thomas.soergel hat geschrieben:In einem Fall schreibt es die FIDE-Regel explizit vor, im anderen Fall empfiehlt Sfr. Krauße, im Strafmaßnahmenkatalog die Maßnahme "Partieverlust" so auszuwählen, wie es analog beim Läuten eines Handys der Fall wäre.
Gerade diese "Analogie" ist rechtssystematisch nicht tragbar, da die analoge Anwendung einer Vorschrift immer das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke voraussetzt.
Das aber würde verlangen, dass der Gesetzgeber bei der Formulierung von Art. 12.2 b) schlicht übersehen oder die Möglichkeit außer acht gelassen hätte, dass ein Mobiltelefon nicht nur läuten, sondern dass man damit auch telefonieren kann. Eine analoge Anwendung kommt daher nicht in Betracht.
Eine detaillierte Regelung der FIDE ist nach meiner Einschätzung daher nicht zu erwarten, weil das "dem Schiedsrichter seine Entscheidungsfreiheit nehmen" - siehe Vorwort! - und ihn daran hindern würde, eine sportliche, logische und "den speziellen Gegebenheiten angemessene Lösung" zu finden.
Vielmehr erfordert der Gleichheitsgrundsatz, wesentlich Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln. Wer vom Turnierareal aus ohne Genehmigung zuhause anruft, auf Mithören stellt und, für alle Anwesenden vernehmlich, dem Gesprächspartner mitteilt, dass er erst zu einer bestimmten Uhrzeit nach Hause kommen wird, und das Gespräch sofort danach beendet, mag damit eine Störung verursachen, ein Betrugsversuch ist das keinesfalls. Ein solches Fehlverhalten dürfte demnach nicht genauso geahndet werden, wie wenn jemand bei einem Telefonat mit den Worten "Er hat Lf8-c5 gespielt, wie soll ich antworten?" oder mit dem Pocket-Fritz auf der Toilette erwischt wird.
Außerdem halte ich es für falsch, in dem Krauses Statement zugrunde liegenden Fall für den Gegner Art. 12.2 b) Satz 3 überhaupt anzuwenden. Art. 12.2 b) Satz 3 knüpft unmittelbar an Art. 12.2 b) Satz 2 an und darf nur dann zur Anwendung gelangen, wenn für den Spieler tatsächlich wegen Läuten des Mobiltelefons das Spiel verloren gegeben wird.
Sofern die Bestrafung auf Art. 13.4 gestützt wird - wie Krause es beim ungenehmigten Telefonieren tut -, darf Art. 12.2 b) Satz 3 gar nicht zur Geltung kommen, da Art. 13.4 weder auf Art. 12.2 b) Satz 3 verweist noch eine inhaltlich entsprechende Norm - systematisch richtig müsste Art. 13.4 d) entsprechend erweitert werden - enthält.