Wann ist ein Spieler "am Zuge"?

Werner
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Wann ist ein Spieler "am Zuge"?

Beitrag von Werner » 22.04.2008, 12:44

Mannschaftskampf in der 2. Bundesliga.

Weiß verteidigt seit ca. 40 Zügen ein Endspiel mit Turm gegen Turm und Springer (ohne Bauern). Der Schiedsrichter, der schon ahnt, was kommen würde, beobachtet die Partie seit geraumer Zeit aufmerksam und ist zu der Überzeugung gelangt, dass Weiß dieses theoretische Remisendspiel auch in der Praxis remis zu halten vermag.

Da geschieht folgendes:
Weiß - mit noch ca. 30 Sekunden Restbedenkzeit - führt auf dem Brett einen Zug aus, wendet sich an den Schiedsrichter und sagt: "Ich reklamiere remis" und hält anschließend die Uhren an.

Wie entscheidet der Schiedsrichter?

Stingray
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Beitrag von Stingray » 22.04.2008, 13:34

Standardfrage bei jeder Ausbildung. :lol: Mal schauen, ob ich alle relevanten Dinge berücksichtige:
  1. Grundsätzlich ist der Antrag schon mal falsch, da der Spieler nicht mehr am Zug ist. Einem falsch gestellten Antrag kann nie stattgegeben werden.
  2. Jetzt muss der Schiedsrichter entscheiden, ob dieser formal falsche Antrag einen "ungerechtfertigten Antrag" gemäß 12.6 darstellt. Dazu sollte er erst mal nachfragen, auf welcher Grundlage dieser Antrag denn überhaupt erfolgte (= was für ein Remis? Zugwiederholung? 50 Züge? 10.2?).
  3. Ich vermute mal, Du willst auf einen Antrag gemäß 10.2 hinaus. Vor jeder weiteren Entscheidung erklärt man dem Spieler jetzt erst mal die korrekte Durchführung eines solchen Antrags.
  4. Hernach kann der Schiedsrichter noch eine Strafe aussprechen, so er den Antrag denn als ungerechtfertigt erachtet (siehe 2). Dabei muss er sich nicht zwingend an die zwei Minuten Zugabe für den Gegner in 10.2c) halten, da gar kein korrekt gestellter Antrag vorlag. Dennoch stellen die einen guten Richtwert dar.
Ob ich gleich eine Strafe wegen Verstoßes gegen 12.6 aussprechen würde, kann ich so pauschal nicht beantworten. Das ist eine Einzelfallentscheidung.

Das sollte eigentlich alles sein. Dafür ist mir auch ziemlich egal, in welcher Liga die Partie stattfindet (oder ob überhaupt in einer Liga).

Georg Heinze
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Beitrag von Georg Heinze » 22.04.2008, 13:46

stingray hat eigentlich alles zum Thema gesagt.
Zu der eingangs gestellten Frage kann man nur antworten: so wie es gelaufen ist, war der Spieler nicht am Zuge.
Da der SR ihm aber erklärt hat, wie ein korrekter Remisantrag zu stellen ist, wird er es beim nächsten Mal, wenn er wieder "am Zuge" ist, richtig machen und sich seinen halben Punkt holen..

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Beitrag von hoppepit » 22.04.2008, 17:36

Georg Heinze hat geschrieben:stingray hat eigentlich alles zum Thema gesagt.
Zu der eingangs gestellten Frage kann man nur antworten: so wie es gelaufen ist, war der Spieler nicht am Zuge.
Da der SR ihm aber erklärt hat, wie ein korrekter Remisantrag zu stellen ist, wird er es beim nächsten Mal, wenn er wieder "am Zuge" ist, richtig machen und sich seinen halben Punkt holen..
... ich denke, dem kann man nichts mehr hinzufügen!!
Gruß, Peter
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Werner
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Beitrag von Werner » 22.04.2008, 18:07

[quote="Stingray"]Grundsätzlich ist der Antrag schon mal falsch, da der Spieler nicht mehr am Zug ist.[/quote]

Der Antragsteller hatte die Uhr noch nicht gedrückt.
Warum war er nicht mehr am Zuge?
Gibt es dazu vielleicht eine FIDE-Regel?

hoppepit
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Beitrag von hoppepit » 22.04.2008, 19:23

Uups, da war ich wohl eben zu schnell!
Beim zweiten Lesen stellt sich mir die Frage. Was heißt "Ich reklamiere remis"?!
Nach was wird reklamiert? Art. 9 ff oder 10.2? Ich unterstelle jetzt mal das nach 10.2 normalerweise "beantragt" wird und nicht "reklamiert". Oder führt das zu weit.

Also ein Antrag nach 10.2 wäre korrekt gestellt, das weitere Vorgehen dürfte klar sein.
Nach 9.2 oder 9.3 ist der Antrag meiner Meinung nach falsch gestellt, da er nach Ausführen seines Zuges nicht mehr "am Zug" war, sondern sein Gegner. Zur korrekten Reklamation hätte er seinen beabsichtigten Zug nur notieren dürfen und dann den SR rufen.
Art. 1.1:
... Ein Spieler "ist am Zug", sobald der Zug seines Gegners ausgeführt worden ist.
Und dort steht nicht "abgeschlossen" also daß die Uhr gedrückt sein muß. Somit hat das "Zugrecht" gewechselt.
Gruß, Peter
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Weiß ist nocham Zug

Beitrag von thomas.soergel » 22.04.2008, 19:35

Ich würde Werner beipflichten, solange er die Uhr noch nicht gedrückt hat, ist er ja am Zug. Er hat ja solange noch das Recht, z.B. einen irregulären Zug zu korrigieren oder ein Remis anzubieten, was er ja auch nur korrekt machen kann, wenn er am Zug ist. Genau deswegen wird ja empfohlen, den Zug zu machen, anbieten und Uhr drücken.
In diesem Fall holt er aber den SR, um zu reklamieren.
Hier bin ich mir aber nicht sicher:
Kann er noch den Spieler fragen, auf welcher Grundlage er reklamiert oder sollte er das sogar machen?
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Georg Heinze
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Beitrag von Georg Heinze » 22.04.2008, 19:53

Leider ist aus dem Eingangsthread nicht erkennbar, ob nach 9.2, 9.3 oder 10.2 remis beantragt wird. An dem Wort "reklamiert" würde ich mich zunächst nicht stoßen. Es muss aber für den SR schon erkennbar sein, was der Spieler eigentlich will: dreimalige Stellungswiederholung, 50 Züge ohne Bauernzug oder eben die Endspurtphase.
Es steht aber bei allen genannten Artikeln, dass der Spieler "am Zuge sein muss", wenn er remis beantragt. Das sind eben die Feinheiten, bin ich am Zuge, habe ich ihn bereits gemacht oder habe ich ihn gar "abgeschlossen", d.h. die Uhr gedrückt. So, wie der Fall hier geschildert wird, war weiß eben nicht mehr "am Zuge". Alles das hat aber stingray bereits geschrieben.
Worüber diskutieren wir da noch? Sicher, ich habe auch keine Erklärung, ob vor oder nach dem ziehen weiß nun sein remis bekommt. Aber egal, ob ich das nun verstehe oder nicht, Regeln sind Regeln und vielleicht weiß auch jemand eine nachvollziebare Begründung, warum die Formulierung so und nicht anders lautet.

Stingray
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Beitrag von Stingray » 22.04.2008, 19:55

Werner hat geschrieben:
Stingray hat geschrieben:Grundsätzlich ist der Antrag schon mal falsch, da der Spieler nicht mehr am Zug ist.
Der Antragsteller hatte die Uhr noch nicht gedrückt.
Warum war er nicht mehr am Zuge?
Gibt es dazu vielleicht eine FIDE-Regel?
Das ist doch nun wirklich eines der ersten Dinge, die man bei jeder Schiedsrichterausbildung lernt:
  1. Sobald der Gegner einen regulären Zug ausgeführt hat, ist man "am Zug".
  2. Sobald auf dem Brett ein regulärer Zug gemacht wurde, ist selbiger "ausgeführt". Der entsprechende Spieler ist nicht mehr "am Zug".
  3. Sobald die Uhr gedrückt wurde, ist der Zug "abgeschlossen".
hoppepit hat den Satz aus Artikel 1 schon zitiert. Zur Definition von Zug "ausgeführt" siehe Artikel 4, insbesondere
4.6 hat geschrieben:Der Zug gilt als ausgeführt, sobald alle notwendigen Anforderungen von Artikel 3 erfüllt worden sind...
(Es folgen noch die Spezialfälle Schlagen, Rochade und Bauernumwandlung. Artikel 3 beschreibt die Gangart der Figuren.)

Dass ich so etwas im Schiedsrichterforum überhaupt diskutieren muss... (Sorry, an sich halte ich nichts von Polemik, aber das kann ja wohl echt nicht sein.)
Georg Heinze hat geschrieben:Aber egal, ob ich das nun verstehe oder nicht, Regeln sind Regeln und vielleicht weiß auch jemand eine nachvollziebare Begründung, warum die Formulierung so und nicht anders lautet.
Grundsätzliche Regelphilosophie. Sämtliche formalen Anträge an den Schiedsrichter können nur erfolgen, wenn man selbst am Zug ist. Ich weiß es zwar nicht genau, denke mir aber, so soll einer möglichen Fehlerquelle vorgebeugt werden. Sobald ich gezogen habe, darf mein Gegner schließlich antworten. (Er muss mir zwar noch die Möglichkeit zum Uhrdrücken geben, darf aber bereits ziehen, wenn er wünscht.) Dadurch wäre die Reklamation ggf. bereits hinfällig. Bei 10.2 ist das zwar nicht unbedingt relevant, aber bei 9.2 und 9.3 zählt jeder einzelne Zug. Wenn man das gleich bei allen entsprechenden Regeln vorschreibt, ist es einfacher. Zudem wird so der Gegner in seinen Überlegungen nicht noch unnötig gestört (ja, natürlich denkt man auch schon vorher über mögliche Antworten nach; aber erst wenn man wirklich dran ist, wird es konkret).

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Beitrag von Georg Heinze » 22.04.2008, 20:04

thomas. soergel schreibt:
Genau deswegen wird ja empfohlen, den Zug zu machen, anbieten und Uhr drücken.
Das gilt aber nur für das "normale Remisanbieten"!
9.1 a) Ein Spieler, der remis anbieten möchte, tut dies, nachdem er einen Zug auf dem Schachbrett ausgeführt und bevor er seine Uhr angehalten und die seines Gegners in Gang gesetzt hat.
Das remis biete ich meinem Gegner an und dazu bedarf es bakanntlich keines SR.
Hier geht es aber um das Beantragen eines remis aufgrund der unter 9.2, 9.3 oder 10.2 genannten Tatbestände.

Was mich aber doch erstaunt: nachdem ich einen Zug gemacht habe, bin ich eben nicht mehr "am Zuge". Dazu braucht man keine Regelkenntnis.
Schwieriger ist es für manche, einzuordnen, wann ein Zug "abgeschlossen" ist.

PS: Sorry, da war mir stingray zuvorgekommen. Aber es kann nicht schaden ...

Werner
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Beitrag von Werner » 22.04.2008, 20:42

[quote="Stingray"]Dass ich so etwas im Schiedsrichterforum überhaupt diskutieren muss... (Sorry, an sich halte ich nichts von Polemik, aber das kann ja wohl echt nicht sein.)[/quote]

Der Spieler im Beispielsfall hat es nicht gewusst.
Da wird man hier ja wohl mal darüber sprechen dürfen.

Ich denke, dass auch Nicht-Schiedsrichter in dieses Forum schauen.

In deinem ersten Beitrag hattest du Art. 1.1 und Art. 4.6 nicht genannt.

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Beitrag von Stingray » 22.04.2008, 20:52

Für Nichtschiedsrichter gibt's den Bereich "Regelfragen" im allgemeinen Forum des Schachbunds. Im SRK-Forum gehe ich jedoch davon aus, es nur mit ausgebildeten Schiedsrichtern zu tun zu haben. Falls ich mit dieser Einschätzung falsch liegen sollte: Wozu existiert dieses separate Forum sonst überhaupt? Könnte vielleicht mal ein Moderator etwas dazu sagen?

Auf die Nennung der Fide-Regeln hatte ich verzichtet, weil das, wie gesagt, bei jeder Regelausbildung mit das erste ist, was man beigebracht bekommt. Wenn ein Referent das nicht erwähnt, würde ich als Veranstalter meine Auslagen zurück verlangen.

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Falsch verstanden

Beitrag von thomas.soergel » 23.04.2008, 09:24

Georg Heinze hat geschrieben:thomas. soergel schreibt:
Genau deswegen wird ja empfohlen, den Zug zu machen, anbieten und Uhr drücken.
Das gilt aber nur für das "normale Remisanbieten"!
9.1 a) Ein Spieler, der remis anbieten möchte, tut dies, nachdem er einen Zug auf dem Schachbrett ausgeführt und bevor er seine Uhr angehalten und die seines Gegners in Gang gesetzt hat.
Das remis biete ich meinem Gegner an und dazu bedarf es bakanntlich keines SR.
Hier geht es aber um das Beantragen eines remis aufgrund der unter 9.2, 9.3 oder 10.2 genannten Tatbestände.
Mir ist auch klar, dass das von mir beschriebene Prozedere nur für das normale Remisanbieten gilt, was hier aber nicht Diskussionsgrundlage ist. Ich wollte dies nur als Beispiel bringen, dass der Spieler m.E. noch am Zug ist, weil er seinen Zug nicht vollständig abgeschlossen hat. Anträge nach 9.2 oder 9.3 scheiden sowieso aus, weil der Spieler ja schon eine Figur berührt, ja schon gezogen hat.
Er muss m.E. ja auch noch am Zug sein, weil er einen irregulären Zug noch straffrei zurücknehmen kann.
Aber ich lasse mich hier auch überzeugen, dass Zugabschluss bedeutet, dass die Figuren endgültig korrekt gesetzt wurden.
1. Spielleiter
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Vielleicht nur Leserechte

Beitrag von thomas.soergel » 23.04.2008, 09:30

Stingray hat geschrieben:Für Nichtschiedsrichter gibt's den Bereich "Regelfragen" im allgemeinen Forum des Schachbunds. Im SRK-Forum gehe ich jedoch davon aus, es nur mit ausgebildeten Schiedsrichtern zu tun zu haben. Falls ich mit dieser Einschätzung falsch liegen sollte: Wozu existiert dieses separate Forum sonst überhaupt? Könnte vielleicht mal ein Moderator etwas dazu sagen?
Auf die Nennung der Fide-Regeln hatte ich verzichtet, weil das, wie gesagt, bei jeder Regelausbildung mit das erste ist, was man beigebracht bekommt. Wenn ein Referent das nicht erwähnt, würde ich als Veranstalter meine Auslagen zurück verlangen.
Ich bin relativ neu hier, habe aber den SR-Schein. Vielleicht wäre es eine Lösung, nur Schachfreunden mit einer SR-Lizenz Schreibrechte zu geben. So könnte man nebenbei auch die sog. Forumstrolle erledigen, die nur irgendwelchen Unsinn posten, der nichts mit Schach zu tun hat.
Leserechte für Schachlaien können aber sicher nicht schaden.
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Pragmatische Lösung

Beitrag von thomas.soergel » 23.04.2008, 11:11

Gegeben, dass ein Spieler nicht mehr am Zug ist, wenn er einen regelkonformen Zug ausgeführt hat, auch wenn er seine Uhr noch nicht gedrückt hat, im vorliegenden Fall würde ich wie folgt verfahren.

1. Ich lasse mir von Weiß erklären, warum er Remis reklamiert.
2. Ich frage Schwarz, ob er mit dem Remis einverstanden wäre.

Auch ein falsch gestellter Remisantrag, gleich ob 9.2, 9.3 oder 10.2, gleich ob falscher Zeitpunkt oder sachlich falsch, bleibt ein Remisgebot. Nimmt Schwarz an, erspart man sich allerhand Verwaltungsaufwand.

3. Lehnt Schwarz ab, kann ich Weiß immer noch erklären, dass er nicht am Zug ist und ihn ggf. bestrafen. Dreißig Sekunden Bedenkzeit werden ja für den Aufschub des Antrags um einen Zug noch immer ausreichen.
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