie wir wollen.
Das wird aber den zuständigen SR nicht daran hindern, SEINE Auffassung anzuwenden und auch durchzusetzen.
Notfalls und evtl. kann man auch gegen seine Entscheidung wiederum Rechtsmittel einlegen, bis es irgendwann zu einer unumstößlichen Entscheidung kommt, gegen die kein Rechtsmittel mehr zulässig ist.
Nur dann gibt es einen Präzedenzfall und eine "höchstrichterliche" Entscheidung, die man dann für gleiche, evtl. auch ähnlich gelagerte Fälle allgemein verbindlich anwenden kann. Oder man ändert die FIDE-Regeln so, dass noch mehr Eindeutigkeit besteht.

thomas.soergel
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Beitrag von thomas.soergel » 09.04.2008, 12:32

Georg Heinze hat geschrieben:Notfalls und evtl. kann man auch gegen seine Entscheidung wiederum Rechtsmittel einlegen, bis es irgendwann zu einer unumstößlichen Entscheidung kommt, gegen die kein Rechtsmittel mehr zulässig ist.
Nur dann gibt es einen Präzedenzfall und eine "höchstrichterliche" Entscheidung, die man dann für gleiche, evtl. auch ähnlich gelagerte Fälle allgemein verbindlich anwenden kann. Oder man ändert die FIDE-Regeln so, dass noch mehr Eindeutigkeit besteht.
Ich war bis vor zwölf Jahren auch SR im Handball. Das Regelheft ist da noch dünner als die FIDE-Regeln. Abgesehen davon, dass es alle zwei Monate einen Regelabend gab, war für SR, die sich höher qualifizieren wollten, ein kleiner Ordner obligatorisch, der unter Kollegen "Die schwarze Bibel" hieß. Es handelte sich um ein Ringbuch, man wurde vom Verlag auch mit den neuesten Änderungen beliefert, auch hier ändern sich die Regeln ständig.
Vielleicht wäre so etwas auch im Schach sinnvoll. Ein Verweis auf die entsprechende Fundstelle noch im Turniersaal schafft dann sofort Klarheit
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