Fall im Blitzschach

Mirko Humme
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Fall im Blitzschach

Beitrag von Mirko Humme » 03.03.2008, 19:24

Hallo zusammen,

ich hätte da mal einen kuriosen Fall zu schildern:

Blitzschach: Spieler Weiß macht einen regelwidrigen Zug und drückt die Uhr, Schwarz überlegt noch, das schwarze Blättchen fällt sodann.

Schwarz reklamiert den regelwidrigen Zug, Weiß reklamiert Blättchenfall, in dem er die Uhr anhält.

Es ist kein Schiedsrichter anwesend. Wie wäre außerdem zu entscheiden, wenn der SR die Partie beobachtet?

Stingray
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Beitrag von Stingray » 03.03.2008, 19:51

Die zweite Frage ist schnell beantwortet: Es macht keinen Unterschied, da bei Schnell- und Blitzschach immer einer der Spieler den Blättchenfall reklamieren muss (B7).

B7 beantwortet ebenfalls die erste Frage:
Das Fallblättchen gilt als gefallen, sobald einer der Spieler mit Recht darauf hingewiesen hat.
Das heißt also: Solange Weiß das Fallblättchen nicht reklamiert, ist es auch nicht gefallen. So merkwürdig das klingt, in einem solchen Fall entscheidet meiner Meinung nach die erste Reklamation. Soll heißen: Bemängelt Schwarz den regelwidrigen Zug, bevor Weiß den Blättchenfall reklamiert, gewinnt der Nachziehende. Anderenfalls ist es eben umgekehrt.

Werner
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Beitrag von Werner » 03.03.2008, 20:08

Ich finde das nicht merkwürdig.

hoppepit
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Beitrag von hoppepit » 03.03.2008, 22:49

Stingray hat geschrieben:Das heißt also: Solange Weiß das Fallblättchen nicht reklamiert, ist es auch nicht gefallen. So merkwürdig das klingt, in einem solchen Fall entscheidet meiner Meinung nach die erste Reklamation. Soll heißen: Bemängelt Schwarz den regelwidrigen Zug, bevor Weiß den Blättchenfall reklamiert, gewinnt der Nachziehende. Anderenfalls ist es eben umgekehrt.
Sehe ich ganz genauso. Wer zuerst reklamiert, gewinnt!
Gruß, Peter
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dfuchs
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Beitrag von dfuchs » 04.03.2008, 10:08

So, dann muss ich mal eine neue Meinung einbringen:

Ich sage der unmögliche Zug verliert!
Warum?
Nehmen wir einmal an, schwarz schläft nicht und reklamiert gleich, seine Platte fällt trotzdem und weiß reklamiert auch.
Nun lassen wir beide Ereignisse immer näher zusammenkommen. Gewinnt dann, der der schneller spricht, der der lauter schreit oder ist es vielleicht nicht doch zielführender in einem solchen Fall das chronologisch ersten Vergehen zu ahnden?

Gruß Daniel

Stingray
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Beitrag von Stingray » 04.03.2008, 11:28

OK, man könnte jetzt mit dem Physikargument kommen: "Es gibt keine Gleichzeitigkeit." Hab ich irgendwann mal in der Schule gehört. Aber lassen wir das mal, weil führt doch etwas vom Thema ab. :D

Sofern die zeitliche Abfolge der Reklamationen nicht eindeutig nachvollziehbar ist, bin ich Deiner Meinung, dass der regelwidrige Zug Vorrang hat - gemäß der allgemein in den Regeln durchgezogenen Philosophie, dass die Position auf dem Brett im Zweifelsfalle Vorrang vor der Zeitanzeige genießt. Aber wie gesagt, nur im Zweifelsfall. Meine ursprüngliche Aussage bleibt mit dieser Anmerkung bestehen.

Georg Heinze
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Beitrag von Georg Heinze » 04.03.2008, 11:32

Für die Beurteilung des Sachverhaltes sind folgende FIDE-Regeln maßgeblich:
B. Schnellschach
B6. Sobald die Uhr des Gegners in Gang gesetzt wurde, ist ein regelwidriger Zug abgeschlossen. Der Gegner darf dann reklamieren, dass der Spieler einen regelwidrigen Zug gemacht hat, bevor der Reklamierende seinen Zug ausgeführt hat. Nur nach einer derartigen Reklamation darf der Schiedsrichter eingreifen. Wenn allerdings beide Könige im Schach stehen oder eine Bauernumwandlung nicht abgeschlossen wurde, greift der Schiedsrichter nach Möglichkeit ein.

B7. Das Fallblättchen gilt als gefallen, sobald einer der Spieler mit Recht darauf hingewiesen hat. Der Schiedsrichter unterlässt es, das Fallen eines Blättchens anzuzeigen.
B8. Um einen Gewinn durch Zeitüberschreitung zu beanspruchen, muss der Antragsteller beide Uhren anhalten und den Schiedsrichter benachrichtigen. Dem Antrag wird nur stattgegeben, wenn nach Anhalten der Uhren das Fallblättchen des Antragstellers noch oben und das seines Gegners gefallen ist.

C. Blitzschach
C3. Ein regelwidriger Zug ist abgeschlossen, sobald die Uhr des Gegners in Gang gesetzt worden ist. Daraufhin, bevor er selbst seinen Zug ausführt, ist der Gegner berechtigt, den Gewinn zu beanspruchen.
Nach B6 und C3 ist die Sachlage eindeutig. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass mit dem Blättchenfall keine Reklamation mehr möglich ist.
Insofern würde ich mich dfuchs anschließen: wer den unmöglichen Zug ausführt, verliert.
Die chronologische Reihenfolge ist maßgeblich und NICHT, wer am schnellsten reklamiert.

Stingray
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Beitrag von Stingray » 04.03.2008, 12:30

Georg Heinze hat geschrieben:Nach B6 und C3 ist die Sachlage eindeutig. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass mit dem Blättchenfall keine Reklamation mehr möglich ist.
Wo ist da bitte Eindeutigkeit?
B8. Um einen Gewinn durch Zeitüberschreitung zu beanspruchen, muss der Antragsteller beide Uhren anhalten und den Schiedsrichter benachrichtigen. Dem Antrag wird nur stattgegeben, wenn nach Anhalten der Uhren das Fallblättchen des Antragstellers noch oben und das seines Gegners gefallen ist.
Die Voraussetzungen für einen Antrag auf Gewinn durch Blättchenfall sind erfüllt: Die schwarze Zeit ist abgelaufen, die weiße noch nicht. Insbesondere ist das eine der wenigen Reklamationen, für die der Reklamierende nicht am Zug sein muss.
C3. Ein regelwidriger Zug ist abgeschlossen, sobald die Uhr des Gegners in Gang gesetzt worden ist. Daraufhin, bevor er selbst seinen Zug ausführt, ist der Gegner berechtigt, den Gewinn zu beanspruchen.
Auch diese Voraussetzung ist sicherlich erfüllt.

Demnach sind beide Anträge berechtigt. Ich sehe nicht, warum die schwarze Reklamation hier immer Vorrecht genießen muss. Schließlich wird hier explizit die Anforderung an den Spieler gestellt, dass er den Gewinn auch beanspruchen muss. Tut er dies nicht (rechtzeitig), war's das halt. Der illegale Zug beendet die Partie ja nicht automatisch - wenn der Gegner es nicht bemerkt, läuft sie schließlich sonst auch weiter.

Georg Heinze
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Beitrag von Georg Heinze » 04.03.2008, 13:36

Ich habe ja nur meine Meinung geäußert. Allerdings muss ich sagen, dass ich nicht der Blitzschachspezialist bin.

stingray schrieb:
Schließlich wird hier explizit die Anforderung an den Spieler gestellt, dass er den Gewinn auch beanspruchen muss. Tut er dies nicht (rechtzeitig), war's das halt.
Nach dem Eingangsbeitrag von Mirko Humme hat schwarz sehr wohl reklamiert (und damit den Gewinn beansprucht).
Es ist nur die Frage, ob er dies rechtzeitig getan hat. Nach FIDE-Regel muss er das vor seinem nächsten Zug machen, ansonsten steht da nichts. Und genau wie ein unmöglicher Zug nicht automatisch die Partie beendet, tut es auch nicht der Blättchenfall.
Es ist wieder einer der Fälle, wo der SR entscheiden muss. Da aber kein SR anwesend war ...

Werner
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Beitrag von Werner » 04.03.2008, 19:19

Mit der (begründeten) Reklamation des regelwidrigen Zuges war die Partie beendet.

Da eine Partie nur einmal beendet werden kann, war eine danach erfolgte Reklamation der Zeitüberschreitung gegenstandslos.

Also kommt es doch darauf an, wer von beiden zuerst reklamiert.

Beim Schnellschach und beim Blitzschach muss man als Spieler bei der Wahrnehmung seiner Rechte eben etwas schneller reagieren als im Normalschach.

Mirko Humme
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Beitrag von Mirko Humme » 05.03.2008, 01:28

Werner hat geschrieben: Also kommt es doch darauf an, wer von beiden zuerst reklamiert.

Beim Schnellschach und beim Blitzschach muss man als Spieler bei der Wahrnehmung seiner Rechte eben etwas schneller reagieren als im Normalschach.
Da stimme ich voll und ganz zu.

Beide haben das Recht zum Reklammieren:

B7 gibt dem Weiß-Spieler das Recht auf Zeitüberschreitung zu reklamieren.
B6 in Verbindung mit C3 gibt dem Schwarz-Spieler das Recht, einen unmöglichen Zug zu reklamieren.

Da beide Reklamationen im Blitzschach sofort zum Gewinn führen, kommt es meines Erachtens darauf an, wer zuerst reklamiert.

Georg Heinze
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Beitrag von Georg Heinze » 05.03.2008, 09:44

Na, da ist doch alles klar: Schwarz gewinnt, weil er zuerst reklamierte ODER/UND der unmögliche Zug zeitlich vorher lag.

Werner
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Beitrag von Werner » 05.03.2008, 10:34

So klar scheint alles doch noch nicht zu sein.

Warum denn "... ODER/UND der unmögliche Zug zeitlich vorher lag."?

Weder UND noch ODER!

Selbst bei anderer unstreitiger Abfolge der Ereignisse

1. das Blättchen von Schwarz fällt
2. Weiß führt auf dem Brett einen regelwidrigen Zug aus und drückt die Uhr.
3. Schwarz reklamiert den regelwidrigen Zug.
4. Jetzt sieht Weiß, dass das Blättchen von Schwarz gefallen war, hält die Uhr an und reklamiert Zeitüberschreitung.

hätte Schwarz gewonnen, weil - wie von Stingray in seinem ersten Beitrag ausgeführt - bis zur Reklamation des Blättchenfalls das Blättchen als noch nicht gefallen zu gelten hat.

Georg Heinze
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Beitrag von Georg Heinze » 05.03.2008, 11:43

Mirko Humme hatte eine konkrete Frage gestellt und meine Antwort hat die verschiedenen hier gebrachten Argumente zusammengefasst.
Da gab es eben auch die Auffassung, dass nicht der gewinnt, der als erster am lautesten schreit, sondern dass der unmögliche Zug VOR dem Blättchenfall ausschlaggebend ist wenn er denn reklamiert wird - immer gewinnt schwarz. Vielleicht hätte ich noch ein ironisches Smilie setzen sollen ...
Mirko Humme wollte wissen, wie ohne bzw. mit SR zu entscheiden wäre.
Wenn er eine andere Abfolge der Ereignisse dargestellt hätte, wäre die Antwort die gleiche gewesen oder eben nicht.

Werner
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Beitrag von Werner » 05.03.2008, 12:29

Nein, die FIDE-Regeln tragen die Begründung

"UND/ODER der unmögliche Zug zeitlich vorher lag."

gerade nicht, weil nicht die Reihenfolge der Vergehen, sondern die Reihenfolge der Reklamationen maßgeblich ist.

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