Regelwidriger Zug - wann ist der Gegner "am Zuge"?

Georg Heinze
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Beitrag von Georg Heinze » 18.02.2009, 19:00

Ich denke, insbesondere die Ausführungen von dfuchs unterstützen das von mir Geschriebene.
Die Auswirkungen, ob die Uhr gedrückt wurde (abgeschlossener Zug) oder noch nicht, sind unterschiedlich.
Insofern ist es hier eben ein Unterschied, ob der Zug Tb1 matt zulässig ist oder (noch) nicht.
Allerdings kann man einen irregulären Zug auch nicht beliebig oft machen.
Man stelle sich vor, man macht einen irregulären Zug, sagt matt und aus.
Das in der Hoffnung, der Gegner kriegt es nicht mit und wenn, muss man eben einen anderen Zug machen.
Beim Blitz habe ich das schon erlebt.
Alle Umstehenden sahen das, nur der Gegner nicht.

Eckart
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Beitrag von Eckart » 18.02.2009, 19:32

dfuchs hat geschrieben: Dies bedeutet aber, da der Artikel 7 "Regelverstöße" heißt, dass vor dem Drücken der Uhr noch kein Regelverstoß stattgefunden haben kann.
Es gibt keinen Artikel, der einen Regelverstoß durch einen falsch ausgeführten Zug kennt!
Da noch kein Regelverstoß vorliegt, kann aber in unserem Beispiel Schwarz unmöglich ziehen dürfen, sonst wäre der irreguläre Zug ja zumindest für diesen Halbzug (oder eben bis die Uhr gedrückt wurde) regulär.
Nein, es heißt doch in Artikel 7.4 a):

"... wird die Stellung unmittelbar vor dem Regelverstoß wiederhergestellt."

Die Stellung, die wiederhergestellt wird, ist die Stellung, wie sie VOR dem regelwidrigen Zug auf dem Brett war, also OHNE den regelwidrigen Zug.
Damit ist die nicht den Regeln entsprechende Figurenbewegung auf dem Brett der "Regelverstoß" im Sinne dieser Vorschrift, nicht das Betätigen der Uhr.

Werner
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Beitrag von Werner » 18.02.2009, 19:51

Die Regeln darüber, wer wann "am Zug" ist, sind ausschließlich in den Artikeln 1 bis 5 enthalten.
Es kann daher keinen Unterschied ausmachen, ob ein regelwidriger Zug in einer mit Uhren oder in einer ohne Uhren gespielten Partie erfolgt.
Das wäre aber der Fall, wenn man einen regelwidrigen Zug erst mit Betätigen der Uhren als "ausgeführt" ansieht.

Georg Heinze
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Beitrag von Georg Heinze » 18.02.2009, 19:55

Natürlich ist ein irregulärer Zug ein Regelverstoß.
Ein Läufer darf entprechend 3.2. nur auf seiner Diagonale ziehen.
Ich denke aber -und so habe ich es aufgefasst- dass die Wirksamkeit des Regelverstoßes erst mit dem Drücken der Uhr entsteht und das dfuchs dies meinte.
Man sieht wieder einmal: jedes Wort ist wichtig!
Zu dem Beitrag von Werner:
Im Eingangstread ging es eben gerade darum, dass vor Betätigen der Schachuhr der Weißspieler seinen regelwidrigen / illegalen / irregulärenZug zurücknehmen wollte.
Er hatte seinen Zug zwar ausgeführt, aber nicht abgeschlossen.
Das ist eben der feine Unterschied in der Auswirkung.
Die Partie wurde MIT Schachuhr gespielt, wie in einer Wettkampfpartie üblich. Ohne Schachuhr gilt natürlich ein Zug als ausgeführt (und abgeschlossen), wenn die Figur losgelassen wurde.

thomas.soergel
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Etwas komplizierter

Beitrag von thomas.soergel » 19.02.2009, 12:32

Georg Heinze hat geschrieben:Im Eingangsthread ging es eben gerade darum, dass vor Betätigen der Schachuhr der Weißspieler seinen regelwidrigen / illegalen / irregulärenZug zurücknehmen wollte.
So wie ich die Schilderung von Werner interpretiere, wollte er dies zuerst nicht. Ich nehme mal an, er war gerade im Begriff, die Uhr zu drücken, weil er annahm, er habe in Wirklichkeit 1. Ld6+ gespielt.
Erst als Schwarz 1. ... Tb1# zog, bekam er mit, dass sein Läufer in Wirklichkeit auf e6 stand.
Auch wenn ich der Regelinterpretation von Georg Heinze und Daniel Fuchs eher folge, so kann es doch sein, dass auch die Interpretation von Stingray möglich ist.
Was wäre denn z.B. gewesen, wenn Weiß nur vergessen hätte, die Uhr zu drücken? Ist Schwarz dann verpflichtet, mit bis zum Blättchenfall zu warten?
Oder soll er Weiß auffordern, die Uhr zu drücken, auf die Gefahr hin, dass dieser stutzig wird und den Fehler bemerkt.
Wäre der Sachverhalt ein anderer, wenn Weiß unmittelbar nochmals ins Brett gegriffen hätte, um die Stellung des Läufers zu korrigieren?
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Georg Heinze
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Beitrag von Georg Heinze » 19.02.2009, 13:17

Gut, ob es weiß gleich gesehen hat oder erst später, sei dahingestellt.
Für die Beurteilung des Sachverhalts ist es aber wichtig, dass es VOR dem Drücken der Uhr passierte.
Natürlich ist der Sachverhalt anders, wenn es weiß sofort bemerkt hätte. Er MUSS ja einen regelgerechten Zug machen.
Was schwarz hätte machen können, wenn weiß nur "vergessen" hätte, die Uhr zu drücken, steht hier ja nicht zur Debatte.
Da gibt es mehrere Möglichkeiten, abhängig von der sportlich fairen Einstellung des Gegners.
Eine Möglichkeit steht hier zur Diskussion: schnell ziehen in der Hoffnung auf einen einsichtigen SR oder eben nur so.
Dann kann man ein wenig oder länger warten. Es ist ja die Zeit beim Gegner.
Wenn dann noch das Blättchen fällt ...
Man kann natürlich auch einen dezenten Hinweis geben. Da reicht es schon, auf die Uhr zu zeigen.
In der Praxis ist es oftmals so, dass der Gegner schnell antwortet und sich mitunter wundert, dass die (Analog-)Uhr schon gedrückt ist.
Ansonsten bin ich nicht der Meinung, dass sowohl die eine als auch die andere Interpretation richtig ist.
Regelgerecht gibt es nur eine Interpretation.
Eine andere Sache ist es, wie der SR vor Ort entscheidet.
Wenn entschieden wird, dass das Matt gilt, dann gilt es (zunächst).

Eckart
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Beitrag von Eckart » 20.02.2009, 14:03

Ich schließe mich den Ausführungen stingrays an.
Mit Loslassen des Läufers auf e6 hatte Weiß einen Zug ausgeführt, damit war Schwarz am Zug, der Turmzug hat die Partie beendet.

1.
Die Regeln enthalten keine Legaldefinition des Begriffes "Ausführen eines Zuges". Insbesondere ist in Artikel 4.6, den Georg Heinze hierzu zitiert, eine solche nicht enthalten.
Georg Heinze hat geschrieben: Ich habe also noch tiefer in den FIDE-Regeln geforscht und zunächst Art. 4.6 gefunden:
4.6 Sobald in einem regelgemäßen Zug oder Teil eines regelgemäßen Zuges eine Figur auf einem Feld losgelassen worden ist, kann sie nicht mehr auf ein anderes Feld gezogen werden. Der Zug gilt als ausgeführt, sobald alle notwendigen Anforderungen von Artikel 3 erfüllt worden sind
Ich habe noch viel tiefer geforscht und festgestellt, dass Georg Heinzes Zitat unvollständig ist, Artikel 4.6 lautet vollständig so:
4.6 Sobald in einem regelgemäßen Zug oder Teil eines regelgemäßen Zuges eine Figur auf einem Feld losgelassen worden ist, kann sie nicht mehr auf ein anderes Feld gezogen werden. Der Zug gilt als ausgeführt, sobald alle notwendigen Anforderungen von Artikel 3 erfüllt worden sind
a) im Falle des Schlagens, sobald die geschlagene Figur vom Schachbrett entfernt wurde und der Spieler beim Setzen seiner Figur auf ihr neues Feld diese loslässt.
b) im Fall der Rochade, sobald der Spieler den Turm auf dem Feld loslässt, welches der König vorher überquerte. Wenn der Spieler den König loslässt, ist der Zug noch nicht ausgeführt, aber der Spieler darf keinen anderen Zug ausführen, als die Rochade auf dieser Seite, vorausgesetzt, diese ist regelgemöß.
c) im Falle der Bauernumwandlungen, sobald der Bauer vom Schachbrett entfernt wurde und der Spieler die neue Figur auf dem Umwandlungsfeld losgelassen hat. Wenn der Spieler den bauern, der das Umwandlungsfeld erreicht, loslässt, ist der Zug noch nicht augeführt, aber der Spieler darf den Bauern nicht mehr auf ein anderes Feld ziehen.
Wer den Artikel in seiner vollständigen Fassung betrachtet, dem erschließt sich sein geistiger Gehalt: er konkretisiert den Begiff des "Ausführens" in allen den Fällen, in denen nicht bloß ein Stein von einem Feld auf ein anderes freies Feld geführt wird, sondern in denen entweder zwei Steine beteiligt sind (Rochade/ Schlagen) oder in denen aus einem Stein ein anderer wird (Umwandlung). Da der Läuferzug von b4 nach e6 unter keinen der genannten Fälle a), b) oder c) fällt, trifft Artikel 4.6 Satz 2 zu ihm keine Aussage.
(Nebenbei bemerkt: aus b) geht hervor, dass eine falsch ausgeführte lange Rochade König nach b1, Turm nach c1 "ausgeführt" im Sinne dieser Vorschrift ist, obwohl sie natürlich ein regelwidriger Zug ist.)

2.
Wer gleichwohl die Ansicht vertritt, dass ein regelwidriger Zug nach Loslassen der Figur nicht als "ausgeführt" zu gelten hat, da er den Anforderungen von Artikel 3 nicht genügt, muss sich die Frage gefallen lassen, ob und wenn ja, wann der Zug trotzdem als "ausgeführt" zu gelten hat. Hierzu ist erwogen worden, dass der Zug mit Betätigen der Uhr als "ausgeführt" zu gelten hat. Einen Anhaltspunkt dafür enthalten die FIDE-Regeln nicht. Wie stingray bemerkt, gibt es zwischen "Ausführen" eines Zuges und Betätigen der Uhr keinen Zusammenhang. Deutlich wird das insbesondere in Artikel 6.8, wo immer vom Ausführen "auf dem Brett" die Rede ist, niemals aber von "Ausführen auf der Uhr" oder ähnlichem.
Vor allem aber:
Das grundsätzliche Bedenken dagegen, dass auch ein regelwidriger Zug allein durch die Bewegung des Steines auf den Brett "ausgeführt" sein soll, besteht nach Betätigen der Uhr fort: ein Läuferzug von b4 nach e6 verstößt gegen Artikel 3.2, und zwar sowohl VOR Betätigen der Uhr, als auch NACH Betätigen der Uhr. Insofern ist unverständlich, dass gerade durch das Betätigen der Uhr die "Ausführung" erfolgt sein solle.
Da aus Artikel 7.4 unzweifelhaft hervorgeht, dass auch ein regelwidriger Zug "vollständig abgeschlossen" werden kann, hätten wir also einen zwar nicht "ausgeführten", aber doch "vollständig abgeschlossenen" Zug vorliegen.
Ein Paradoxon, dass nur dadurch gelöst werden kann, dass der regelwidrige Zug allein durch das Geschehen auf den Brett "ausgeführt" worden ist.

3.
Das sich durch Umkehrschluss aus Artikel 4.6 ergebende Recht, einen auf dem Brett ausgeführten regelwidrigen Zug vor Betätigen der Uhr berichtigen zu dürfen, steht der Wirksamkeit des Mattzuges nicht entgegen. Dieses Recht gilt - wie alle anderen Rechte übrigens auch - nicht schrankenlos, sondern, wie stingray bereits bemerkt hat, nur während der Partie. Mit Ausführung des Mattzuges ist es gegenstandslos geworden.
Eine Situation, die den Schachregeln nicht fremd ist.
Man stelle sich einmal vor, im Ausgangsfall habe nicht Schwarz den Mattzug ausgeführt, sondern nach Loslassen des Läufers und vor Betätigen der Uhr sei das Blättchen von Weiß gefallen, was Schwarz auch sofort, d. h. vor Betätigen der Uhr reklamiert. Könnte Weiß der ZÜ-Reklamation nun entgegenhalten, er habe wegen Art. 4.6 Satz 1 immer noch das Recht, den Läufer auf ein anderes Feld zu spielen, bevor die ZÜ-Reklamation zu prüfen sei? Nein. (Das hätte im vorliegenden Fall keine Relevanz, aber es sind ohne weiteres Stellungen denkbar, in denen ein regelkonformer Zug anstelle des zuvor gespielten regelwidrigen Zuges zu einer Stellung im Sinne von Art. 6.10 Satz führt, wonach die Partie trotz ZÜ remis wäre.)

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Einwand

Beitrag von thomas.soergel » 20.02.2009, 14:40

Eckart hat geschrieben:3. Man stelle sich einmal vor, im Ausgangsfall habe nicht Schwarz den Mattzug ausgeführt, sondern nach Loslassen des Läufers und vor Betätigen der Uhr sei das Blättchen von Weiß gefallen, was Schwarz auch sofort, d. h. vor Betätigen der Uhr reklamiert. Könnte Weiß der ZÜ-Reklamation nun entgegenhalten, er habe wegen Art. 4.6 Satz 1 immer noch das Recht, den Läufer auf ein anderes Feld zu spielen, bevor die ZÜ-Reklamation zu prüfen sei? Nein.
Ich denke dieses Beispiel geht an der Sache vorbei. Solange Weiß die Uhr nicht drückt, egal, ob er es verschlafen hat, seinen Zug berichtigen will oder gerade im Begriff ist, die Uhr zu drücken, läuft die Zeit auf seine Kosten und wenn das Blättchen fällt, verliert er die Partie, von den bekannten Ausnahmen abgesehen.
Ansonsten halte ich auch Eckarts Argumentation für schlüssig.

Die Geschichte liegt wohl daran, wie Art. 4.6 zu lesen wäre:
4.6 Sobald in einem regelgemäßen Zug oder Teil eines regelgemäßen Zuges eine Figur auf einem Feld losgelassen worden ist, kann sie nicht mehr auf ein anderes Feld gezogen werden.
Hier steht, dass ein regulärer Zug nach Loslassen der Spielfigur nicht mehr geändert werden kann. Im Umkehrschluss heißt dass, das ein Spieler einen irregulären Zug korrigieren kann, so er dies merkt.
Der Zug gilt als ausgeführt, sobald alle notwendigen Anforderungen von Artikel 3 erfüllt worden sind...
Es erhebt sich die Frage, ob nur die Fälle a) - c) mit mehreren Steinen gemeint sind oder ob auch der einfache Zug darin beinhaltet ist.

Weiter ist anzumerken, dass die FIDE-Regeln sehr wohl in Anhang B und C beschreiben, dass ein irregulärer Zug mit dem Drücken der Uhr als abgeschlossen gilt. Dies wohl aus dem Grund, um zu regeln, ab wann der Gegner eine entsprechende Reklamation starten darf.
Im Turnierschach fehlt dieser Hinweis, weil man vom Idealfall ausgeht, dass hier der SR nach Ausführung dieses Zuges sofort eingreift und ein irregulärer Zug, im Gegensatz zum Blitz- oder Schnellschach, keinen Bestand haben darf.

Der von Werner geschilderte Fall scheint eine Lücke im Regelwerk dazustellen, da Weiß in jedem anderen Fall seinen illegalen Zug zurücknehmen dürfte und müsste.
Das Ergebnis ist auf jeden Fall genauso unbefriedigend wie die von Stingray geschilderte Partie 1. Lc4 e5 2. Df3 Sc6 3. Dxf7#
1. Spielleiter
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dfuchs
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Beitrag von dfuchs » 20.02.2009, 14:52

Nach meiner Interpretation ist ein regelwidriger Zug niemals ausgeführt.
Dafür spricht auch, dass während der kompletten Partie wieder zu der Stellung zurück gestellt wird, aus der der regelwidrige Zug passiert ist. Genau das (er niemals ausgeführt ist) lese ich auch aus Artikel 4.6.
Ein regelwidriger Zug erfüllt niemals die Bedingungen aus Artikel 3, ist daher niemals ausgeführt.
Da aber aus oben genannten Gründen auf einen regelwidrigen Zug nicht geantwortet werden darf/kann, wird dem Gegner ein Reklamationsrecht nach Artikel 7.4 eingeräumt. Gäbe es diese Möglichkeit nicht, würde man nach 1. e5 (??) als Schwarzer automatisch auf Zeit verlieren, da man ja nicht dagegen ziehen darf.
Unterstützt wird diese These noch durch den Artikel B6. Wäre ein irregulärer Zug ausgeführt nach Artikel 4.6, dann müsste es Artikel B6 nicht geben, da der Fall ja durch Artikel 6.8a) geregelt ist.

Gruß Daniel

hoppepit
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Beitrag von hoppepit » 20.02.2009, 16:13

dfuchs hat geschrieben:Nach meiner Interpretation ist ein regelwidriger Zug niemals ausgeführt.
Und genau das ist der Knackpunkt bei der Eingangsfrage, der mir Bauchweh bereitet! Ist der regelwidrige Zug als ausgeführt zu betrachten oder nicht?!

Nach Art. 3 ist er es m.E. nicht, da er die Erfordernisse nicht erfüllt.

In den FIDE-Regeln ist nirgendwo von einem "ausgeführten regelwidrigen Zug" die Rede. Den Begriff "regelwidriger Zug" gibt es nur in Verbindung mit "abgeschlossen"!
Wenn man dieser Ansicht folgt, war im vorliegenden Fall Schwarz nie am Zug, da Weiß noch keinen "regelgerechten" Zug ausgeführt hatte. Folglich kann er auch nicht Mattsetzen.
Gruß, Peter
Unterlagen für Schiedsrichter und Turnierorganisation:
https://www.schachschiri.de
Threema: KPH5UBWT

Georg Heinze
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Beitrag von Georg Heinze » 20.02.2009, 21:15

Beim flüchtigen Durchlesen des Beitrags von Eckart scheinen die Argumente durchaus etwas für sich zu haben, aber …
Ich will versuchen, diese zu entkräften:
Zu 1.
Eine Begriffsdefinitin eines abgeschlossenenen Zuges befindet sich durchaus in den FIDE-Regeln, nämlich in
6.8 a) Während der Partie hält jeder Spieler, nachdem er seinen Zug auf dem Schachbrett ausgeführt hat, seine eigene Uhr an und setzt die seines Gegners in Gang. Einem Spieler muss es immer ermöglicht werden, seine Uhr anzuhalten. Sein Zug gilt als nicht vollständig abgeschlossen, solange er das nicht getan hat, es sei denn, der ausgeführte Zug hat die Partie beendet (siehe Artikel 5.1 und 5.2).
Ich denke, den Unterschied zwischen einem „ausgeführten“ und einem „abgeschlossenen“ Zug brauchen wir hier nicht zu wiederholen.
Natürlich hätte ich auch den vollständigen Artikel 4.6. zitieren können, also mit a), b) und c).
Für den hier vorliegenden Fall ist das aber bedeutungslos, da es nur um einen legalen bzw. illegalen Läuferzug und dessen Folge geht.
Die unter a), b) und c) gemachten Ausführungen beziehen sich nicht auf die „einfachen“ unter 3. genannten Züge, sondern eben –wie von Eckart richtig bemerkt- „besonderen" Züge.
Die unter 4.6. genannten Voraussetzungen beziehen sich eindeutig auf den GESAMTEN Artikel und nicht nur auf eine Auswahl.

Zu 2.
Hier sind die Ausführungen etwas verworren. Das hängt einfach damit zusammen, dass es einen Unterschied macht, ob ein Zug ausgeführt ist, noch zu unterscheiden zwischen legal oder illegal oder ob ein Zug vollständig abgeschlossen wurde.
Im hier vorliegenden Fall wurde der Läuferzug nicht ausgeführt, da er nicht regelgerecht war und erst recht nicht abgeschlossen, da die Uhr nicht gedrückt wurde.
Wäre die Uhr bereits gedrückt worden, hätten wir einen „abgeschlossenen“ Zug, der WÄHREND der Partie reklamiert werden kann. Die Folgen sind unter 7.4. dargestellt.
Der "Fall" eines "abgeschlossenen" regelwidrigen Zuges ist hier auch dargestellt:
7.4 a) Wenn während einer Partie festgestellt wird, dass ein regelwidriger Zug, eingeschlossen der Einhaltung der Anforderungen an eine korrekte Bauernumwandlung oder dem Schlagen des gegnerischen Königs, vollständig abgeschlossen wurde, wird die Stellung unmittelbar vor dem Regelverstoß wiederhergestellt. ...
Zu 3.
Hier kann ich nur wiederum feststellen, dass schwarz gar nicht mattsetzen DURFTE, da er nicht am Zug war.
Das Zugrecht wechselt immer erst nach einem ABGESCHLOSSENEN Zug.
Ich weiß, dass das in der Praxis oftmals anders gehandhabt wird, aber es ist nicht regelgerecht.
Zu dem genannten Beispiel mit der Zeitüberschreitung brauche ich mich nicht nochmals äußern.

dfuchs
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Beitrag von dfuchs » 21.02.2009, 12:24

Zu 3) Das Zugrecht wechselt nach dem ausgeführten Zug und nicht nach dem abgeschlossenen. Sie Artikel 1.1

Das Ändert aber nichts daran, dass die restlichen Ausführungen recht gut sind.

Gruß Daniel

Georg Heinze
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Beitrag von Georg Heinze » 21.02.2009, 13:45

dfuchs hat Recht. Es gilt im allgemeinen die unter 1.1. genannte Definition.
Ich habe hier auf den konkreten Sachverhalt abgezielt und danach wäre schwarz nicht am Zuge, da ein nicht regelgerechter Zug zwar ausgeführt, aber nicht abgeschlossen wurde.

Werner
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Re: Einwand

Beitrag von Werner » 27.02.2009, 15:15

[quote="thomas.soergel"]Weiter ist anzumerken, dass die FIDE-Regeln sehr wohl in Anhang B und C beschreiben, dass ein irregulärer Zug mit dem Drücken der Uhr als abgeschlossen gilt. Dies wohl aus dem Grund, um zu regeln, ab wann der Gegner eine entsprechende Reklamation starten darf.
Im Turnierschach fehlt dieser Hinweis, weil man vom Idealfall ausgeht, dass hier der SR nach Ausführung dieses Zuges sofort eingreift und ein irregulärer Zug, im Gegensatz zum Blitz- oder Schnellschach, keinen Bestand haben darf.
[/quote]

Nein, für Turnierschach ordnet Art. 7.4 a) an, dass auch ein regelwidriger Zug "vollständig abgeschlossen" werden kann.

Ich finde Eckarts Ausführungen sehr überzeugend.

"Vollständig abgeschlossen" = "Ausführung" des Zuges + Betätigen der Uhr.

Dass ein Zug "vollständig abgeschlossen", dennoch aber nicht "ausgeführt" sein soll, ist demnach unmöglich und die Auffassung, dass ein regelwidriger Zug niemals "ausgeführt" wird, unhaltbar.

Wenn keiner die Regelwidrigkeit des Zuges bemerkt, geht die Partie ja ganz "normal" weiter, und wenn der Gegner irgendwann später regulär mattsetzt, ist die Partie vorbei, das ginge nicht, wenn der regelwidrig Spielende deswegen immerzu "am Zug" bliebe, weil der regelwidrige Zug Artikel 3 nicht genügt.
Dass Rechte nur während der Partie gelten und nicht mehr danach, halte ich für selbstverständlich. Die Beeendigung der Partie deswegen in Frage zu stellen, weil das Recht noch fortbestehen solle, halte ich für verfehlt, für eine Vertauschung von Wirkung und Ursache. Matt durch einen regelgemäßen Zug beendet die Partie und lässt das Recht auf Abänderung des regelwidrigen Zuges erlöschen.

"Bauchschmerzen" habe ich damit nicht.
In 999 von 1000 Fällen eines regelwidrigen Zuges wird dem Gegner gerade nicht ermöglicht werden, mit dem nächsten Halbzug matt zu setzen, da wird dieser eine Fall zu verschmerzen sein, zumal Weiß ja selber Schuld ist, dass er durch seinen Fehler seinem Gegner diese Möglichkeit eröffnet hat.

Georg Heinze
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Beitrag von Georg Heinze » 27.02.2009, 18:02

Wenn Werner als SR vor Ort so entscheidet, dann gilt diese Entscheidung natürlich.
Das hatte ich bereits so geschrieben. Es geht aber m.E. darum, ob eine SR-Entscheidung (hier: Anerkennung des Matts) richtig ist oder nicht.
Dazu gibt es offensichtlich unterschiedliche Auffassungen, die hier nicht zu klären sind.
Für mich kommt ein matt nicht in Frage, da weiß vor Abschluss seines Zuges seinen Fehler bemerkte und revidieren wollte als die Partie noch lief (Zug war noch nicht abgeschlossen und nicht mal regelgerecht ausgeführt).
Für mich ist da Art. 4.6. in Verbindung mit 3. eindeutig.

Nochmals zu den Ausführungen von Werner:
Dass ein Zug "vollständig abgeschlossen", dennoch aber nicht "ausgeführt" sein soll, ist demnach unmöglich und die Auffassung, dass ein regelwidriger Zug niemals "ausgeführt" wird, unhaltbar.
Im hier vorliegenden Fall war der Zug aber noch nicht abgeschlossen, da er nicht regelgerecht ausgeführt wurde und die Uhr noch nicht betätigt wurde.

Natürlich gibt es nach 7.4.a) ganz allgemein eine Festlegung, wie nach abgeschlossenen NICHT regelgerechten Zügen verfahren wird, die während der Partie festgestellt werden.
Wenn keiner die Regelwidrigkeit des Zuges bemerkt, geht die Partie ja ganz "normal" weiter, und wenn der Gegner irgendwann später regulär mattsetzt, ist die Partie vorbei, ...
So ist es! Wenn keiner die Regelwidrigkeit bemerkt, was aber hier der Fall war.
Über Besonderheiten, z.B. "irregulärer Zug nach Blättchenfall entdeckt", hatten wir schon mal einen Extra-Thread

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