Berechnung der Bedenkzeit

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thomas.soergel
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Berechnung der Bedenkzeit

Beitrag von thomas.soergel » 25.08.2008, 09:14

Bezüglich der Geschichte mit der nachträglichen Feststellung des unmöglichen Zuges nach dem Blättchenfall hätte ich mal eine Frage, wie die Bedenkzeit einzustellen ist.
Der Fall also: Der SR stellt vor der ersten Zeitkontrolle fest, dass Weiß bei Weiß das Blättchen gefallen ist. Die Rekonstruktion der Partie ergibt, dass Weiß im 34. Zug auch noch einen unmöglichen Zug getätigt hat, der natürlich zurückgenommen werden muss. Die Partie wird daher beim 34. Zug von Weiß wieder aufgenommen, Schwarz bekommt zwei Minuten Zeitgutschrift.
Die Frage ist jetzt, wie die Bedenkzeit einzustellen ist. Geht man nach den üblichen Formeln, dann hat Weiß plötzlich wieder 18 Minuten.
Muss ich das wirklich so einstellen, insbesondere wenn für mich als SR aufgrund eigener Beobachtungen, Zeitangaben auf dem Partieformular von Schwarz oder der Tatsache, dass Weiß ab dem 29. Zug nicht mehr mitschrieb, erkennbar ist, dass Weiß zu diesem Zeitpunkt weniger als fünf Minuten hatte?
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Georg Heinze
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Beitrag von Georg Heinze » 25.08.2008, 12:23

Also, so ganz verstehe ich die Ausführungen nicht.
Zunächst gilt FIDE-Artikel 7.4 a):
7.4 a) Wenn während einer Partie festgestellt wird, dass ein regelwidriger Zug, eingeschlossen der Einhaltung der Anforderungen an eine korrekte Bauernumwandlung oder dem Schlagen des gegnerischen Königs, vollständig abgeschlossen wurde, wird die Stellung unmittelbar vor dem Regelverstoß wiederhergestellt. Falls die Stellung unmittelbar vor dem Regelverstoß nicht bestimmt werden kann, wird die Partie aus der letzten bekannten Stellung vor dem Regelverstoß heraus weitergespielt. Die Uhren werden gemäß Artikel 6.14 gestellt.
Dann geht es um das Einstellen der Uhren:
6.14 Wenn die Figuren infolge eines Regelverstoßes oder aus anderen Gründen in eine vorangegangene Stellung zurückversetzt werden müssen, bestimmt der Schiedsrichter nach bestem Ermessen, auf welche Zeiten die Uhren zu stellen sind. Er berichtigt auch, falls nötig, den Zugzähler der Uhr.
Also weiß bekommt nach der Darstellung auf jeden Fall weniger als 5 Restminuten und auch für schwarz legte es der SR nach bestem Wissen und Gewissen fest.

Alle diese Ausführungen setzen natürlich voraus, dass überhaupt ein Grund für eine Rekonstrukion vorliegt.
Wann das ggf. notwendig ist, hatten wir schon ausführlich in einem anderen Tread behandelt.

thomas.soergel
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Die berühmte Formel

Beitrag von thomas.soergel » 25.08.2008, 13:10

Vielen Dank, auf den Regellehrgängen kommt ja dann immer die Formel

einzustellende Bedenkzeit = Anzahl der Züge * bislang verbrauchte Bedenkzeit / getätigte Züge

zur Anwendung. Bei 120 Minuten und 39 Zügen würde bei einem fehlerhaften 34. Zug also die Rechnung lauten:

Zeit (neu) = 33 * 120 / 39 = 101,5 Minuten.

Das heißt, die Zeitnot wäre plötzlich vorbei und das kann es ja wohl nicht sein. Insofern schließe ich mich Georgs Auffassung an.
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dfuchs
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Beitrag von dfuchs » 25.08.2008, 13:15

Genau aus diesem Grund schreiben die meisten Schiedsrichter, die ich kenne mindestens einmal pro Stunde die gespielten Züge und die bis dahin verbrauchte Bedenkzeit auf, um im Falle eines Falles bestmöglich die Uhr zu stellen (der Dreisatz lässt sich auch auf einen anderen Zeitpunkt als auf den Anfang der Partie anwenden).

Gruß Daniel

Georg Heinze
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Beitrag von Georg Heinze » 25.08.2008, 14:12

Es ist ja nicht nur meine Auffassung, sondern geht eindeutig aus der betreffenden FIDE-Regel hervor.
Hier im konkreten Fall gibt es ja eindeutige Hinweise über den Bedenkzeitverbrauch.
Natürlich kann es auch andere Fälle geben, wo die Sachlage nicht so eindeutig ist. Dann bleibt u.U. keine andere Möglichkeit, als den Bedenkzeitverbrauch in etwa nach der genannten Formel zu berechnen.

Werner
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Beitrag von Werner » 25.08.2008, 17:43

So ist es. Der Dreisatz darf dann nicht zur Anwendung gelangen, wenn konkrete Nachweise dafür vorliegen, dass der Bedenkzeitverbrauch tatsächlich ein anderer war.

Wobei allerdings der Sachverhalt im Ausgangsfall ungünstig gewählt ist, weil die Partie bereits im Moment der Zeitüberschreitung beendet war, so dass es zur Korrektur des regelwidrigen Zuges zu spät war.

Anderes Beispiel:
Wer die ersten zwanzig Züge in zwei Minuten herunterblitzt, darf bei Anwendung von Art. 6.14 - wenn z. B. während der noch laufenden Partie nach vierzig Zügen festgestellt wird, dass der 21. Zug regelwidrig war - nicht stur "nach Dreisatz" 1:00 h statt 1:58 h eingestellt bekommen.

hoppepit
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Beitrag von hoppepit » 25.08.2008, 17:46

dfuchs hat geschrieben:Genau aus diesem Grund schreiben die meisten Schiedsrichter, die ich kenne mindestens einmal pro Stunde die gespielten Züge und die bis dahin verbrauchte Bedenkzeit auf, um im Falle eines Falles bestmöglich die Uhr zu stellen.
Sollte man tun!! Ich habe diese Hilfe in 5 Jahren "Schiedsrichterei" bisher zwar noch nicht benötigt, aber der Tag wird kommen.
Gruß, Peter
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Beitrag von hoppepit » 25.08.2008, 17:51

Werner hat geschrieben:Wobei allerdings der Sachverhalt im Ausgangsfall ungünstig gewählt ist, weil die Partie bereits im Moment der Zeitüberschreitung beendet war, so dass es zur Korrektur des regelwidrigen Zuges zu spät war.
Ich vermute mal die Frage von thomas bezog sich auf den Fall, der hier im Frühjahr ausgiebig diskutiert wurde (Blättchenfall, SR war nicht sicher, ob die Zügezahl erreicht wurde). Dort gehörte die Rekonstruktion nach Auskunft des "Obersten SRs BL" zur Partie.
Gruß, Peter
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Beitrag von Haeberlin » 30.08.2008, 16:37

hoppepit hat geschrieben:Ich vermute mal die Frage von thomas bezog sich auf den Fall, der hier im Frühjahr ausgiebig diskutiert wurde (Blättchenfall, SR war nicht sicher, ob die Zügezahl erreicht wurde). Dort gehörte die Rekonstruktion nach Auskunft des "Obersten SRs BL" zur Partie.
Natürlich gehört die Rekonstruktion zur Partie, auch eine beendete Partie muss anschließend rekonstruiert werden. Trotzdem war die Partie im Moment des Blättchenfalls verloren (Art. 6.10) und damit beendet, die Entdeckung eines regelwidrigen Zuges im Verlauf der Rekonstruktion kam zu spät.

Georg Heinze
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Beitrag von Georg Heinze » 30.08.2008, 19:10

haeberlin schrieb:
Natürlich gehört die Rekonstruktion zur Partie, auch eine beendete Partie muss anschließend rekonstruiert werden. Trotzdem war die Partie im Moment des Blättchenfalls verloren (Art. 6.10) und damit beendet, die Entdeckung eines regelwidrigen Zuges im Verlauf der Rekonstruktion kam zu spät.
Wieso gehört die Rekonstruktion im Normalfall zur Partie? Wo steht denn so etwas?
Zum 2.Satz des Beitrags empfehle ich den Thraed

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Regelwidriger Zug nach Blättchenfall entdeckt
.
Erst durchlesen, ehe das alles auch nochmals hier gepostet wird.

hoppepit
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Beitrag von hoppepit » 30.08.2008, 19:14

Georg Heinze hat geschrieben:Erst durchlesen, ehe das alles auch nochmals hier gepostet wird.
Genau!! Die Nummer ist schon zur genüge durchgekaut worden. Bis in die "höchste" Ebene!
Gruß, Peter
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Frage ist ja auch beantwortet

Beitrag von thomas.soergel » 30.08.2008, 19:44

Eben, in dem Thread ist ja alles diskutiert worden. Ich wollte mit meiner Frage ja auch geklärt wissen, ob es sein kann, dass ein Spieler, der noch dazu einen irregulären Zug gemacht hat, nicht nur eine zweite Chance bekommt, sondern auch noch als Zugabe mehr Bedenkzeit.
Wie mir Peter, Georg und Daniel eindrucksvoll bestätigt haben, zum Glück nicht. Insofern vielen Dank für die Beantwortung.
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