Die Darlegungen von Werner sind nicht von der Hand zu weisen.
Inhaltlich geht es um die Wirkung eines „ausgeführten“ und eines „abgeschlossenen“ Zuges.
An vielen Stellen der FIDE-Regeln wird auf einen ausgeführten Zug abgestellt.
Allgemein gilt:
1.1 Das Schachspiel wird zwischen zwei Gegnern gespielt, die abwechselnd ihre Figuren auf einem quadratischen Spielbrett, "Schachbrett" genannt, ziehen. Der Spieler mit den weißen Figuren beginnt die Partie. Ein Spieler "ist am Zug", sobald der Zug seines Gegners ausgeführt worden ist (siehe Artikel 6.7).
Es sind aber Besonderheiten zu beachten.
Für den hier dargestellten Sachverhalt gilt:
4.6 Wenn als regelgemäßer Zug oder Teil eines regelgemäßen Zuges eine Figur auf einem Feld losgelassen worden ist, kann sie in diesem Zug nicht mehr auf ein anderes Feld gezogen werden. Der Zug gilt dann als ausgeführt. Der Zug wird als regelgemäß bezeichnet, sofern alle notwendigen Anforderungen von Artikel 3 erfüllt worden sind, … Wenn der Zug nicht regelgemäß ist, muss ein anderer Zug unter Berücksichtigung von Artikel 4.5 ausgeführt werden.
Nun kommen wir zu dem Unterschiede zwischen einem „ausgeführten“ und einem „abgeschlossenen“ Zug.
6.7 a) Während der Partie hält jeder Spieler, nachdem er seinen Zug auf dem Schachbrett ausgeführt hat, seine eigene Uhr an und setzt die seines Gegners in Gang. Einem Spieler muss es immer ermöglicht werden, seine Uhr anzuhalten. Sein Zug gilt als nicht vollständig abgeschlossen, solange er das nicht getan hat, es sei denn, der ausgeführte Zug hat die Partie beendet (siehe Artikel 5.1a, 5.2.a, 5.2.b, 5.2.c und 9.6).
Die Zeit zwischen der Ausführung des Zuges auf dem Schachbrett und dem Anhalten der eigenen und dem Ingangsetzen der gegnerischen Uhr gilt als Teil der Bedenkzeit des betreffenden Spielers.
Dieser Unterschied zwischen einem ausgeführten und einen abgeschlossenen Zug hat nicht nur für den hier dargestellten Sachverhalt ausschlaggebende Bedeutung.
Ein ordnungsgemäßes Remisangebot hat z.B. nach einem ausgeführten, aber noch nicht abgeschlossenem Zug (also vor dem Drücken der Uhr) zu erfolgen.
Nun kommen wir zu den entscheidenden Bestimmungen:
7.4 a) Wenn während einer Partie festgestellt wird, dass ein regelwidriger Zug, unter Einschluss einer nicht den Regeln entsprechenden Bauernumwandlung oder dem Schlagen des gegnerischen Königs, vollständig abgeschlossen wurde, wird die Stellung unmittelbar vor dem Regelverstoß wiederhergestellt. Falls die Stellung unmittelbar vor dem Regelverstoß nicht bestimmt werden kann, wird die Partie aus der letzten bekannten Stellung vor dem Regelverstoß heraus weitergespielt. Die Uhren werden gemäß Artikel 6.13 gestellt. Die Artikel 4.3 und 4.6 werden auf den Zug angewandt, der den regelwidrigen ersetzt. Daraufhin wird die Partie aus der so erreichten Stellung heraus weitergespielt.
Die Betonung liegt auf WÄHREND
5.1 a) Die Partie ist von dem Spieler gewonnen, der den gegnerischen König mattgesetzt hat. Damit ist die Partie sofort beendet, vorausgesetzt, dass der Zug, der die Mattstellung herbeigeführt hat, regelgemäß war.
Mattgesetzt werden kann also nur mit einem regelgemäßen Zug.
Und matt setzen kann man nur dann, wenn man „am Zuge“ ist.
„Am Zuge“ ist man dann, wenn zuvor ein nach 4.6 regelgemäßer Zug erfolgte.
Wie sieht es aber aus, wenn nach einem illegalen Zug die Uhr gedrückt wurde und der Zug demnach „abgeschlossen“ wurde?
Eine Formulierung wie im Schnell- oder Blitzschach gibt es nicht:
Sobald die Uhr des Gegners in Gang gesetzt wurde, ist ein regelwidriger Zug abgeschlossen.
Ich sehe es allerdings trotzdem so, dass nach einem abgeschlossenen Zug der Gegner mattsetzen kann und damit die Partie beendet ist.
Man muss also besondere Sorgfalt beim Abschließen eines Zuges walten lassen, insbesondere dann, wenn danach ein Matt droht!
Anders als in einem anderen Thread, wo es darum ging, dass ein regelwidriger Zug nach Blättchenfall bei der Rekonstruktion der Partie entdeckt wurde, gibt es hier keine Veranlassung, die Partie zu rekonstruieren.