War mein Verhalten korrekt?

dfuchs
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War mein Verhalten korrekt?

Beitrag von dfuchs » 23.02.2011, 17:54

Hallo Kollegen,

ich war Schiedsrichter bei einem kleinem Turnier (wo ich eigentlich nur mitspielen wollte, bin wohl zu bekannt...). Bei einem Fall, der gar keiner wurde, bin ich mir im Nachhinein nicht sicher, ob ich mich richtig verhalten habe. Einen Streitfall habe ich damit auf jeden Fall verhindert.

Also: Ich stehe am Brett, der Weißspieler zieht einen Bauern auf d8 und sagt: "Jetzt spiele ich mit einer zweiten Dame." und greift zu einem Turm um diesen auf dem Kopf einzusetzen. In diesem Moment reiche ich ihm meine "Hosentaschendame".

Ich habe in diesem Moment nur gedacht, wenn er jetzt den Turm falschrum einsetzt, bleibt es ein Turm und der Streitfall ist vorprogrammiert, wenn ich ihm die Dame gebe, verhindere ich das. Im Nachhinein bin ich mir aber nicht sicher, ob ich das überhaupt durfte.

Was meint ihr?

Gruß Daniel

Georg Heinze
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Re: War mein Verhalten korrekt?

Beitrag von Georg Heinze » 23.02.2011, 18:45

Ich denke schon, dass dein Handeln nicht nur zulässig, sondern auch richtig war.
Der Spieler hat sich doch klar geäußert. Wenn eine Dame verfügbar gewesen wäre, hätte er sicher danach gegriffen.
Da dem nicht so war, hast Du ihm ausgeholfen, wo ist das Problem?
Hättestest Du keine "Hosentaschendame" gehabt, hättest Du ihm sagen müssen, Moment, ich hole eine.
Auch ein Hinweis, dass er keinesfalls einen Turm, egal ob normal oder falschrum setzen darf, da es dann immer ein Turm ist, wäre da hilfreich gewesen.
Man sollte Probleme, die eigentlich keine sind, doch nicht zum Streitfall werden lassen. Und ein SR handelt nach bestem Wissen und Gewissen.

Chlodwig
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Re: War mein Verhalten korrekt?

Beitrag von Chlodwig » 23.02.2011, 22:11

dfuchs hat geschrieben:Ich habe in diesem Moment nur gedacht, wenn er jetzt den Turm falschrum einsetzt, bleibt es ein Turm und der Streitfall ist vorprogrammiert, wenn ich ihm die Dame gebe, verhindere ich das. Im Nachhinein bin ich mir aber nicht sicher, ob ich das überhaupt durfte.
Hallo Daniel,

Dass du dir Gedanken während der von dir beobachteten Partie machst, zeigt doch, dass du ein aufmerksamer Schiri bist. Jemand, der als Schiri nur leer ins Leere blickt, obwohl er dabei steht, ist nicht brauchbar und im Falle eines Falles schnell überfordert. Du hast im besten Sinne der FIDE-Schachregeln gehandelt, ich kann Georg Heinze nur zustimmen.

Dein Handeln ist abgedeckt mit Art. 13.1:
"Der Schiedsrichter achtet auf striktes Einhalten der Schachregeln."

Der Spieler hat seine Absicht eine Dame umzuwandeln klar geäußert und hätte mit dem umgedrehten Turm ein nicht den Regeln gemäße Damenverwandlung vorgenommen. Das hätte nicht "strikt" den Regeln entsprochen, daher ist dein Handeln auch nach 13.1 absolut ok gewesen.

Leider ist meine Erfahrung oder ist es einfach nur subjektives Empfinden - jedenfalls ist meine Beobachtung die, dass die meisten Schiris sich viel zu leicht aus dem Geschehen heraushalten, mit dem Verweis auf Art. 13.6:
"Der Schiedsrichter darf nicht in eine Partie eingreifen, außer in den Fällen, die in den Schachregeln erwähnt sind. [...]"
Man sollte zwar nicht die beiden 13.x Artikel gegeneinander ausspielen, aber meines Erachtens macht es durchaus Sinn, die Anwendbarkeit des 13.1 in Fällen wie den hier von D.Fuchs beschriebenen - ähnlich Gelagerte gibt es zu Hauf - häufiger zu prüfen.

Gruß
Chlodwig
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Re: War mein Verhalten korrekt?

Beitrag von Stingray » 23.02.2011, 22:59

Von mir ebenfalls Zustimmung. Ungeachtet dieses Eingreifens hast Du hoffentlich auch daran gedacht, den Jungs nachher zu erklären, was die Aktion sollte. Wer weiß, vielleicht merken sie sich nicht nur die korrekte Umwandlung, sondern tragen das Gelernte gar weiter. (Hey, man wird doch noch träumen dürfen... :mrgreen: )

Eine kleine Ergänzung zu chlodwig. Ich finde, der nächste Absatz passt hier noch besser:
13.2 hat geschrieben:Der Schiedsrichter handelt im besten Interesse des Wettkampfes. Er soll dafür sorgen, dass durchgehend gute Spielbedingungen herrschen und dass die Spieler nicht gestört werden. Er beaufsichtigt den Ablauf des Wettkampfes.
Die Absicht des Spielers war klar. Der formal korrekte Ablauf ist definitiv "im besten Interesse des Wettkampfes". Dementsprechend ist das Vorgehen absolut von den Regeln gedeckt.

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Re: War mein Verhalten korrekt?

Beitrag von Eckart » 24.02.2011, 01:43

dfuchs hat geschrieben:Also: Ich stehe am Brett, der Weißspieler zieht einen Bauern auf d8 und sagt: "Jetzt spiele ich mit einer zweiten Dame." und greift zu einem Turm um diesen auf dem Kopf einzusetzen. In diesem Moment reiche ich ihm meine "Hosentaschendame".

Ich habe in diesem Moment nur gedacht, wenn er jetzt den Turm falschrum einsetzt, bleibt es ein Turm und der Streitfall ist vorprogrammiert, wenn ich ihm die Dame gebe, verhindere ich das. Im Nachhinein bin ich mir aber nicht sicher, ob ich das überhaupt durfte.
Die Reaktionen erstaunen mich.

Sofern man wirklich den Standpunkt vertritt, dass ein auf dem Umwandlungsfeld eingesetzter umgekehrter Turm ein Turm ist und ein Turm bleibt - ich weiß nicht, ob auch Chlodwig (der von einer "Damenverwandlung" spricht) diese Auffassung vertritt -, bedeutet das unaufgeforderte Reichen der Hosentaschendame sehr wohl eine unerlaubte Einmischung.
Georg Heinze hat geschrieben:Der Spieler hat sich doch klar geäußert.
Komisch, ich meine mich zu erinnern, dass es Georg Heinze war, der einst zu dieser Problematik ausgeführt hat, dass es nicht darauf ankommt, was jemand sagt, sondern auf das, was auf dem Brett geschieht.
Georg Heinze hat geschrieben:Wenn eine Dame verfügbar gewesen wäre, hätte er sicher danach gegriffen.
Das wissen wir nicht. Es ist auch unerheblich, was gewesen wäre, wenn der Sachverhalt ein anderer gewesen wäre als der, der im Eingangsbeitrag geschildert worden ist.
Georg Heinze hat geschrieben:Auch ein Hinweis, dass er keinesfalls einen Turm, egal ob normal oder falschrum setzen darf, da es dann immer ein Turm ist, wäre da hilfreich gewesen.
Wieso "darf" er "keinesfalls einen Turm setzen"? Natürlich darf er das.
Chlodwig hat geschrieben:Dein Handeln ist abgedeckt mit Art. 13.1:
"Der Schiedsrichter achtet auf striktes Einhalten der Schachregeln."

Der Spieler hat seine Absicht eine Dame umzuwandeln klar geäußert und hätte mit dem umgedrehten Turm ein nicht den Regeln gemäße Damenverwandlung vorgenommen. Das hätte nicht "strikt" den Regeln entsprochen, daher ist dein Handeln auch nach 13.1 absolut ok gewesen.
Nein. Wenn man den umgedrehten Turm als Turm akzeptiert, liegt ein Regelverstoß nicht im Einsetzen des Turmes, sondern allein darin, dass er auf dem Kopf stehend eingesetzt werden soll. Die Verpflichtung zum strikten Einhalten der Regeln geböte dann allenfalls das Umkehren des Turmes, nicht aber, den Spieler von einer Umwandlung in einen Turm abzuhalten.
Stingray hat geschrieben:Eine kleine Ergänzung zu chlodwig. Ich finde, der nächste Absatz passt hier noch besser:
13.2 hat geschrieben:Der Schiedsrichter handelt im besten Interesse des Wettkampfes. Er soll dafür sorgen, dass durchgehend gute Spielbedingungen herrschen und dass die Spieler nicht gestört werden. Er beaufsichtigt den Ablauf des Wettkampfes.
Die Absicht des Spielers war klar. Der formal korrekte Ablauf ist definitiv "im besten Interesse des Wettkampfes". Dementsprechend ist das Vorgehen absolut von den Regeln gedeckt.
Das unzulässige Eingreifen des Schiedsrichters kann niemals "im besten Interesse des Wettkampfes sein", es war allein im Interesse des umwandelnden Spielers, der davon abgehalten wurde, mit einem Turm weiterzuspielen.

Es ist auch wenig überzeugend, eine Entscheidung allein auf die Generalklausel Artikel 13.2 zu stützen.
dfuchs hat geschrieben:Einen Streitfall habe ich damit auf jeden Fall verhindert.
Ein regelkundiger Schwarzspieler hätte vielleicht dein Eingreifen beanstandet, und dann wäre ein Streitfall entstanden, in dem nicht nur das Verhalten eines der Spieler, sondern auch das des Schiedsrichters zu diskutieren gewesen wäre.

Georg Heinze
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Re: War mein Verhalten korrekt?

Beitrag von Georg Heinze » 24.02.2011, 09:08

Eckart hat sich positioniert. Das ist sein gutes Recht, hier seine Auffassung zum Sachverhalt zu äußern, auch wenn er hier als (bisher) Einziger eine andere Meinung vertritt.
Da er mich aber konkret benannt hat, möchte ich mich dazu auch äußern:
Komisch, ich meine mich zu erinnern, dass es Georg Heinze war, der einst zu dieser Problematik ausgeführt hat, dass es nicht darauf ankommt, was jemand sagt, sondern auf das, was auf dem Brett geschieht.
Richtig! Wenn W den Bauern auf dem Brett in einen Turm verwandelt hätte, dann wäre es ein Turm geblieben.
So hat er aber deutlich gesagt, ich hole mir eine zweite Dame. Leider ist es so, dass viele Schachspieler nicht wissen, wie man sich korrekt eine zweite Dame holt und da sollte man als SR helfen.
Übrigens hätte dfuchs nur mit einer Dame aushelfen dürfen (die wollte ja der W-Spieler), auch wenn er sieht, dass damit z.B. eine Pattstellung entsteht, während bei einer Umwandlung in einen Springer S matt wäre.

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Grenzwertig

Beitrag von thomas.soergel » 24.02.2011, 13:04

Ich halte Daniels Eingreifen sehr grenzwertig, denn er greift in eine laufende Partie ein. Keiner der Spieler hatte die Uhr abgestellt oder den Schiedsrichter gerufen. Vom sportlichen Gedanken her war es sicherlich wünschenswert, dass dem Spieler die Dame gereicht wurde, die er haben wollte. Aber er hat Glück gehabt, dass der Gegner dies akzeptierte, sei es, weil auch er nicht regelfest war, sei es, weil er wegen der Regelunkenntnis seines Gegners nicht gewinnen wollte.
Dennoch möchte ich mich der Argumentation von Eckart anschließen. Die FIDE-Regeln lassen in so einem Fall nur eine Hilfe durch den SR zu:
Der Spieler zieht (oder schlägt) mit dem Bauern auf das Feld der gegnerischen Grundreihe. Danach hält er die Uhr an und bittet den SR um die Beschaffung der zusätzlichen Dame. Nachdem diese dann verfügbar und eingesetzt ist, setzt der SR die Uhr in Gang.
Was passiert, wenn der Gegner protestiert, weil er die Regel kannte und selber am Zug mit "J'doube" den Turm umdrehen wollte? Mit den "passenden" zwei Spielern hat man dann gleich einen Protest am Hals und hängt als SR selber mittendrin.
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Re: War mein Verhalten korrekt?

Beitrag von Georg Heinze » 24.02.2011, 14:29

Was hat denn dfuchs als SR Schlimmes getan?
Wenn er ohnehin daneben stand, war doch vorauszusehen, dass der W-Spieler in wenigen Zügen (oder eben im nächsten Zug) mit seinem Bauern einzieht. Dann hätte er vorsorglich schon eine Dame bereithalten können. Das war aber nicht nötig, da er ja seine "Hosentaschendame" hatte. Ist es nun so entscheidend, ob es diese Dame oder eine andere war?
Bleiben die Spieler. Der S-Spieler hatte keine echte Chance für einen Protest. Ein "J'adoube" ging ja nicht, da der Turm noch nicht auf dem Brett war und damit der Zug noch nicht vollständig ausgeführt. Damit bliebe nur, dem SR eine Unsportlichkeit zu unterstellen - naja. Der W-Spieler hat seinen Willen erklärt. Sein Fehler war, nach einem Turm zu greifen, weil keine Dame verfügbar war. Jedenfalls lese ich das so im Eingangsthread. Da hätte er eben die Uhren anhalten müssen. Nach einem SR rufen war nicht nötig, da er ja schon da war. Sollte nun der SR, obwohl er den Willen des W-Spielers hörte und eine Dame dabei hatte, warten, ohne sich zu rühren, um dann dem Spieler seelenruhig zu erklären, dass er nun einen Turm statt einer Dame umgewandelt hat?

Der Vorgang reduziert sich auf 2 Sachverhalte:
1. Darf der SR in eine laufende Partie eingreifen?
2. Handelt der SR im besten Sinne des Wettkampfes?
Ich bin der Meinung, dass es kein Eingreifen in eine laufende Partie war, sondern der SR im besten Sinne des Wettkampfes gehandelt hat, indem er für eine ordnungsgemäßen Bauernumwandlung sorgte.
Hätte weiß nämlich nach einem Bauern oder einem König gegriffen, hätte er ohnehin eingreifen müssen.

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Re: War mein Verhalten korrekt?

Beitrag von hoppepit » 25.02.2011, 19:01

Hallo Kollegen,

mir ist es vor ein paar Jahren genauso ergangen wie Daniel. Gleiche Situation, allerdings war es ein Blitzturnier.
Damals hat sich der Gegner sofort mit dem Hinweis beschwert, der Spieler hätte ohne meine "Hilfe" ja immernoch etwas falsch machen können.

Da die Partie sowieso "platt" war und ich beide Spieler gut kannte/kenne, kam es zu keinem Protest.
Allerdings habe ich dem Spieler nach der Partie gesagt, daß er sich zu recht beschwert hat.

Seitdem würde ich auf gar keinen Fall mehr eine Dame "anreichen", sondern platziere nach Möglichkeit (besonders bei Blitz- und Schnellschachturnieren) vorweg Reservedamen zwischen den Brettern.
Ebenso ist es meiner Meinung nach hilfreich, bei der Begrüßung ein paar Sätze zu den "Do's und Dont's" zu sagen. Das wirkt Wunder.
Gruß, Peter
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Georg Heinze
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Re: War mein Verhalten korrekt?

Beitrag von Georg Heinze » 25.02.2011, 23:22

Hm, hoppepit, Deine Ausführungen bestätigen mehr oder weniger die Bauchschmerzen, die dfuchs mit seiner Handlungsweise im Nachhinein hatte.
Keine Frage - hätte dfuchs nicht so gehandelt, wäre ihm sicher kein Vorwurf gemacht worden.
Es ist und bleibt eine Ermessensfrage und die betreffenden FIDE-Regeln kann man so oder so auslegen.
Klar, wenn die Damen verfügbar gewesen wären, hätte im hier vorliegenden Fall der W-Spieler auch danach gegriffen. Soll das nun als Kritik gelten, dass dfuchs hier nicht ebenso Vorsorge getroffen hat?

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Re: War mein Verhalten korrekt?

Beitrag von hoppepit » 26.02.2011, 00:48

Georg Heinze hat geschrieben:Soll das nun als Kritik gelten, dass dfuchs hier nicht ebenso Vorsorge getroffen hat?
Nee, das soll keine Kritik sein! Ich kenne Daniel schon ein paar Jahre und schätze ihn als sehr gewissenhaften Kollegen unserer Zunft.
Ihm ist diese Aktion vermutlich genauso "rausgerutscht" wie mir damals.
Und ich könnte wetten, daß er in Zukunft die Hosentaschendame erst dann rausholt, wenn der Spieler die Uhr angehalten hat und danach fragt!
Gruß, Peter
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Re: War mein Verhalten korrekt?

Beitrag von Chlodwig » 26.02.2011, 04:30

Hallo Eckart,
Eckart hat geschrieben:Sofern man wirklich den Standpunkt vertritt, dass ein auf dem Umwandlungsfeld eingesetzter umgekehrter Turm ein Turm ist und ein Turm bleibt - ich weiß nicht, ob auch Chlodwig (der von einer "Damenverwandlung" spricht) diese Auffassung vertritt -, bedeutet das unaufgeforderte Reichen der Hosentaschendame sehr wohl eine unerlaubte Einmischung.
Natürlich war es in dem beschriebenen Fall eine Damenverwandlung. Das geht aus der eindeutigen Absichtserklärung des Spielers hervor. Sie wäre jedoch nicht den Regeln entsprechend - und daher tatsächlich eine vom Spieler nicht gewollte Turmverwandlung gewesen, wenn der Schiri nicht wie bereits beschrieben im besten Sinne des Wettkampfsports eingeschritten wäre. Der Aspekt der Sportlichkeit ist in diesem Fall ebenso nicht gering zu schätzen. Genau das lassen die Art. 13.1 + 13.2 zu - warum bräuchte man sie sonst?
Eckart hat geschrieben: Komisch, ich meine mich zu erinnern, dass es Georg Heinze war, der einst zu dieser Problematik ausgeführt hat, dass es nicht darauf ankommt, was jemand sagt, sondern auf das, was auf dem Brett geschieht.
Da wird ein genereller Kritikpunkt berührt. Dass es nur darauf ankommt, was auf dem Brett passiert, ist leider ein Trugschluss und nur die Hälfte der Wahrheit, denn sonst dürfte ein Spieler ja NIEMALS irgendetwas reklamieren! Wenn ich natürlich den Drei-Affen-Schiri spiele, der nie etwas sieht, hört oder sagt, dann greife ich auch nie ein. Aber ob das wirklich "im besten Interesse des Wettkampfes" ist, wie Art. 13.2. von den Schiris fordert - ich habe da so meine nicht unerheblichen Zweifel!
Eckart hat geschrieben: Nein. Wenn man den umgedrehten Turm als Turm akzeptiert, liegt ein Regelverstoß nicht im Einsetzen des Turmes, sondern allein darin, dass er auf dem Kopf stehend eingesetzt werden soll. Die Verpflichtung zum strikten Einhalten der Regeln geböte dann allenfalls das Umkehren des Turmes, nicht aber, den Spieler von einer Umwandlung in einen Turm abzuhalten.
"wenn man den umgedrehten Turm als Turm akzeptiert" - du sagst es selbst! Genau das hätte der Spieler, der den Turm einsetzen wollte, ja eben gerade nicht akzeptiert, weil sein zuvor erklärter Wille ein anderer war. Damit die Umwandlung zu dem Willen des Spielers passt, ist eine Regelkenntnis erforderlich, die - ich behaupte jetzt mal kühn - 75% aller Schachspieler und Schiris dabei ausgenommen, gar nicht beherrschen. Warum sonst erklärt z. B. hoppepit bei der Begrüßung ein paar do´s und don´ts - er tut gut daran!

Ich denke es ist ohnehin besser als Schiri Regelunkenntnis (natürlich nicht die Grundregeln, aber eben typische Fälle wie Königschlagen oder falsche Damenumwandlung u. a. m.) vorauszusetzen. Ein Schiri ist dann durchaus berechtigt, im Falle eines Falles oder wie dem beschriebenen einzugreifen. Die entsprechenden, genannten Artikel hat er auf seiner Seite und daher kann auch nicht von einem "unzulässigen Eingreifen" die Rede sein.
Eckart hat geschrieben: Das unzulässige Eingreifen des Schiedsrichters kann niemals "im besten Interesse des Wettkampfes sein", es war allein im Interesse des umwandelnden Spielers, der davon abgehalten wurde, mit einem Turm weiterzuspielen.
Natürlich war das Eingreifen des Schiris im Interesse des umwandelnden Spielers. Wie du dazu kommst, zu behaupten, es sei "allein" in dessen Interesse gewesen, weiß ich nicht. Und selbst wenn es so war, dass der Gegenspieler gewollt hätte, dass der Turm auf dem Brett zu stehen kommt, so darf die Frage erlaubt sein: Wäre es allein aus Gründen von Sportlichkeit und Fairness nicht ebenso in seinem Interesse, dass die Figur verwandelt wird, die der Spieler wünscht (die Regeln geben ihm immerhin die freie Auswahl - wenn wir von König und Bauer einmal absehen, worüber wir auch nicht reden müssen)? Oder will der Gegenspieler nur gewinnen, weil sein Kontrahent diese eine, spezielle Regel nicht kennt? Will er spielerisch gewinnen oder formal? Welcher Sieg ist höher einzuschätzen und warum?

Deine Haltung ist für mich aus den genannten Gründen daher nicht überzeugend.

Gruß
Chlodwig
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Georg Heinze
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Re: War mein Verhalten korrekt?

Beitrag von Georg Heinze » 26.02.2011, 09:12

Chlodwig hat alles geschrieben, was dazu zu schreiben ist.
Ein Satz hat mich allerdings nachdenklich gemacht, obwohl er eigentlich nicht zur Frage gehört:
Oder will der Gegenspieler nur gewinnen, weil sein Kontrahent diese eine, spezielle Regel nicht kennt? Will er spielerisch gewinnen oder formal? Welcher Sieg ist höher einzuschätzen und warum?
Wie wollte der Gegenspieler denn "formal" gewinnen? Doch nur, indem er auf einer Bauernumwandlung in einen Turm bestanden hätte. Wie hätte er das begründet? Indem er gehört hat, dass der W-Spieler erklärt, dass er eine zweite Dame will und dann nach einem Turm greift? Nur das wäre doch maximal die Forderung des Gegenspielers. Und hätte er dann tatsächlich gewonnen?

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Re: War mein Verhalten korrekt?

Beitrag von Scharfrichter » 26.02.2011, 10:32

Hallo Daniel,

meiner Meinung war es ein glattes Fehlverhalten deinerseits, denn
du hast unberechtigt in eine Partie eingegriffen.
Moralich war es vielelicht richtig, aber Regeltechnisch kann man das
mit Sicherheit nicht verantworten.

Ob er sagt er will eine Dame einsetzten oder sonst eine Figur ist
nicht entscheiden, sondern was er einsetzt.

DU DARFST IHM DIE DAME NUR REICHEN, WENN ER AUSDRÜCKLICH
BEI DIR NACH DER DAME VERLANGT.

Torsten

Chlodwig
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Re: War mein Verhalten korrekt?

Beitrag von Chlodwig » 26.02.2011, 11:42

@Georg Heinze:

Das ist natürlich richtig, denn ob der Gegenspieler dann auch tatsächlich gewonnen hätte, steht freilich noch auf einem anderen Blatt.
Scharfrichter hat geschrieben:Hallo Daniel,

meiner Meinung war es ein glattes Fehlverhalten deinerseits, denn
du hast unberechtigt in eine Partie eingegriffen. [...]

Ob er sagt er will eine Dame einsetzten oder sonst eine Figur ist
nicht entscheiden, sondern was er einsetzt.

DU DARFST IHM DIE DAME NUR REICHEN, WENN ER AUSDRÜCKLICH
BEI DIR NACH DER DAME VERLANGT.

Torsten
All jene, die so sehr darauf bestehen, dass Daniel nicht in die Partie hätte eingreifen dürfen, können bis jetzt keinen FIDE-Artikel vorweisen, aus dem genau das hervorgeht. Schon ziemlich auffallend! Doch die ständige Wiederholung einer Behauptung macht noch kein Argument!
Auch die durch Großbuchstaben hervorgehobene Betonung, dass der Schiri die wohl noch berühmt werdende Hosentaschendame nur auf ausdrückliches Verlangen des Spielers hätte darreichen dürfen, geht aus keinem Artikel hervor.

Selbst Art. 6.12 b) unterstützt den Griff zur Hosentaschendame, denn dort heißt es:

"Ein Spieler darf die Uhren nur anhalten, um den Schiedsrichter zu Hilfe zu rufen, z. B. wenn ein Bauer umgewandelt wird und die gewüschte Figur nicht zur Hand ist."


Es ist also klar, dass der Spieler die Uhr gar nicht anhalten muss und alle Beteiligten wussten durch die eindeutige Äußerung des Spielers welches die "gewünschte Figur" war. Weder aus diesem noch aus einem anderen Artikel geht hervor, dass Daniel Fuchs in diesem Fall - wie immer wieder nur behautptet, aber nicht belegt - gar nicht hätte eingreifen dürfen!
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