Ergebnis bei Handyklingeln

thomas.soergel
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Nicht unanfechtbar

Beitrag von thomas.soergel » 22.07.2008, 11:22

Rudi Hirr hat geschrieben:Was Proteste gegen Schiedrichterentscheidungen bei 12.2 betrifft:
Hätte ein Potest überhaupt einen Sinn? Würde eher denken, daß der Schiedsrichter bei der aktuellen Fassung von 12.2 entscheiden kann, wie er will. Bei einem Protest würde wohl seine ursprüngliche Entscheidung bleiben. Da brauchte man sich auch nicht wundern, daß es kaum oder sehr wenige Proteste gibt.
Kann er sicherlich, allerdings ist seine Entscheidung nicht, wie z.B. in Art. 10.2 definiert, endgültig.
Es wäre daher interessant, wenn so ein Fall den Instanzenweg bis zur FIDE findet. Wahrscheinlich schrecken hier auch die Kosten ab, der Ausgang dürfte ungewiss sein, weil es genug Schachjuristen geben dürfte, die das so und anders sehen.
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Georg Heinze
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Beitrag von Georg Heinze » 22.07.2008, 11:24

Rudi Hirr schrieb:
Hätte ein Potest überhaupt einen Sinn?
Das ist eine gute Frage.
Es kommt ja darauf an, wie der SR seine Entscheidung begründet.
Wenn er seine Entscheidung damit begründet, dass er gelernt hat, dass der Gegner immer den vollen Punkt erhält, selbst bei blankem König und das von einem Wettkampf- und Turnierbericht so bestätigt wird, hätten wir einen sogen. Präzedenzfall.
Sagt aber ein WTG, dass ein blanker König nicht gewinnen kann und dies damit begründet, dass die FIDE-Regeln eben genau solche Ausnahmen zulassen, hätten wir auch einen Präzendenzfall. Falls das ein berliner Turniergericht so entscheidet, muss das allerdings noch lange nicht für Bayern gelten.
Falls es aber so einen Präzedenzfall geben würde, ist für jeden SR einfacher.

Werner
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Beitrag von Werner » 22.07.2008, 17:11

[quote="Georg Heinze"]Irgendwo hatte ich auch gelesen, dass eine Wertung wie 0 : 0,5 oder ähnlich zwar möglich ist, aber von den DWZ-Auswertungsprogrammen nicht akzeptiert wird. M.E. vom DWZ-Mann Fleischer.
Habe den Beitrag gefunden: (DSB-Forum "Regelfragen" "kampflos oder nicht"):
[quote]1/2 : 0 ist mit der derzeit vorhandenen und leider nicht mehr änderbaren Software im Augenblick nicht wertbar. Das wir frühestens ab 2008 möglich sein. [/quote]
Nun haben wir zwar 2008 ...
[/quote]

Dann ist zwar das DWZ-Auswertungsprogramm unvollkommen, aber das kann m. E. kein Grund für den Schiedsrichter sein, sich einem Ergebnis wie 0,5:0,0 - das sich auch (fern vom Handyklingeln) als Strafe nach Art. 13.4 e) ergeben kann - in ausnahmslos jedem Fall zu verweigern.
Muss die DWZ für diesen einen Fall eben "per Hand" berechnet werden.

Werner
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Beitrag von Werner » 22.07.2008, 17:33

[quote="Rudi Hirr"]Würde eher denken, daß der Schiedsrichter bei der aktuellen Fassung von 12.2 entscheiden kann, wie er will.[/quote]

Eine rein willkürliche Entscheidung würde dem Vorwort der FIDE-Regeln kaum entsprechen:

"Eine allzu detaillierte Regelung könnte dem Schiedsrichter seine Entscheidungsfreiheit nehmen und ihn somit daran hindern, eine sportliche, logische und den speziellen Gegebenheiten angemessene Lösung zu finden."

Es ist m. E. weder sportlich noch logisch, dem nackten König einen ganzen Punkt zu geben, wenn des Gegners Handy klingelt. Auch bei dem von Eckart geschilderten Fall würde ich dem Schwarzen nur 0,5 Punkte geben.
In der Gesamtzahl aller möglichen Fälle würde ein solcher Spezialfall sicherlich nicht allzu häufig auftreten, trotzdem sollte er nicht durch eine Auslegungsrichtlinie anderen Inhalts gänzlich ausgeschlossen werden.


Im Protestfall müßte eine übergeordnete Instanz (Schiedsgericht o. ä.) die Entscheidung des Schiedsrichters auf Ermessensfehler untersuchen; dass der Protest (wie bei Art. 10.2 d) von vornherein unzulässig wäre, kann ich nicht erkennen.

Georg Heinze
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Beitrag von Georg Heinze » 22.07.2008, 22:17

Werner schrieb:
Eine rein willkürliche Entscheidung würde dem Vorwort der FIDE-Regeln kaum entsprechen:
Es geht ja nicht um eine willkürliche Entscheidung.
Es geht eigentlich nur darum, ob der Gegner einen vollen Punkt bekommt (so wie es z.B. J. Kohlstädt sieht) oder ob der SR ggf. einen Ermessensspielraum hat, den ihm FIDE-Regel einräumt, die da lautet:
Das Ergebnis des Gegners legt der Schiedsrichter fest.

thomas.soergel
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Wo Ermessen, wo Willkür

Beitrag von thomas.soergel » 23.07.2008, 07:28

Georg Heinze hat geschrieben:Es geht ja nicht um eine willkürliche Entscheidung.
Es geht eigentlich nur darum, ob der Gegner einen vollen Punkt bekommt (so wie es z.B. J. Kohlstädt sieht) oder ob der SR ggf. einen Ermessensspielraum hat, den ihm FIDE-Regel einräumt, die da lautet:
Das Ergebnis des Gegners legt der Schiedsrichter fest.
J. Kohlstädt macht es sich relativ einfach, wenn er nur 0:1 gegen den Handysünder zulassen möchte. Der SR legt in der Tat ein Ergebnis fest, alle kennen die Vorgabe.
Die FIDE wünscht hier sicher was anderes, also auch die Möglichkeit der Resultate 0:0,5 oder sogar 0:0. Somit schon die Frage, ob nicht bereits die Vorgabe Kohlstädt gegen die FIDE-Regeln verstößt.
Die Frage ist insbesondere bei 0:0,5, wann dieses gegeben werden soll: Nur bei nicht gewinnbarer Stellung (Blanker König, K+L vs K+T) oder auch bei Stellungen, die auch bei Reklamation nach 10.2 eine Sekunde vor Schluß remis gegeben würden, wie das Beispiel von Eckhard oder das Endspiel K+S vs K+T, wenn bei der Turmpartei das Handy klingelt.
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Georg Heinze
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Beitrag von Georg Heinze » 23.07.2008, 08:57

thomas.soergel schrieb:
Somit schon die Frage, ob nicht bereits die Vorgabe Kohlstädt gegen die FIDE-Regeln verstößt.
Mir ist nur bekannt, dass J. Kohlstädt Turnierleiter der Bundesliga ist.
Ob er in dieser Eigenschaft überhaupt berechtigt ist, Schiedsrichtern "Vorgaben" oder "Empfehlungen" zu geben, zweifle ich ohnehin an.
Fakt bleibt aber nach wie vor die FIDE-Regel und in einem Protestfall, wenn Aussage Kohlstädt gegen eine anders lautende SR-Entscheidung zur Verhandlung steht, würde es sehr interessant.
Erst wenn die FIDE-Regel über der Kohlstädtchen Empfehlung steht, würde die Frage zu klären sein, wann ein remis für den Handyklingel-Gegner gegeben werden kann.

Werner
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Beitrag von Werner » 24.07.2008, 00:09

[quote="Georg Heinze"]
Erst wenn die FIDE-Regel über der Kohlstädtchen Empfehlung steht, würde die Frage zu klären sein, wann ein remis für den Handyklingel-Gegner gegeben werden kann.[/quote]

Aus dem Vorwort der FIDE-Regeln:

"Eine angeschlossene Föderation hat das Recht, detailliertere Schachregeln einzuführen, vorausgesetzt, dass diese:
a) in keiner Weise mit den offiziellen Schachregeln der FIDE in Konflikt treten,
..."

Eine Regel, die den dem Schiedsrichter durch Artikel 12.2 b) Satz 3 eingeräumten Entscheidungsspielraum auf Null reduziert, bedeutet einen Verstoß gegen die im Vorwort dargelegte Beschränkung der Rechtssetzungsbefugnis des DSB.

Werner
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Beitrag von Werner » 24.07.2008, 00:11

[quote="Georg Heinze"]Werner schrieb:
[quote]Eine rein willkürliche Entscheidung würde dem Vorwort der FIDE-Regeln kaum entsprechen: [/quote]
Es geht ja nicht um eine willkürliche Entscheidung.
[/quote]

Doch, genau darum geht es, wenn Rudi Hirr, meint, dass der Schiedsrichter machen könne, "was er will".

Werner
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Beitrag von Werner » 24.07.2008, 00:20

[quote="Georg Heinze"]
Mir ist nur bekannt, dass J. Kohlstädt Turnierleiter der Bundesliga ist.
Ob er in dieser Eigenschaft überhaupt berechtigt ist, Schiedsrichtern "Vorgaben" oder "Empfehlungen" zu geben, zweifle ich ohnehin an.
[/quote]

J. Kohlstädt ist Vorsitzender der Schiedsrichterkommission des DSB, die nach § 47 Abs. 3 Nr. 1 der Satzung des DSB für die "Überwachung der einheitlichen Regelauslegung" zuständig ist.

Eine Zuständigkeit für den Erlass von Regelungen, die mit den FIDE-Regeln in Konflikt treten, sehe ich darin nicht.

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Erklärungsbedarf

Beitrag von thomas.soergel » 24.07.2008, 08:28

Werner hat geschrieben:Eine Zuständigkeit für den Erlass von Regelungen, die mit den FIDE-Regeln in Konflikt treten, sehe ich darin nicht.
Kannst Du mir bitte diesen Satz genauer erklären, was er denn eigentlich bedeuten soll?
Ich denke, dass hier zwei Funktionen des Herrn Kohlstädt betrachtet werden müssen. Als Spielleiter der Bundesligen hat er geäußert, dass er bei Handyklingeln wünscht, dass die SR ein 0:1 festlegen, egal, was auf dem Brett ist. Damit ist eine Richtlinie gegeben, was der SR festlegen soll. Diese gilt aber nur für die Bundesligen. Ob sie dem Wunsch der FIDE entsprechen, auch nicht mehr gewinnbare Stellungen mit einem vollen Punkt zu belohnen, mag bezweifelt werden. Man kann es auch als Bestrafung der Mannschaft ansehen, weil sie nicht aufgepasst hat.
Für die übrigen, unteren Ligen gilt dieser Erlaß wohl nicht. Ansonsten hätte er eine solche Empfehlung als Vorsitzender der SR-Kommission aussprechen müssen.
Eine Präzissierung bezüglich des Ergebnisses 0:0,5 durch die FIDE ist aber wünschenswert. Ob sie analog zum Blättchenfall ausgeht oder dem SR eine Stellungsbeurteilung einräumt (gefährlich), bleibt abzuwarten.
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Beitrag von Rudi Hirr » 24.07.2008, 08:45

Mehrere Forumsteilnehmer haben sich jetzt dafür ausgesprochen, daß eine Präzisierung von 12.2 wünschenschwert ist. Leider ist mir immer noch nicht bekannt, ob die FIDE dies erwägt und ob der DSB in dieser Richtung eine Initiative ( mit oder auch ohne FIDE ) unternommen hat bzw. noch plant.

thomas.soergel
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Zeitüberschreitung vs Handyklingeln

Beitrag von thomas.soergel » 24.07.2008, 10:45

Was passiert eigentlich im folgenden Fall?
Bei Spieler A fällt das Fallblättchen zur ersten Zeitperiode. Beide Spieler waren in Zeitnot, so dass eine Rekonstruktion der Partie durch den SR notwendig ist, um zu prüfen, wieviele Züge denn gespielt wurden.
Während dieser Prüfung läutet bei Spieler B das Handy. Der SR stellt inzwischen fest, dass Spieler A die 40 Züge nicht geschafft hat.
Wie ist nun zu entscheiden, nachdem wir aus früheren Diskussionen ja gelernt haben, dass während der Überprüfung die Partie nicht beendet ist?
Sieg für A, weil das Handy während der Partie gebimmelt hat?
Sieg für B, weil A vorher die Zeit überschritten hat, das Partieende somit vor dem Handybimmeln war, aber erst nachträglich festgestellt wurde.
Oder gar 0:0?
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Georg Heinze
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Beitrag von Georg Heinze » 24.07.2008, 13:00

Für mich ist das Ergebnis klar: 1 : 0 für Spieler B.
Begründung: Spieler A verliert durch ZÜ. Das ist klar und eindeutig und wurde vom SR bei der Rekonstruktion festgestellt. Wir haben zwar festgestellt, dass die Rekonstruktion zur Partie gehört, falls die Eindeutigkeit der ZÜ nicht absolut feststeht, aber sie ist und bleibt in meinen Augen eben nur ein Hilfsmittel zur Bestätigung des Fakts.
Falls die geforderte Zügezahl absolviert ist, läuft natürlich die Partie weiter und dann verliert, dessen Handy klingelt.

Georg Heinze
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Beitrag von Georg Heinze » 24.07.2008, 13:07

zu Rudi Hirr:
hoppepit hat geschrieben:
Laut meinen Unterlagen für die Anträge auf Regeländerungen soll der "Handyparagraph" etwas präzisiert werden. Allerdings steht der Passus "Das Ergebnis des Gegners legt der SR fest" noch genauso drin. Da gibt es bisher keine Änderungswünsche.
Da die deutschen Vertreter in der FIDE-Kommission kaum hier das Forum lesen, wäre es wünschenswert, diese entsprechend zu informieren.
Leider kenne ich diese Leute nicht, weiß da jemand mehr?

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