Spiele ohne neutralen Schiedsrichter

Holger Moritz
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Re: Spiele ohne neutralen Schiedsrichter

Beitrag von Holger Moritz » 05.11.2009, 20:02

Badische TO:

A-3.2 Der zuständige Turnierleiter kann Schiedsrichter einsetzen.

A-3.3 Wettkampfleitung
Ist kein Schiedsrichter eingesetzt, so übernimmt eine von der Heimmannschaft vor Beginn des Kampfes bestimmte sachkundige Person die Wettkampfleitung und Schiedsrichter-funktion. Dies kann ein Spieler – z.B. der Mannschaftsführer – sein, besser ist es aber einer dritten Person die Schiedsrichteraufgaben und –rechte zu übertragen. Erfolgt keine Namensnennung, so gilt der Mannschaftsführer als bestimmt.

A-3.4 Ist der bestimmte Schiedsrichter (SR) gleichzeitig Spieler, so geht seine Inanspruchnahme nicht zu Lasten seiner Bedenkzeit. Er ist deshalb berechtigt in solchen Fällen seine Uhr abzustellen. Ist der SR zum Zeitpunkt seiner Inanspruchnahme nicht selbst am Zug, so teilt er diese Inanspruchnahme seinem Gegner mit. Dieser stellt nach Ausführung seines Zuges beide Uhren ab, wenn der SR zu diesem Zeitpunkt noch seine Funktion ausübt. Sobald der SR wieder ans Brett kommt, setzt er seine eigene Uhr in Gang.

Ungeschrieben aber bislang Konsens: Die Wettkampfleiterfunktion kann jederzeit übergeben werden, z.B. wenn der ernannte Wettkampfleiter in Zeitnot zu kommen droht und ein anderer Regelkundiger schon fertig ist oder die 40 Züge schon geschafft hat - oder, der ernannte nach Hause möchte und ein anderer steht passend zur Verfügung. Bedingung: Beide Mannschaftsführer werden informiert.

Als sachkundig gilt jeder, der schon mal irgendwann einen Schiedsrichterschein hatte oder auf einer Mannschaftsführerschulung war - oder wen auch immer der Heimverein dafür hält.

Dann gibt es noch zwei wichtige Festlegungen: In meinem Bezirk ist bis zur Bezirksliga festgelegt, dass im Fall eines 10.2er Antrages der Wettkampfleiter zu entscheiden hat, er ist dann neutraler Schiedsrichter. In den Ligen darüber unterhalb der Oberliga wird hingegen nach Anhang D verfahren.

Klappt bislang recht gut. Besonders bei mir im Verein, in der ersten Mannschaft haben wir neben dem Mannschaftsführer noch 2 NSR, das ist Luxusversorgung.

Georg Heinze
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Re: Spiele ohne neutralen Schiedsrichter

Beitrag von Georg Heinze » 05.11.2009, 23:12

Danke, Holger. Das sind immerhin konkrete Ausführungen in der TO.
Wenn man sachkundige Personen hat, die die SR-Aufgaben wahrnehmen können, ist es so sicher sinnvoll. Wenn man gleich 3 NSR in der Mannschaft hat, gibt es bei der Wahrnehmung der SR-Funktion mit Sicherheit keine Probleme.
In unserem Verein (ca. 50 Mitglieder) gibt es allerdings bei 5 Wettkampfmannschaften nicht einen einzigen ausgebildeten SR. Bei vielen Vereinen ist es ähnlich. Die Vereine, die einen SR haben, haben nur bedingt etwas davon, weil sie parallel zum eigenen Mannschaftskampf in der Oberliga oder Bundesliga eingesetzt werden.
Manch Verein ist froh, wenn sich überhaupt jemand findet, der bereit ist, als ML zu fungieren. Oftmals sind dann auch die Regelkenntnisse entsprechend.
Da könnte ich haarsträubende Beispiele nennen.
In der WTO des Schachverbandes Sachsen steht natürlich auch, dass ein neutraler SR eingesetzt werden kann. Wird nur in absoluten Ausnahmefällen gemacht.
Ansonsten übernehmen die beiden ML die SR-Aufgaben, müssen sich aber einigen. Wenn nicht, beginnen die Probleme.

Eckart
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Re: Spiele ohne neutralen Schiedsrichter

Beitrag von Eckart » 08.11.2009, 15:25

Das sind immerhin mal konkrete Formulierungen.
Man muss sich nur genug für die Regeln überhaupt interessieren und sich ein wenig einlesen, dann kann man auch "sachkundig" sein, ohne dass man eine formelle Ausbildung hat.

Stingray
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Re: Spiele ohne neutralen Schiedsrichter

Beitrag von Stingray » 08.11.2009, 16:50

Bremer Turnierordnung hat geschrieben:21. Einsatz von Schiedsrichtern in Mannschaftskämpfen
21.1. Für Mannschaftskämpfe können Schiedsrichter eingesetzt werden. Ist kein Schiedsrichter nominiert worden bzw. anwesend, so sind beide Mannschaftsführer gemeinsam Schiedsrichter.
21.2. Zur Wahrnehmung einzelner Schiedsrichteraufgaben können Hilfskräfte herangezogen werden.
21.3. Können sich beide Mannschaftsführer bei Ausübung von Schiedsrichteraufgaben nicht einigen, so senden beide einen gesonderten Bericht innerhalb von zwei Tagen an den eingesetzten Turnierleiter (vergleiche dazu auch Ziffer 29, „Proteste“).
(Bei dem Verweis auf Ziffer 29 geht es wohl nur um die Definition des "eingesetzten Turnierleiters" - das ist einfach der Staffelleiter.)

Die entsprechende Regel in der übergeordneten gemeinsamen Bremisch-Niedersächsischen Turnierordnung ist praktisch die gleiche. Das formale Problem bei einer solchen Gleichberechtigungsregelung ist offensichtlich: Bei der ersten Uneinigkeit kann vor Ort keine Entscheidung getroffen werden, was an sich einen sofortigen Partieabbruch ohne Ergebnis bedeutet.

Warum hat niemand diese Regel bisher geändert?

Ich schätze mal, mangels Bedarf. Offenbar sind die Badenser streitsüchtiger als unsereins. :P (Zum Beispiel muss bei uns der Chef des Turniergerichts auch kein Jurist, geschweige denn ordentlicher Richter sein.)

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Re: Spiele ohne neutralen Schiedsrichter

Beitrag von Stern » 08.11.2009, 17:27

Badener bitte.... ohne "s"....
:mrgreen:
Stefan Stern
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Badischer Schachverband

Georg Heinze
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Re: Spiele ohne neutralen Schiedsrichter

Beitrag von Georg Heinze » 08.11.2009, 23:45

Die von stingray angeführte Bremer Turnierordnung ist im Prinzip mit der von Sachsen identisch:Die Mannschaftsleiter bzw. -führer nehmen SR-Aufgaben wahr und handeln gemeinsam.
Im Normalfall (ZÜ, fehlerhafte Zugausführung) gibt es ja keine Probleme, weil sich aufgrund der Uhr bzw. Partieaufzeichnung die Sachverhalte nachweisen lassen. Allerdings gibr es bei diesem oder jenem Problem eben unterschiedliche Auffassungen. In Sachsen ist es so geregelt, dass dann die Auffassung des Gast-ML durchgesetzt wird. Allerdings: der Sachverhalt mit der getroffenen Entscheidung ist dem Staffelleiter mitzuteilen, der dann die endgültige Entscheidung trifft. Soweit ich es aus jahrelanger Erfahrung beurteilen kann, wird meistens an Ort und Stelle entschieden, mitunter nicht im Einklang mit dem Regelwerk. Sachverhalte mit Differenzstandpunkten sind relativ selten, man könnte fast sagen, es geht auch ohne neutralen SR. Natürlich kann man von ML nicht das erwarten, was von einem ausgebildeter SR zu erwarten ist. Dass es aber auch da unterschiedliche Auffassungen gibt, haben wir in den verschiedenen Threads gelesen. Unterschiedliche Auffassungen führen dann eben auch zu einer falschen Regelauslegung und damit letzten Endes zu einem fehlerhaften Ergebnis.

Übrigens: in Sachsen ist weder der Chef noch die Mitglieder des WTG Juristen, wohl aber der Chef und die Mitglieder des Schiedsgerichts.

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Re: Spiele ohne neutralen Schiedsrichter

Beitrag von Stingray » 09.11.2009, 00:48

Georg Heinze hat geschrieben:Übrigens: in Sachsen ist weder der Chef noch die Mitglieder des WTG Juristen, wohl aber der Chef und die Mitglieder des Schiedsgerichts.
Finde ich für letzteres auch gar nicht schlecht - sofern ich den Begriff richtig verstehe, handelt es sich dabei wohl um das Gegenstück zu unserer Institution des "Ehrenrats" (die letzte Instanz in "Streitfällen nichtturniertechnischer Art"). Aber selbst da haben wir eine solche Verordnung nicht. Ich denke auch, man wird schon sehr alt eingesessene Mitglieder nach der letzten Zusammenkunft des Ehrenrats fragen müssen - so es denn überhaupt schon mal eine gab...

Georg Heinze
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Re: Spiele ohne neutralen Schiedsrichter

Beitrag von Georg Heinze » 09.11.2009, 10:37

Aufgrund der unterschiedlichen Aufgabenstellungen sind für die Mitglieder des WTG eher Kenntnisse der FIDE-Regeln und der WTO erforderlich, also SR-Ausbildung.
Beim Schiedsgericht geht es eher um die Beurteilung von Problemstellungen bzw. Auseinandersetzungen aus juristischer Sicht.
Allerdings finde ich weder in der Satzung, noch in einer anderen Ordnung, welche Voraussetzungen für diese ehrenamtlichen Funktionen erforderlich sind. Näheres unter:
http://www.schach-in-sachsen.de/113/Ordnungen.html
In Sachsen hat das Schiedsgericht vorwiegend beratende Funktion für den Vorstand.
Das ergibt sich aus der Arbeitsrichtlinie.
Aber sie hatten auch einen aktuellen Fall zu beurteilen:
http://www.schach-in-sachsen.de/234/Ges ... ungen.html

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Re: Spiele ohne neutralen Schiedsrichter

Beitrag von Scharfrichter » 27.02.2010, 21:33

Dürfen die Mannschaftsleiter zur Wahrnehmung ihrer Schiedsrichterfunktion in ihrer Partie die Zeit stoppen?
=> Er ist in dem moment Schiedsrichter und somit darf er das !!

Zusatzfrage: Kann ein Mannschaftsleiter die Schiedsrichterfunktion an einen anderen Mitspieler delegieren, der sich besser in den Regeln auskennt?
=> Klar kann der Bock zum Gärtner gemacht werden! Man kann jedem x-Beliebigen zum Wettkampfleiter machen

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