Blindspieler im Mannschaftskampf - wer stellt den Hiwi?

Georg Heinze
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Beitrag von Georg Heinze » 10.12.2008, 17:51

Stingray schrieb:
Der sehende Spieler darf nicht zur Zugansage gezwungen werden, und der sehbehinderte kann seine Züge nicht alleine ausführen
Ich selbst habe auch schon gegen Blinde gespielt und das ohne Assistenten.
Die Züge wurden jeweils angesagt und auf dem Normalbrett vom Sehenden ausgeführt.
Ich finde in den FIDE-Regeln keinen Passus, der dies verwehrt.
Unter F2. steht unter 1.:
1. Die Züge müssen deutlich angesagt werden, vom Gegner wiederholt und von ihm auf seinem Brett ausgeführt werden.
Da steht nichts, dass das nur der Assistent machen darf.
Was den ggf. auftretenden Mehraufwand anbelangt, da kann man sich doch einigen.
Im übrigen sehe ich es so, dass der Blinde -wenn er denn einen Assistenten benötigt- für diesen sorgen muss. Wenn nicht, dann DARF der Sehende ...
Ansonsten wird in den FIDE-Regeln nichts darüber geschrieben, wie bei einem Kampf Blinder gegen Blinder zu verfahren ist. Das ist dann so ein Fall, wo das Vorwort zu Hilfe genommen werden muss, um eine Analogie herzustellen.

Eckart
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Beitrag von Eckart » 10.12.2008, 18:57

Georg Heinze hat geschrieben: Ansonsten wird in den FIDE-Regeln nichts darüber geschrieben, wie bei einem Kampf Blinder gegen Blinder zu verfahren ist. Das ist dann so ein Fall, wo das Vorwort zu Hilfe genommen werden muss, um eine Analogie herzustellen.
Ganz einfach: jeder hat sein eigenes Steckbrett, dazwischen ein normales Brett. Ein einziger Assistent für beide Spieler sollte wohl genügen.

hoppepit
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Beitrag von hoppepit » 10.12.2008, 19:02

Eckart hat geschrieben:Ganz einfach: jeder hat sein eigenes Steckbrett, dazwischen ein normales Brett. Ein einziger Assistent für beide Spieler sollte wohl genügen.
Beide Blinde können doch auch an einem Steckbrett spielen und es ist gar kein Assistent notwendig?! Ich könnte mir vorstellen, daß die Blinden das "unter sich" ganz locker geregelt bekommen.
Gruß, Peter
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Georg Heinze
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Beitrag von Georg Heinze » 10.12.2008, 20:36

Man sieht, es gibt mehrere Möglichkeiten.
Was ich interessant finde: wie Sehenden schreiben über das, was eigentlich die Blinden beurteilen sollten.
Jedenfalls stelle ich mir vor, wie es wäre, wenn 2 Blinde an einem Steckbrett rumwuseln.
Schließlich machen wir Sehenden uns ja auch Gedanken, wie wir auf diesen oder jenen Zug des Gegners reagieren könnten. Während wir aber keine Figur berühren dürfen, hat diese Möglichkeit ja ein Blinder.

Stingray
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Beitrag von Stingray » 11.12.2008, 00:46

Georg Heinze hat geschrieben:Stingray schrieb:
Der sehende Spieler darf nicht zur Zugansage gezwungen werden, und der sehbehinderte kann seine Züge nicht alleine ausführen
Ich selbst habe auch schon gegen Blinde gespielt und das ohne Assistenten.
Ich auch, aber von mir war hier ja nicht die Rede. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass der sehende Spieler die damit verbundenen Nachteile freiwillig in Kauf nimmt. Wenn er sich weigert, ohne Assi zu spielen, kann er nicht zur Partie gezwungen werden.

Meine ursprüngliche Frage drehte sich ja, wenn ich das mal eben betonen darf, gerade nicht um ein Turnier, sondern um den Mannschaftskampf. Da gibt es einen Unterschied zwischen Veranstalter und Ausrichter:
  • Veranstalter ist der Verband, der die Liga verwaltet.
  • Ausrichter ist der gastgebende Verein.
Die Züge wurden jeweils angesagt und auf dem Normalbrett vom Sehenden ausgeführt.
Ich finde in den FIDE-Regeln keinen Passus, der dies verwehrt.
Unter F2. steht unter 1.:
1. Die Züge müssen deutlich angesagt werden, vom Gegner wiederholt und von ihm auf seinem Brett ausgeführt werden.
Da steht nichts, dass das nur der Assistent machen darf.
Davon war auch nie die Rede. Meiner Meinung nach steht da aber eben auch nicht, dass der sehende Spieler es machen muss. Und das ist hier das hüpfende Komma.

Eckart
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Beitrag von Eckart » 11.12.2008, 01:28

Stingray hat geschrieben:
Die Züge wurden jeweils angesagt und auf dem Normalbrett vom Sehenden ausgeführt.
Ich finde in den FIDE-Regeln keinen Passus, der dies verwehrt.
Unter F2. steht unter 1.:
1. Die Züge müssen deutlich angesagt werden, vom Gegner wiederholt und von ihm auf seinem Brett ausgeführt werden.
Da steht nichts, dass das nur der Assistent machen darf.
Davon war auch nie die Rede. Meiner Meinung nach steht da aber eben auch nicht, dass der sehende Spieler es machen muss. Und das ist hier das hüpfende Komma.
Natürlich steht das da.

"Die Züge müssen deutlich angesagt werden, vom Gegner wiederholt und von ihm auf seinem Brett ausgeführt werden."

kannst Du auch so lesen:

"Die Züge müssen deutlich angesagt werden.
Die Züge müssen vom Gegner wiederholt werden.
Die Züge müssen vom Gegner auf seinem Brett ausgeführt werden."

Für Züge des Sehbehinderten ist "Gegner" der sehende Spieler,
und für Züge des sehenden Spielers ist "Gegner" der Sehbehinderte.

Wenn der sehende Spieler sich weigert, ohne Assi zu spielen, verliert er eben kampflos.

Wenn der sehende Spieler einen Assistenten einsetzen DARF, ergibt sich daraus ebensowenig eine Verpflichtung des Veranstalters/Ausrichters, einen zu stellen, wie sich aus der Formulierung "Eine Spezialuhr für den sehbehinderten Spieler ist zulässig" die Verpflichtung des Veranstalters/Ausrichters ergibt, eíne solche Spezialuhr zu beschaffen. Es ist gewiss auch nicht Aufgabe des Veranstalters/Ausrichters, dem Sehbehinderten ein Bandgerät zur Notation zur Verfügung zu stellen.

dfuchs
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Beitrag von dfuchs » 11.12.2008, 09:53

Richtig, der sehende Spieler DARF einen Assistenten einsetzen, er (der Spieler) ist der Einzige, der über dieses Recht verfügen oder darauf verzichten darf.

Du darfst als Angeklagter vor Gericht die Aussage (zur Sache) verweigern, du musst es nicht, aber du bist der Einzige, der darüber entscheidet.

Genauso DARF der sehende Spieler einen Assistenten einsetzen, er kann es auch lassen, wenn er und nur er es möchte.

Tolles Beispiel, welches nicht nur die Schwäche deiner Interpretation, sondern auch die Gefahr zeigt:

Ein Spieler aus unserem Verein ist aufgrund eines Schlaganfalls ausserstande eine Partie mitzunotieren, er kann auch nicht mehr in zumutbarer Zeit aus Reihen- und Linienbezeichnung die Koordinaten bestimmen.

Nehmen wir an, dieser Spieler wird gegen einen blinden Schachfreund gepaart.
Es ist unmöglich, dass dieses Spiel ohne Assistent ablaufen kann.

Wenn du jetzt dem sehenden Spieler die Partie nimmst, dann hast du ihn erfolgreich wegen seiner Behinderung diskriminiert und könntest damit u.U. Ziel einer Strafverfolgungsbehörde werden.

Nun ist das mit Sicherheit ein Extremfall, aber auch ein "normaler" Schachspieler, kann je nach Veranlagung durch die zusätzlich Ablenkung
so in seinem Spiel gestört werden, dass ein Spielen für ihn unzumutbar wird.

Gruß Daniel

Georg Heinze
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Beitrag von Georg Heinze » 11.12.2008, 13:05

Die Anfrage von stingray bezog sich ja nicht auf irgendeinen Extremfall, sondern auf einen konkreten Sachverhalt.
In den entsprechenden FIDE-Regeln ist m.E. eine konkrete Aussage zu eben diesem Sachverhalt getroffen und ich sehe keinen plausiblen Grund, dass der sehende Spieler die Züge nicht ansagen sollte und jeweils auf dem Normalbrett ausführt. Wenn nicht, muss er mit Konsequenzen rechnen, die bis zum Partieverlust führen können. Das sehe nicht nur ich so.
Was in den Fällen zu machen ist, bei denen auch der Sehende schwer- oder schwerstbehindert ist, brauchen wir hier in diesem Zusammenhang nicht zu diskutieren.
Ich denke, da wird sich unter vernünftigen Schachspielern immer eine Lösung finden lassen

dfuchs
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Beitrag von dfuchs » 11.12.2008, 13:53

Ich habe nicht nur über den Extremfall geschrieben.
Georg Heinze hat geschrieben: und ich sehe keinen plausiblen Grund, dass der sehende Spieler die Züge nicht ansagen sollte und jeweils auf dem Normalbrett ausführt.
Ich schon, es kann den Spieler in seiner Konzentration stören.

Dieser Grund ist absolut ausreichen, wäre er das nicht, dann wären auch die ganzen anderen Störfaktoren, wie blendende Sonne, lautes Gequatsche im Raum, etc. durch den Spieler hinzunehmen.

Einen Kompromissvorschlag, wie man - sofern man als Ausrichter keinen Assistenten stellen kann - vorgehen könnte, habe ich bereits in einem frühen Beitrag zu diesem Thema geschrieben.

Ich bleibe dabei, der sehende Spieler hat ein Recht darauf einen Assistenten einzusetzen und dieses Recht, darf im niemand absprechen, nur der Spieler selbst, darf darauf verzichten.

Gruß Daniel

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Beitrag von Eckart » 11.12.2008, 14:11

dfuchs hat geschrieben:
Georg Heinze hat geschrieben: und ich sehe keinen plausiblen Grund, dass der sehende Spieler die Züge nicht ansagen sollte und jeweils auf dem Normalbrett ausführt.
Ich schon, es kann den Spieler in seiner Konzentration stören.
Wenn das eine "Störung" im Sinne der FIDE-Regeln sein sollte, dann wäre das Ansagen der Züge durch einen vom Sehbehinderten mitgebrachten Assistenten ebenso als Störung zu bewerten, und dann dürfte es überhaupt keine Partien zwischen Sehbehinderten und Sehenden geben.

dfuchs
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Beitrag von dfuchs » 11.12.2008, 14:57

Ich stimme dir vollkommen zu, auch das Ansagen der Züge ist eine Störung, allerdings im Gegensatz zu dem ganzen anderen Rattenschwanz eine unvermeidbare, sogar in den Regeln ausdrücklich vorgesehene Störung.

Ich möchte das mit dem Ticken einer analogen Schachuhr vergleichen.

Mich persönlich nervt das tierisch, aber ich kann nichts dagegen tun (außer bei den Heimkämpfen ausschließlich Digitaluhren aufzustellen).

Es muss aber doch immer darum gehen, die Spieler so wenig wie möglich zu stören.

Gruß Daniel

Georg Heinze
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Beitrag von Georg Heinze » 11.12.2008, 18:37

dfuchs schrieb:
Ich möchte das mit dem Ticken einer analogen Schachuhr vergleichen.

Mich persönlich nervt das tierisch, aber ich kann nichts dagegen tun (außer bei den Heimkämpfen ausschließlich Digitaluhren aufzustellen).
Man MUSS ja nicht Schach spielen!
Aber im Ernst: ein wenig mehr Verständnis für die Situation eines Blinden sollte man schon aufbringen. Wenn ein solcher Spieler bei der Zugfindung an seine Figuren greift, geht das meist auch nicht lautlos ab. Natürlich ist eine Zugansage im gewissen Sinn störend, nicht nur für die Spieler selbst.
Vielleicht gibt es bald technische Hilfsmittel (die auch bezahlbar sind), um das künftig zu vermeiden?

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Beitrag von hoppepit » 11.12.2008, 19:03

Noch eine Anmerkung meinerseits zur Geräuschkulisse (kenne ich aus eigener Erfahrung):
Bei einer "Blindenpartie" geht es nie besonders leise zu! Die Notation erfolgt mittels Braille-Schreibmaschine (die ist relativ laut beim Tippen) oder der Spieler spricht seine Züge ins Diktiergerät (auch nicht gerade leise). Außerdem gibt es Geräusche, wenn der Blinde am Steckbrett tastet, denn die Figuren haben meist etwas "Spiel" in der Steckvorrichtung und klappern mehr oder weniger stark.
Gruß, Peter
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Beitrag von Stingray » 11.12.2008, 20:48

Es gibt einen grundlegenden Unterschied zwischen einer störenden Geräuschkulisse und dem eigenen Ansagen von Zügen: Letzteres ist eine aktive Tätigkeit und beansprucht somit quasi mehr "Rechenpower" im Gehirn. Störende Geräusche dagegen kann man, gerade wenn sie mit einer gewissen Regelmäßigkeit auftreten, vergleichsweise leicht ausblenden.

Und wenn hier schon Verständnis verlangt wird... - verdient der sehende Spieler nicht ebenso viel Verständnis dafür, dass er sich ungleich benachteiligt fühlt? Der Sehbehinderte ist an diese Bedingungen gewöhnt, der Gegner kommt im Normalfall alle paar Jahre mal zu einer solchen Partie.

Georg Heinze
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Beitrag von Georg Heinze » 11.12.2008, 21:32

Stingray schreibt:
Und wenn hier schon Verständnis verlangt wird... - verdient der sehende Spieler nicht ebenso viel Verständnis dafür, dass er sich ungleich benachteiligt fühlt?
Wenn das ein Blinder lesen würde ...
Der Blinde muss mit seinem Leben zurechtkommen, so wie es ist.
Ihn fragt niemand, ob es denn nicht nachteilig ist, alles auf seinem Steckbrett nachzuvollziehen, wozu ein Sehender nur einen Blick hinwerfen muss.
Was wird von dem Sehenden denn nun verlangt: Den Zug anzusagen und die Züge des Blinden auf dem Normalbrett auszuführen. Lachhaft im Vergleich zu dem, was ein Blinder leisten muss.
Wenn es ihm dennoch zuviel ist: er DARF sich eines Assistenten bedienen.
Wo ist denn nun wirklich das Problem? Doch nicht etwa, dass er seinen Mannschaftskameraden gegenüber "ungleich benachteiligt ist"?
Und wie stingray schon schreibt: der Blinde hat laufend dieses Handycap, der Sehende vielleicht aller paar Jahre.

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